Ja, sich mit anderen Ansichten auseinandersetzen zu müssen, ist schon schwer. Besonders wenn man keine Argumente hat.
Vielleicht ist es dir mit deinem "Expertenwissen" über politische Theorie entgangen, aber Liberalismus und Sozialismus gehören zu den bedeutendsten politischen Ideologien. Sozialdemokratie (das meinst du wohl mit "Sozialstaat") ist eine der Ausprägungen des Sozialismus (neben Kommunismus etc.). Deswegen spricht die "sozialdemokratische Partei Deutschlands" in ihrem Grundsatzprogramm im ürbigen auch von "demokratischem Sozialismus".
Dass eine Entwicklung "in die sozialistische Richtung" geht, ist nicht das gleiche wie zu sagen, dass man in einer Diktatur lebt.
Der Sozialismus glaubt an Gerechtigkeit durch Gleichheit (alle haben im Prinzip das gleiche verdient - nur manche sind natürlich "gleicher" als andere...) und daran, dass der Staat durch Planwirtschaft, Preiskontrollen etc. am besten für Gerechtigkeit sorgen könnte. Wie gut das funktioniert, kann und konnte man in der UdSSR, Kuba, Venezuela, Nordkorea, DDR etc. bewundern.
Der Liberalismus glaubt an Gerechtigkeit durch Unterschiede (Leistungsgerechtigkeit) und daran, dass der Markt durch die freie Marktwirtschaft und freie Preisbildung die Dinge am besten selbst regelt und der Staat nur im begrenztem Umfang und nur im manchen Bereichen eingreifen sollte.
Und dazwischen gibt es eben sehr viele Abstufungen.
Viele Probleme hierzulande sind vom Staat verursacht und dennoch wird darüber diskutiert, dass man "noch mehr Staat" bräuchte, um sie zu lösen.
Beispiel Wohnungsmarkt: Warum schießen Mieten und Immobilienpreise in die Höhe? Manche haben da ihre Patentlösung: es sind wie immer die bösen Kapitalisten und Immobilienhaie. Andere denken nach und sehen, dass in den letzten Jahren wie wild Geld gedruckt wurde (Staatsfinanzierung der EU-Länder über die EZB); dass Gemeinden sehr wenige Bauplätze zur Bebauung freigeben, und wenn Bauplätze freigegeben werden, oftmals "grüne" Bürgerinitiativen dagegen protestieren; dass bürokratische Baugenehmigungsverfahren sich viele Jahre in die Länge ziehen, bevor der erste Spatenstich gesetzt werden kann; dass der Staat an Steuern auf Immobilienkauf und Immobilienvermietung sehr gut mitverdient und Finanzämter solche Vermieter, die zu "billig" vermieten, oftmals abmahnen; dass ständig neue Bauvorschriften hinzukommen, die das Bauen weiter verteuern; dass mit der vermehrten Bereitstellung von Wohnraum an Sozialleistungsempfänger durch den Staat in Ballungsgebieten bestehender Wohnraum zusätzlich verknappt wird; dass Wohnraum auch durch gestiegene Wohnbedürfnisse verknappt wird (während auf 70 Quadratmetern früher eine ganze Familie hauste, wohnen hier heute meist 1-2 Personen). Für diese Einschränkungen der Entstehung von ausreichendem Wohnraum sind der Staat bzw. eine breite Bürgerschicht verantwortlich, nicht einzelne Immobilienhaie oder der Kapitalimus.
Mit solcher komplexeren Ursachensuche beschäftigen sich sozialistisch Gesinnte erst gar nicht. Man hat ja die "Superlösungen": Preiskontrolle (Mietendeckel) und Enteignung.
Dass dadurch keine einzige neue Wohnung entsteht; dass enteigneter Wohnraum mit den Jahrzehnten verfallen wird (da der Staat ein ineffizienter Unternehmer ist und die zu geringen Mieten keine Instandhaltung erlauben - siehe Zustand der DDR-Wohnungen in den 90ern): mit so praktischen Konsequenzen müssen sich Gesinnungstäter nicht beschäftigen.
Steigende Preise zeigen eine erhöhte Nachfrage im Vergleich zum Angebot an; Mangel an Wohnraum wird nicht dadurch beseitigt, dass man die Preise beschränkt. Das ist sogar kontraproduktiv, da die Preise somit keine Information mehr liefern über die wahren Bedürfnisse der Bürger, und der Markt nicht mehr darauf reagieren kann.
Aber diese populistische Denkweise greift leider aus meiner Sicht immer mehr um sich. Viele Menschen scheinen nicht viel aus den Jahrzehnten Erfahrung mit dem Sozialismus gelernt zu haben.
Natürlich kann man darüber diskutieren, an welchen Stellen man den Staat braucht; das Gesundheitssystem ist ein gutes Beispiel (auch wenn es hier vieler Reformen bedürfte; unter anderem ist das Pflegepersonal durch die staatlichen pauschalen Mittelzuweisungen deutlich unterbezahlt). Es gibt sehr gute Argumente für eine verpflichtende Krankenversicherung für alle. Eine solche Pflichtversicherung für alle haben wir allerdings in Deutschland nicht; wer selbstständig arbeitet, muss sich nicht versichern, und fällt im Krankheitsfall durch viele Raster. Hier findet die ärztliche Versorgung z.T. durch freiwilliges und kostenloses ärztliches Engagement statt - also nicht durch den Staat.
Dass der Staat in manchen Bereichen eine sinnvolle Funktion hat, legitimiert aber nicht, dass er an immer mehr Stellen in das Leben der Menschen eingreift und die Freiheit einschränkt.
P.S. Guter Hinweis auf Milton Friedman! Seine Vorträge und Dokus zum "welfare system" auf youtube sind wirklich sehenswert.
WiWi Gast schrieb am 14.07.2021:
Nicht schon wieder so jemand, jedes Mal wenn ich einen Kommentar wie deinen lese spüre ich den Drang meinen Kopf unter die Räder eines rollenden LKWs zu legen. DEUTSCHLAND GEHT AUF KEINEN FALL IN EINE SOZIALISTISCHE RICHTUNG GOTTVERDAMMT. Können diese "uhhh der Staat nutzt Steuern um X zu finanzieren also ist es Sozialismus" Kaschber endlich ruhig sein??? Ihr hab anscheinend KEINE Ahnung von politischer Theorie, wisst nicht was Sozialimus ist aber benutzt es trotzdem andauernd als negatives Buzzword. "Ich zahl Steuern und Staat benutzt dies um die Krebstherapie von anderen zu finanzieren. SOZIALISMUS". Amerikanischer Populismus kommt anscheinend auch langsam hier an, während dort das deutsche System immer populärer wird.
Sozialstaat =/= Sozialismus wann begreift ihr das endlich?! Außerdem sind die Fragen weder selten noch hochintellektuell. Die werden andauernd diskutiert und die meisten denken sich "Wenn mir das passiert würde ich ungern die Kosten alleine stemmen". Für einfache Handwerker wäre eine Chemo gar nicht finanzierbar aber an sowas denkt ihr wannabe Friedmans gar nicht. Ich bin gottfroh das wir in Deutschland nicht solche Zustände wie in Amerika haben.
antworten