BU-Studie 2017: Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht immer
Das durchschnittliche Alter für eine Berufsunfähigkeit beträgt etwa 46 Jahre und die Rente aus der Berufsunfähigkeitsversicherung knapp 800 Euro. Das zeigt ihre Bedeutung für die Absicherung der Existenz und die Unterversorgung in der Rentenhöhe. Lediglich jeder vierte Erwerbstätige sichert seine Arbeitskraft überhaupt ab. Ein Grund könnten die unklaren und unverbindlichen Vertragswerke sein. Laut einer aktuellen Studie ist die Leistung der Berufsunfähigkeitsversicherung im Ernstfall nicht sicher.
BU-Studie 2017: Berufsunfähigkeitsversicherungen bieten im Ernstfall nicht immer Schutz
Eschborn, 28.03.2017 (pc) - Mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung wollen Versicherte für den Ernstfall den Lebensunterhalt von sich und ihrer Familie absichern. Ob im Leistungsfall überhaupt gezahlt wird und wie lange sich die Bearbeitung im Leistungsfalls hinzieht, ist für die Versicherten und auch die Vermittler einer Berufsunfähigkeitsversicherung jedoch schwer einschätzbar. "Unklare und unverbindliche Vertragswerke sorgen für extreme Unterschiede bei den Leistungsentscheidungen der Versicherer", so lautet das Ergebnisse einer aktuellen Studie zu Berufsunfähigkeitsversicherungen in Deutschland.
Aufgrund einer Fülle unklarer Begriffe und Formulierungen in den Verträgen unterscheidet sich das Leistungsverhalten der Versicherer so stark, dass Claus-Dieter Gorr, Geschäftsführer der PremiumCircle Deutschland GmbH, Leitplanken von der Politik fordert: Schutzbedürftige Verbraucher und Vermittler haben derzeit kaum die Möglichkeit, gute von schlechten Leistungen zu unterscheiden so Gorr.
Er fürchtet, dass die europaweit unterdurchschnittliche Absicherungsquote in Deutschland ohne verbindliche Leitplanken für die Vertragsbedingungen durch die Politik nicht steigen werden. Lediglich jeder vierte Erwerbstätige hat in Deutschland den Verlust seiner Arbeitskraft durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgesichert.
Die PremiumCircle Deutschland GmbH hat im Rahmen der im Herbst 2016 initiierten Qualitäts- und Transparenzinitiative (QTI) 62 BU-Versicherer zum tatsächlichen unternehmensindividuellen Leistungsverhalten befragt. Hierzu wurde ein Erhebungsbogen mit jeweils 75 Fragen für den Zeitraum 01.01.2000 bis 31.10.2016 versandt. Die ausgewerteten Daten wurden allen teilnehmenden Unternehmen jeweils zur Qualitätssicherung rückgespiegelt. Kein Unternehmen hat alle Fragen für alle Jahre beantwortet. Die zum finalen Auswertungsstichtag am 27.03.2017 herangezogene höchste Antwortdichte bezog sich mit insgesamt jeweils 16 auswertbaren Antworten auf das Jahr 2014.
Insgesamt haben sich 15 Versicherer mit einem Gesamtmarktanteil von 23,2 Prozent an der QTI beteiligt, 5 Versicherer hatten keine relevanten Daten, 32 Versicherer haben aus internen Gründen abgelehnt, 10 Versicherer haben trotz Erinnerung nicht reagiert.
Transparenz zum tatsächlichen Leistungsverhalten geboten haben:
Alte Leipziger, AXA, Barmenia, Debeka, die Bayerische, HDI, LV 1871, Neue Leben, PB Versicherung, Signal Iduna, Swiss Life, Targo, Volkswohl Bund, Württembergische, Zurich. Die wichtigsten Ergebnisse im Auswertungsjahr 2014 zeigen eine eklatante Varianz im Leistungsverhalten.
Abgelehnte Leistungsfälle bei der BU
- Bis zur Hälfte der Anträge werden abgelehnt. Von 16.150 abschließend bearbeiteten Leistungsfällen wurden insgesamt 72,2 Prozent (11.656 Fälle) anerkannt. 27,8 Prozent (4.494 Fälle) wurden abgelehnt. Die unternehmensindividuelle Quote variiert zwischen 55,8 Prozent und 13,9 Prozent der abschließend bearbeiteten Leistungsfälle.
- Von insgesamt 4.494 abgelehnten Leistungsfällen wurde in 8,7 Prozent der Fälle im Jahr 2014 Klage durch den Versicherungsnehmer/Versicherte Person erhoben.
- Erfolgsquote der Kläger zwischen null und 83 Prozent. Von insgesamt 169 in 2014 getroffenen erstinstanzlichen Urteilen (LG) gingen 31,4 Prozent zugunsten des klagenden Versicherungsnehmers/Versicherte Person, 68,6 Prozent zugunsten des Versicherers aus. Die unternehmensindividuelle Quote der durch Versicherer verlorenen Prozesse variiert zwischen 0 Prozent und 83,3 Prozent.
Abschließend bearbeiteten Leistungsfälle bei der BU
- 63,4 Prozent aller abschließend bearbeiteten Leistungsfälle wurden unbefristet anerkannt. Die unternehmensindividuellen Anerkennungsquoten variieren dabei zwischen 36,2 Prozent und 83,3 Prozent. Die mit der Anzahl der unbefristeten Leistungsanerkenntnisse gewichtete durchschnittliche monatliche BU-Rente beträgt dabei 795 Euro. Die unternehmensindividuellen durchschnittlichen BU-Renten variieren zwischen 590 Euro und 1.195 Euro.
- Die mit der Anzahl der abschließend bearbeiteten Leistungsfälle gewichtete durchschnittliche Bearbeitungsdauer bis zum Abschluss eines Leistungsfalls beträgt 95 Tage. Die unternehmensindividuelle durchschnittliche Varianz liegt dabei zwischen 30 und 219 Tagen.
- Das mit der Anzahl der abschließend bearbeiteten Leistungsfälle gewichtete durchschnittliche Alter bei Meldung eines Leistungsfalles beträgt 45,7 Jahre. Die unternehmensindividuelle Varianz liegt dabei zwischen durchschnittlich 40,4 und 48,1 Jahren.
Eingestellte unbefristete Leistungsanerkenntnisse bei der BU
- 2014 wurde von den teilnehmenden Versicherern in 6.060 Fällen die BU-Rentenzahlung ehemals unbefristeter Leistungsanerkenntnisse eingestellt.
- Davon wurden 18,9 Prozent aufgrund einer Nachprüfung Die unternehmensindividuelle Varianz liegt zwischen 39,9 Prozent und 4,3 Prozent.
- Die mit der Anzahl im Jahr 2014 eingestellter unbefristeter Leistungsanerkenntnisse gewichtete vorangegangene durchschnittliche Leistungsdauer bis zur Einstellung der unbefristeten Leistung beträgt 6,5 Jahre. Die unternehmensindividuelle Leistungsdauer variiert dabei zwischen durchschnittlich 3,5 und 9,0 Jahren.
- Die mit der Anzahl im Jahr 2014 eingestellter unbefristeter Leistungsanerkenntnisse gewichtete durchschnittliche Höhe der vorangegangenen geleisteten monatlichen Berufsunfähigkeitsrenten betrug 672 Euro. Die unternehmensindividuelle Höhe lag monatlich zwischen durchschnittlich 468 Euro und 1.117 Euro.
Kein Versicherer schnitt im Unternehmensvergleich in allen untersuchten Teilbereichen im Leistungsverhalten bei der Berufsunfähigkeitsversicherung überdurchschnittlich ab. Es konnte allerdings festgestellt werden, dass einzelne Unternehmen in relevanten Teilbereichen konsistent Ergebnisse über dem ermittelten Durchschnitt der teilnehmenden Unternehmen erzielt haben und sich somit deutlich positiv von ihrem Wettbewerb abheben.
Fazit:
Das durchschnittliche junge Alter bei Meldung eines Leistungsfalles von 45,7 Jahren untermauert die Notwendigkeit der Existenzabsicherung. Die Fülle unbestimmter Begriffe und unverbindlicher Formulierungen im Versicherungsvertrag, den GDV-Musterbedingungen und den unternehmensindividuellen Vertragsbedingungen ermöglichen jedoch die vorliegenden eklatanten Unterschiede im Leistungsverhalten. Die oftmals nicht zur Erhaltung des Lebensstandards ausreichende durchschnittliche Berufsunfähigkeitsrente unbefristeter Leistungen in Höhe von 795 Euro weisen zudem auf eine deutliche Unterversorgung hin.
Im Rahmen einer Querprüfung wurde festgestellt, dass 12 der 15 Teilnehmer bei vergangenen Produktratings führender Agenturen dennoch deren jeweilige Höchstbewertung erhalten haben. Für schutzbedürftige Verbraucher und Versicherungsvermittler besteht daher bei der Identifikation leistungsstarker Berufsunfähigkeitsversicherungen sowohl bei Anbieter- und Tarifauswahl, als auch verbindlicher Leistungsprozesse eine faktische Orientierungslosigkeit.
Damit Versicherte und Vermittler wissen, worauf sie sich mit wem einlassen, gilt es hier seitens der Versicherer im ersten Schritt Transparenz zum aktuellen Leistungsverhalten herbeizuführen. Die 15 Versicherer, die sich bereitwillig an der Studie beteiligt haben, zeigen, dass zumindest ein Teil der Versicherungsbranche dazu bereit ist.
Um die Berufsunfähigkeitsversicherung für Schutzbedürftige attraktiver zu machen, muss mittelfristig das gesamte Produktdesign erheblich geschärft und inhaltlich konkretisiert werden.
Über den Verfasser der Studie
Die PremiumCircle Deutschland GmbH widmet sich laut eigenen Angaben der Transparenz und Qualität von Produkten und deren Vermarktung in der Versicherungswirtschaft und Gesundheitswirtschaft. Als verbraucherorientierte Beratungs- und Informationsgesellschaft ist sie seit 2002 am Markt aktiv.