Ich denke, das Thema wird von beiden Seiten oft falsch betrachtet.
Auf der einen Seite kann man Digitalisierung nicht mit Automatisierung in dem Sinne gleichsetzen, dass einfache Aufgaben ersetzt werden. Gerade das geht ja schon länger und wird auch genutzt.
Digitalisierung bedeutet, dass auch hochkomplexe Aufgaben durch eine KI erledigt werden können, wo man z.B. auch echtes Fachwissen benötigt und Entscheidungen treffen muss.
Ich kenne mich da z.B. mit einem aktuellen Thema aus der Finanzbuchhaltung ganz gut aus:
Nach IFRS 16 kann man Leasinggegenstände auch aktivieren. Dafür müssen die Leasingverträge bestimmte Kriterien erfüllen. Der übliche Weg ist, dass ein Buchhalter sich den Leasingvertrag aus dem Archiv holt, ihn durchliest, sich Notizen macht und ausgiebig prüft, ob dieser eine Vertrag nun aktivierungsfähig ist oder nicht. Mittlerweile geht dies aber auch vollautomatisch: Die Verträge werden mit einer OCR Software gescannt und eine dahintergeschaltete KI durchforscht anhand von etwa 200 Kriterien, wie mit diesem Vertrag zu verfahren ist. Diese 200 Kriterien muss die KI auf dem Vertragspapier aber erstmal erkennen, jeder Vertrag ist schließlich anders gestaltet. Z.B. wenn die Software ein Datum erkennt: Ist es das Startdatum? Ist es das Enddatum? Ist es evtl. nur das Datum der Vertragsunterzeichnung? Genau dieses Erkennen und richtig Einschätzen/Interpretieren ist etwas, das früher nicht zu automatisieren ging, mittlerweile geht es aber.
Wenn man sich dann vor Augen führt, dass große Konzerne eine Anzahl von Leasingverträgen haben, die in die Millionen gehen können, dann kann man sich vorstellen, wieviele Aufgaben nur bei diesem kleinen Thema wegfallen können, für die man üblicherweise Mitarbeiter benötigt, die richtiges Fachwissen haben und sich mit solch komplexen Themen überhaupt auseinandersetzen können.
Auf der anderen Seite ist es aber so, dass vieles das technisch evtl. möglich ist, nicht immer sinnvoll ist oder gar finanziell lohnend ist. Nur weil ich theoretisch eine Aufgabe durch eine Maschine, Roboter, KI, oder was auch immer ersetzen kann heißt das noch lange nicht, dass das auch gemacht wird. Am Beispiel von oben: Das Thema hat ja Projektcharakter, man muss alle Leasingverträge einmal prüfen, dann ist das Thema gegessen. Dafür macht es Sinn eine spezialisierte KI einzusetzen, mit der man dieses eine Thema abarbeiten kann. Einen Mitarbeiter in der Finanzbuchhaltung, der viele verschiedene Themen bearbeitet, auch mal auf Anfragen spontan reagieren muss, kann das natürlich nicht ersetzen.
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