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Entwicklungsländer - Globalisierung stimuliert Wirtschaft

Mit dem Image der Globalisierung steht es nicht zum Besten. Sie schade vor allem den Entwicklungsländern, wenden Kritiker immer wieder ein. Dabei eröffnet der zunehmende Waren- und Kapitalfluss gerade den ärmeren Regionen große Chancen.

Entwicklungsländer - Globalisierung stimuliert Wirtschaft
Köln, 08.09.2004 (iw) - Unter Globalisierungsgegnern gilt es als ausgemachte Sache: Die internationale Vernetzung mittels Handel, Kapitalverkehr, Migration und Wissenstransfer ist eine Einbahnstraße, bei der Profite und Wohlstand nur in die reichen Industriestaaten fließen. Die ärmeren Regionen in Asien, Afrika und Südamerika blieben demnach auf der Strecke. Dass solch ein Pauschalurteil der Globalisierung nicht gerecht wird, zeigt schon ein erster Blick auf die ostasiatischen Entwicklungsländer. Diese haben sich seit den achtziger Jahren verstärkt in den Welthandel eingeklinkt und ernten jetzt die Früchte:

Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) der weniger entwickelten Staaten in Ostasien stieg zwischen 1990 und 2001 mit durchschnittlich 6,2 Prozent pro Jahr wesentlich stärker als die Wirtschaftsleistung der Industrienationen.

Doch auch in anderen Regionen der Welt erweist sich die Globalisierung für die Entwicklungsländer keineswegs als Verlustgeschäft. Das verdeutlicht eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Dazu wurden die Veränderungen der Export- und Importquoten sowie der Zölle und Direktinvestitionen in vielen Entwicklungsländern betrachtet und daraus ein Ranking erstellt. In der oberen Hälfte finden sich Staaten wieder, die im Verlauf der achtziger Jahre stärker an der Globalisierung teilgenommen haben etwa Costa Rica, Mexiko und Paraguay. In der unteren Hälfte sind dagegen Länder wie Niger oder Sierra Leone vertreten, die sich für den Außenhandel nicht so beherzt geöffnet haben. Das Ergebnis der Studie:

Die Globalisierer unter den Entwicklungsländern konnten ihre Wirtschaftsleistung je Einwohner in den neunziger Jahren insgesamt um 75 Prozent steigern – die Staatengruppe, die sich weniger oder gar nicht dem Weltmarkt zugewandt hat, kam demgegenüber nur auf ein Plus von knapp 30 Prozent.

In Costa Rica z.B. kletterte das Pro- Kopf-Bruttoinlandsprodukt zwischen 1990 und 2000 jährlich um fast 3 Prozent. In Sierra Leone dagegen brach es um beinahe 7 Prozent pro Jahr ein. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die schwache Wachstumsbilanz vieler afrikanischer Staaten südlich der Sahara, in denen das Pro-Kopf-BIP während der vergangenen Dekade durchschnittlich um 0,3 Prozent pro Jahr sank. Verantwortlich dafür ist nicht die Globalisierung – sondern im Gegenteil ein Mangel an wirtschaftlicher Integration in den Weltmarkt. Schließlich werden allein 12 der letzten 15 Plätze des Globalisierungsrankings von afrikanischen Sub-Sahara-Staaten belegt. Bei vielen erschwerten zusätzlich ein hohes Bevölkerungswachstum, Misswirtschaft, korrupte Eliten und AIDS die wirtschaftliche Entwicklung.
 

Ergebnisse der IW-Studie
Die Ergebnisse der IW-Studie decken sich mit dem, was eine Vielzahl ähnlicher Untersuchungen sowie die ökonomische Theorie nahe legen: Während sich die Entwicklungsländer durch Abschottung selber bestrafen, eröffnet ein verstärkter Außenhandel allen Teilnehmern Chancen – auch den ärmeren:

Möglichkeit der Spezialisierung
Im Zuge der Globalisierung können sich die Länder auf Güter konzentrieren, bei deren Herstellung sie gegenüber ande- ren Staaten Vorteile haben. Die Industrieländer beispielsweise verfügen über reichlich Kapital und Know-how. Daher gehen dort vor allem Produkte vom Band, die intensive Forschung, gut ausgebildete Mitarbeiter und komplexe Maschinen benötigen. In den Entwicklungsstaaten dagegen mangelt es derzeit noch an Bildung und Investitionen – dafür werden relativ geringe Löhne gezahlt. Dementsprechend lohnt es sich für diese Nationen, insbesondere arbeitsintensive Güter, wie Bekleidung, Spielzeug oder Agrarprodukte, auf dem Weltmarkt anzubieten.

Wenn nun jeder das tut, was er am besten kann, holen alle das meiste aus ihren Möglichkeiten heraus –sprich: die volkswirtschaftlichen Ressourcen werden so effizient wie möglich genutzt. In der Folge steigen laut der ökonomischen Theorie Wohlstand und Wachstum in den beteiligten Staaten. Wie sehr sich die Spezialisierung auf arbeitsintensive Güter als Wirtschafts- Stimulanz erweisen kann, zeigt das Beispiel Bangladeschs. Der Nachbar Indiens erhöhte seine Ausfuhr von Bekleidungsartikeln zwischen 1995 und 2001 jährlich im Schnitt um 17 Prozent. Im Jahr 2001 machten die Modeprodukte bereits knapp 80 Prozent der Exporte aus. Diese Konzentration bescherte dem Dritte-Welt-Staat in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre ein jährliches Pro- Kopf-Wachstum von durchschnittlich rund 3,4 Prozent. Bevor im Land die Nähmaschinen angeworfen wurden, waren solche Raten undenkbar.

Größere Absatzchancen
Den in Entwicklungsländern beheimateten Unternehmen bieten sich vielfach nur sehr eingeschränkte Absatzmöglichkeiten. Zu klein sind die heimischen Märkte, zu arm ist die Bevölkerung. Gelingt den Firmen dagegen der Sprung auf den Weltmarkt, können sie mehr produzieren und dadurch in der Regel ihre Stückkosten reduzieren – was den Menschen in Afrika, Asien oder Südamerika in Form fallender Preise zugute kommt und die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen erhöht.

Zunehmender Wettbewerbsdruck
Mit dem Abbau von Handelshemmnissen wächst auch in den Entwicklungsländern der Wettbewerbsdruck. Ausländische Hersteller sind dann nämlich in der Lage, ihre Exporte einfacher und billiger über die Grenzen zu liefern. Dies spornt die inländischen Unternehmen an, produktiver zu werden und mehr auf die Kundenwünsche zu achten, wodurch sich ihre Absatzmöglichkeiten auf dem Weltmarkt verbessern. Gleichzeitig erwartet die Verbraucher in den Regalen der Geschäfte ein vielfältigeres, qualitativ besseres und meist kostengünstigeres Angebot als zu Zeiten der Abschottung.


Initialzündung durch Devisen
Von den Deviseneinnahmen aus dem Handel mit den großen Wirtschaftsnationen in Europa und Amerika können die Entwicklungsländer anspruchsvolle ausländische Maschinen und Vorleistungen kaufen – und somit die Basis für eine weitere Industrialisierung ausdehnen.

Steigende Direktinvestitionen
Seit die Globalisierung Fahrt aufgenommen hat, engagieren sich immer mehr internationale Kapitalgeber in zuvor vernachlässigten Regionen:

Zwischen 1996 und 2000 flossen durchschnittlich fast 167 Milliarden Dollar Direktinvestitionen per annum in die Entwicklungsländer – in den achtziger Jahren waren es erst 14 Milliarden Dollar.

Für die kapitalschwachen Staaten rund um den Globus sind die ausländischen Investoren eminent wichtig. Bringen sie doch das dringend benötigte Geld mit, um neue Produktionsstätten zu bauen, in denen die Bevölkerung gut bezahlte Arbeit findet. Zudem schwappt im Gefolge von Dollar und Euro noch ein weiterer unverzichtbarer Treibstoff für die Wirtschaft ins Land: Wissen. Denn große multinationale Firmen führen an ihren Standorten in Asien oder Südamerika vielfach auch moderne Herstellungsverfahren ein und schulen das Personal. Zudem zeigen sie ihren Zulieferbetrieben, wie man hohe Qualitätsstandards erfüllt. Ein solcher Lernprozess fruchtet allerdings nur in Ländern, in denen die Menschen bereits einen ausreichenden Bildungsstand haben, um das neue Wissen anzuwenden.

Trotz des eindeutigen Plädoyers für die Globalisierung, das sich sowohl aus den Zahlen als auch aus der Theorie herauslesen lässt, wäre es jedoch verfehlt, die wirtschaftliche Integration in den Weltmarkt als alleinigen Heilsbringer zu loben. Vielmehr muss sie flankiert werden durch Reformen, die ein Land fit machen für den grenzenlosen Handel. So gilt es etwa, hohe Inflationsraten in den Griff zu bekommen, Staatsdefizite abzubauen, die Eigentumsrechte und Rechtssysteme zu stärken sowie die Korruption zu bekämpfen. Zudem löst die Öffnung für den Weltmarkt in den Entwicklungsländern starke Umbrüche aus: So werden vermutlich nicht konkurrenzfähige Sektoren schrumpfen. Gleichzeitig entstehen zwar in anderen Branchen neue Arbeitsplätze – doch das kann eine Weile dauern. Um diesen Strukturwandel besser zu verkraften, mag es sinnvoll sein, Handelshemmnisse in kleinen Schritten abzubauen und die Exportunternehmen etwa durch bessere Straßen, Bürokratieabbau und Marketinghilfen zu unterstützen.