Irland - Das keltische Wirtschaftswunder
Zu Beginn der neunziger Jahre rangierte Irlands Wirtschaft in Europa zusammen mit Portugal und Griechenland ganz unten. Heute ist das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner auf der grünen Insel höher als in Deutschland.
Anti-Armuts-Strategie
Obwohl der Fokus der Wirtschaftspolitik auf der Wettbewerbsfähigkeit lag, hat der keltische Tiger 1997 als erstes euro europäisches Land eine Anti-Armuts-Strategie entwickelt, die eine konkrete Zielvorgabe für die Armutsquote enthielt. Der irische Armutsindikator setzt sich aus zwei Teilen zusammen: Zum einen werden die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen betrachtet, zum anderen werden Mängel im Lebensstandard direkt erfasst. Ein solcher Kombi-Indikator spiegelt am besten die Armut nach Definition der Europäischen Union wider. Demnach gilt als arm, wer über so geringe Mittel verfügt, dass er von der Lebensweise ausgeschlossen ist, die im jeweiligen Mitgliedsstaat als Minimum gerade noch hinnehmbar ist. Es genügt also nicht, allein auf die relative Einkommenssituation zu schauen, wie dies die gebräuchlichen Armutsindikatoren tun, sondern es kommt darauf an, ob ein im Verhältnis gesehen niedriges Einkommen auch einen unzureichenden Lebensstandard zur Folge hat.
Der irische Indikator macht die Erfolge bei der Armutsbekämpfung sichtbar. Im Jahr 1994 galten 15 Prozent der Iren als arm, sieben Jahre später, als sich der Boom abzuschwächen begann, waren es gerade noch 5 Prozent. Das ist vor allem eine Folge des enormen Wohlstandsgewinns. Der Median des so genannten bedarfsgewichteten Einkommens, den die Hälfte der Einkommensbezieher über- bzw. unterschreitet, erhöhte sich in den Boomjahren um 62 Prozent. Damit ist der materielle Lebensstandard in weiten Teilen der Bevölkerung enorm gestiegen. Ein Armutsbegriff, der sich ausschließlich an den Einkommensrelationen orientiert, ist daher mit Vorsicht zu genießen. Denn er zeigt nicht, ob und wie sehr sich die Lebenssituation der Armen tatsächlich verändert.
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