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Griechenland-Krise: Ökonomen zu Grexit, Referendum und Staatspleite

In Griechenland sind die Banken geschlossen und das Land steuert auf ein Referendum zu. Die IWF-Rate wurde nicht bedient und Griechenland steht damit vor dem Ende des Hilfsprogramms und der Staatspleite. Viele Ökonomen sehen den Grexit, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, kommen.

Griechenland-Krise Kommentare

ifo-Präsident Hans-Werner Sinn für geordneten Grexit
ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hat sich für einen geordneten Grexit ausgesprochen. „Der absehbare Konkurs des Landes ist sehr bedauerlich. Griechenland braucht nun sofort eine neue elektronische Währung parallel zum Euro und den Stopp aller Euro-Überweisungen ins Ausland, also Kapitalverkehrskontrollen“, sagte er am Sonntag. „Die neue Währung würde abwerten gegenüber dem Euro, und damit würde das Land wieder wettbewerbsfähig.“

Außerdem sei eine Schuldenkonferenz mit allen Gläubigern erforderlich, um nach dem Euro-Austritt einen Schuldenschnitt zu besprechen. Das werde vor allem die Euro-Staaten, die Europäische Zentralbank (EZB) und den Internationalen Währungsfonds (IWF) treffen.

Die griechische Notenbank dürfe ab sofort keine neuen Euros mehr elektronisch herstellen oder Euro-Banknoten ausgeben, forderte Sinn. Die noch vorhandenen Euro-Banknoten in Griechenland könnten als paralleles Bargeld erhalten bleiben, obwohl alle Löhne, Preise, Mieten und Kredite in Drachme ausgewiesen würden, fügte Sinn hinzu. In einigen Wochen würden die Banknoten der neuen Währung gedruckt sein.

Umfangreiche Untersuchungen des ifo Instituts hätten gezeigt, dass bei einer Finanzkrise eine Abwertung die Wirtschaft wieder anspringen lasse. Die Importe würden teurer, das heißt, die Griechen würden mehr heimische Produkte kaufen. Die Warenexporte würden billiger, auch die so wichtigen Tourismus-Dienstleistungen. Und Fluchtkapital würde wieder zurückkehren ins Land. Es dauere im Normalfall ein bis zwei Jahre, bis die Wirtschaft wieder wachse. Großzügige Hilfen der Europäer für kritische Importe seien erforderlich, zum Beispiel bei Medikamenten.


Prof. Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft

Griechenland: Zeit für einen Plan nach der Staatspleite

Die griechische Regierung und  der Rest der Euro-Gruppe haben sich nicht auf einen Sanierungsplan für das hoch verschuldete Land einigen können. Nun ist die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands absehbar. Es ist höchste Zeit, einen Hoffnung bringenden Plan für die Zeit danach zu entwickeln, so Prof. Dennis Snower, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft.

„Da das Hilfsprogramm für Griechenland nach den Ereignissen am Wochenende nicht verlängert wird und die EZB die Hilfskredite (Ela) nicht ausgeweitet hat, ist nun der Handlungsdruck für alle Seiten enorm. Die Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland sind nur die erste einschneidende Folge der kaum noch abwendbaren Zahlungsunfähigkeit Griechenlands. Ein politisches Entgegenkommen beider Seiten ist derzeit schwer vorstellbar.

Das Schlimme ist, dass vor allem ärmere Menschen unter diesem politischen Scheitern leiden werden. Es muss jetzt darum gehen, einen Hoffnung bringenden Plan für die Zeit nach einer griechischen Staatspleite zu entwickeln. Dieser ist nur außerhalb der Eurozone vorstellbar, weil ein Verbleib Griechenlands falsche Anreize für die Stabilitätspolitik in der Euro-Zone setzen würde. Da die griechische Regierung einen Euro-Austritt bislang ablehnt und ein erzwungener Austritt politisch extrem risikoreich wäre, müssten die Gläubiger den freiwilligen Austritt Griechenlands aus dem Euro „erkaufen“. Sie müssten dafür Griechenland einen Großteil der Schulden erlassen und ein „Programm Neustart“ auflegen, das dem Land Reformen, Investitionen in Bildung und den Aufbau von Know-how in Zukunftstechnologien erlaubt. Mit deutlich verminderter Schuldenlast hätte Griechenland die Chance auf einen Neuanfang: Das Land müsste nicht zum gescheiterten Staat werden, sondern könnte sich außerhalb der Eurozone erneuern. Griechenland könnte in eigener Souveränität Reformen umsetzen, in die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit seiner Wirtschaft investieren und die Korruption bekämpfen, um damit die Basis für langfristiges, nachhaltiges Wachstum zu legen. Eines Tages könnte das Land dann gestärkt, unter neuen Voraussetzungen und ohne geschönte Zahlen in die Eurozone zurückkehren – und Vorbild sein für einen echten Relaunch.

Für die restliche Eurozone müssen die jüngsten Vorgänge ebenfalls Konsequenzen haben: Eine Währungsunion ohne ein Minimum an finanzpolitischer Koordination etwa durch Fiskalpläne kann nicht funktionieren. Und Hilfen, die Länder mit langfristigen strukturellen Defiziten bei der Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit unterstützen, sind in diesem Kontext unabdingbar.“

EZB-Präsident Mario Draghi

Die Notfall-Liquiditätshilfe (ELA - Emergency Liquidity Assistance) für griechische Banken wird auf dem aktuellem Niveau beibehalten.
Die EZB wird zur Gewährleistung der Finanzstabilität eng mit der griechischen Zentralbank zusammenarbeiten.


Der EZB-Rat begrüßte heute die Zusage der Minister der Mitgliedstaaten des Euroraums, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften im Eurogebiet weiter zu erhöhen, sowie ihre Bereitschaft, entscheidende Schritte zur Stärkung der Wirtschafts- und Währungsunion vorzunehmen. Nach dem Beschluss des griechischen Parlaments, ein Referendum abzuhalten, und vor dem Hintergrund der Nichtverlängerung des Anpassungsprogramms der EU für Griechenland erklärte der EZB-Rat, dass er zur Gewährleistung der Finanzstabilität eng mit der Bank of Greece zusammenarbeiten wird.

In Anbetracht der aktuellen Lage hat der EZB-Rat beschlossen, die Obergrenze für die Bereitstellung von Notfall-Liquiditätshilfe (Emergency Liquidity Assistance – ELA) für griechische Banken auf dem am Freitag, dem 26. Juni 2015, festgelegten Niveau beizubehalten.

Der EZB-Rat steht bereit, diesen Beschluss zu überdenken. EZB-Präsident Mario Draghi äußerte sich hierzu wie folgt: „Wir arbeiten weiterhin eng mit der Bank of Greece zusammen und begrüßen nachdrücklich die Zusage der Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Beseitigung von Schwachstellen in Volkswirtschaften des Eurogebiets zu ergreifen.“

„Als Mitglied des Eurosystems wird die Bank of Greece alle Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um in diesem schwierigen Umfeld Finanzstabilität für die Bürgerinnen und Bürger Griechenlands sicherzustellen“, erklärte der Präsident der Bank of Greece, Yannis Stournaras.

Der EZB-Rat beobachtet die Situation an den Finanzmärkten und die möglichen Auswirkungen für den geldpolitischen Kurs sowie für das Gleichgewicht der Risiken für die Preisstabilität im Euroraum genau. Er ist entschlossen, alle ihm innerhalb seines Mandats zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen.


Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes,

Verhandlungen mit Griechenland

„Die Verhandlungen über den Abschluss des zweiten Hilfsprogramms für Griechenland sind an der nicht vorhandenen Reformbereitschaft der griechischen Regierung gescheitert. Allen taktischen Finten und Verzögerungen zum Trotz, nur tiefgreifende Strukturreformen helfen Griechenland, um wirtschaftlich wieder voranzukommen – an dieser Tatsache würde selbst ein weiterer Schuldenschnitt nichts ändern.

Die Gläubiger können aber nur dann finanzielle Mittel freigeben, wenn die Politik in Griechenland auch zu den notwendigen Änderungen bereit ist. Ein Zahlungsausfall Griechenlands könnte die Finanzmärkte zwar kurzfristig belasten, die zu Beginn der Staatsschuldenkrise möglichen Ansteckungseffekte auf andere Euro-Staaten sind heute aber nicht mehr zu befürchten. Und auch die Rettungspolitik der Euro-Staaten ist nicht per se gescheitert, wie die positiven Beispiele Irland, Spanien, Portugal und Zypern belegen.“


Staatssekretär Dr. Thomas Steffen (BMF)

Entwicklung in Griechenland für deutsches Finanzsystem kaum bedeutsame Ansteckungsgefahr

"Aufgabe des Ausschusses für Finanzstabilität ist es, die Risikoentwicklung im deutschen Finanzsystem zu beobachten. Die Risiken aus der jüngsten Entwicklung in Griechenland sind bedeutend für Griechenland; für das deutsche Finanzsystem bestehen jedoch kaum mehr bedeutsame Ansteckungskanäle. Daher schätzen wir die Risiken als gering ein."

"Der Ausschuss muss zudem mittel- und längerfristige Risiken im Blick haben, wie sie aus dem Niedrigzinsumfeld entstehen können und handeln, wenn es notwendig ist. Deshalb haben wir heute beschlossen, den Werkzeugkasten für die Aufsicht zu ergänzen."

Stellungnahme von ZEW-Präsident Fuest

Referendum über das Kredit- und Reformprogramm in Griechenland

Wenn Fristverlängerung für ein Referendum, dann nur mit Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland ab Montag; diese Ansicht vertritt Prof. Dr. Clemens Fuest in einer Erklärung zur Absicht des griechischen Ministerpräsidenten Tsipras, am 5. Juli 2015 ein Referendum über das Kredit- und Reformprogramm in Griechenland durchzuführen.

"Die Ankündigung eines Referendums am 5. Juli 2015, in dem über Annahme oder Ablehnung des Kredit- und Reformprogramms für Griechenland entschieden werden soll, wird den Run auf die Banken in Griechenland dramatisch verschärfen. Ohne Kapitalverkehrskontrollen  wird die EZB am Montag vor der Wahl stehen, einen Zusammenbruch der griechischen Banken hinzunehmen oder die ELA-Kredite an die Banken weiter auszudehnen. Eine Ausdehnung der ELA-Kredite würde die Kosten eines Grexit für die Steuerzahler in Europa weiter in die Höhe schrauben. Während die griechischen Bankkunden ihr Geld abheben oder ins Ausland überweisen, ersetzt die EZB die Abflüsse mit ELA-Krediten.

Die Ausdehnung der ELA-Kredite macht es für die Griechen außerdem attraktiver, für einen Grexit zu stimmen. Denn bei einem Verbleib im Euro müssen sie die ELA-Kredite in Euro zurückzahlen. Bei einem Austritt können sie sich darauf berufen, dass sie allenfalls einen kleineren Betrag in Drachme zahlen können, die griechischen Bankkunden behalten aber die jetzt abgehobenen und ins Ausland verschickten Euro. Nur mit Kapitalverkehrskontrollen ab Montag kann Griechenland bis zum 5. Juli Zeit gewährt werden, ein Referendum über das Rettungsprogramm abzuhalten.

Wenn die griechische Bevölkerung sich im Falle eines Referendums gegen die Reformauflagen ausspricht, bedeutet das mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Grexit. Ein Verbleib in der Eurozone wäre nur möglich, wenn die Gläubiger einem Schuldenerlass für Griechenland zustimmen und die griechischen Banken ohne Hilfen von außen saniert werden, vor allem durch einen Verzicht der Bankkunden auf einen Teil ihrer Einlagen. Das ist aber praktisch nicht umsetzbar."


DIHK-Präsident Eric Schweitzer zur Lage in Griechenland

"Die Tür nach Europa ist nicht verriegelt"

Die Eskalation der Griechenland-Krise hat Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), mit großem Bedauern kommentiert.
DIHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer, Foto: Thomas Kierok

Schweitzer: "Leider hat die griechische Regierung die Tür zu einer Lösung krachend zugeschlagen. Gut ist, dass die Euro-Länder zugleich Griechenland weiter eine europäische Perspektive offen halten: Die Tür ist nicht verriegelt, der Vorschlag der Euro-Gruppe liegt weiter auf dem Tisch.

Für die Menschen und Unternehmen in Griechenland beginnt eine noch schwierigere Phase. Gerade auch die Unternehmen werden unter den Einschränkungen des Kapitalverkehrs leiden, ein normales wirtschaftliches Leben ist kaum möglich in dieser Phase der absoluten Unsicherheit.

Im Moment helfen wir aus Deutschland heraus am ehesten, wenn wir versuchen, die Geschäftsbeziehungen zu griechischen Partnern aufrecht zu erhalten und auch weiterhin als Touristen nach Griechenland reisen.

Eine neue Perspektive für das Land setzt jedoch voraus, dass die politische Elite Griechenlands bald die zugeschlagene Tür in Richtung Europa wieder.