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CESifo-Report zur European Economy 2006

Die hohen Leistungsbilanzdefizite der Vereinigten Staaten haben zu großen globalen Ungleichgewichten geführt. Eine Korrektur der Ungleichgewichte könnte zu einem anhaltenden Rückgang europäischer Exporte führen.

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Konjunkturprognose und Wirtschaftspolitik
Der konjunkturelle Aufschwung in Europa dürfte sich mit einer Wachstumsrate von 2,0 Prozent fortsetzen und damit hinter der Entwicklung der meisten Länder der Welt zurückbleiben. Die Inflation im Euroraum wird in diesem Jahr voraussichtlich bei 1,9 Prozent liegen. Die Arbeitsmarktsituation wird sich nur marginal verbessern.

Die Wirtschaftspolitik im Euroraum steuert auf einen unerwünschten Mix aus Geld- und Finanzpolitik zu. Die EZB wird wahrscheinlich eine eher restriktive Geldpolitik verfolgen, während die Finanzpolitik mehr oder weniger unverändert bleibt. Diese Konstellation hat negative Implikationen für das Wirtschaftswachstum. Aus Gründen der Nachhaltigkeit sollten die strukturellen Budgetdefizite im Euroraum abgebaut werden. Dies würde eine weniger restriktive Geldpolitik ermöglichen.

Ausschlaggebend für einen besseren Policy-Mix ist die Wiederherstellung der Anreize zur Haushaltsdisziplin, die durch die im Jahre 2005 erfolgte Reform des Stabilitätspaktes verwässert wurden. Dies könnte dadurch erzielt werden, dass die EZB ihre geldpolitischen Rahmenbedingungen dahingehend ändert, dass sie das Inflationsziel erhöht, unter der Voraussetzung dass die finanzpolitischen Institutionen gestärkt werden. Außerdem könnte eine kleine Gruppe finanzpolitisch verantwortungsbewusster Länder die Führung übernehmen, indem sie ihre Finanzpolitik stärker koordinieren.
 

Weltwirtschaftliche Ungleichgewichte
Die außerordentlich hohen Leistungsbilanzdefizite der Vereinigten Staaten haben zu großen globalen Ungleichgewichten geführt. Dem Defizit der USA stehen Leistungsbilanzüberschüsse in Asien, der Öl exportierenden Länder und einiger europäischer Staaten gegenüber. Die Korrektur dieser weltweiten Ungleichgewichte wird eine erhebliche Abwertung der amerikanischen Währung erfordern, wobei das Ausmaß der Anpassung nicht genau abgeschätzt werden kann. Eine Korrektur der globalen Ungleichgewichte könnte zu einem anhaltenden Rückgang der Auslandsnachfrage nach europäischen Erzeugnissen sowie zu einem erhöhten Wettbewerb amerikanischer Firmen führen. Eine starke Abwertung des Dollars könnte durch die Wertminderung europäischer Dollaranleihen beträchtliche negative Vermögenseffekte verursachen.

Sollte eine starke Abwertung des Dollars mit einer Senkung der amerikanischen und weltweiten Produktion einhergehen, dann steigt das Risiko einer Finanzkrise. Unter den jetzigen Rahmenbedingungen der Geld- und Finanzpolitik wäre es schwierig, eine derartige Krise zu bewältigen, da die beträchtlichen staatlichen Budgetdefizite einiger großer EU-Länder keinen genügenden Handlungsspielraum für Reaktionen zulassen.

Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union
Das Wachstum in den einzelnen EU-15 Ländern hat sich sehr unterschiedlich gestaltet. Während das Wirtschaftswachstum in Frankreich, Deutschland und Italien in den vergangenen Jahren schwach war, haben andere Länder bessere Ergebnisse erzielt. Erfolgreiche Länder wie Finnland, Irland, Schweden und Großbritannien haben stark auf neue Technologien, insbesondere im IT-Bereich, gesetzt, während Griechenland und Spanien sich auf traditionelle Kapitalakkumulation und erhöhten Arbeitseinsatz gestützt haben. Die Lissabon-Strategie, die sich auf die Rolle der Wissensgesellschaften konzentriert, sollte einen flexibleren Ansatz wählen. Technologisch führende Länder sollten weiterhin auf wissensbasiertes Wachstum abstellen. Andere Länder sollten sich in erster Linie auf die Akkumulation des traditionellen Faktors Kapital und auf die Erhöhung des Arbeitseinsatzes konzentrieren und die Hochtechnologielücke durch Technologietransfers schließen.

Zu den Schlüsselbereichen der Wachstumspolitik zählen Verbesserungen der Bildungs- und Ausbildungssysteme und des IT-Einsatzes, begleitet von Maßnahmen, die den Wettbewerb zwischen Unternehmen fördern. Darüber hinaus sind die Innovationsförderung und die Verbesserung unternehmerischer Aktivitäten in der EU für das Wirtschaftswachstum unabdingbar.
 

Perspektiven für die Bildungspolitik in Europa
Die Bildungssysteme vieler Länder stehen unter Druck. Auf der einen Seite steigen die Bildungskosten rasant an, weil Schülerzahlen und Ausbildungszeiten tendenziell nach oben weisen, gleichzeitig die Kosten pro Schüler so schnell wachsen wie das Pro-Kopf-Sozialprodukt. Auf der anderen Seite scheinen Bildungsstandard und Leistungen zurückzugehen.

Erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern bestehen in der Lesekompetenz sowie den Leistungen im mathematischen und naturwissenschaftlichen Bereich. Diese können weder durch demographische noch durch ökonomische Unterschiede zwischen den Ländern erklärt werden. Der reine Mitteleinsatz für Grundschulen und höhere Schulen scheint keine große Rolle zu spielen, während die Struktur der Schulsysteme äußerst wichtig zu sein scheint.

Die bloße Aufstockung der Mittel oder einfache Ziele wie eine Verringerung der Klassengrößen sind keine effizienten Wege zur Verbesserung der Schulsysteme. Stattdessen sollten sich die Maßnahmen auf die bessere Organisation der Schulen konzentrieren.

Größere Wahlmöglichkeiten der Eltern und Förderung des Wettbewerbs zwischen Schülern, um von guten Schulen aufgenommen zu werden, sowie des Wettbewerbs zwischen Schulen, um gute Schüler anzuziehen, sind bessere Reformstrategien. Bei richtiger Konzeption führen derartige Reformen auch nicht zu ungerechten oder unegalitären Praktiken.


Unternehmensfusionen und Wettbewerbspolitik in Europa
Die Fusionstätigkeit in Europa beschleunigt sich. Die Herausforderung für die Politik besteht darin, eine Zunahme der Unternehmensgröße aufgrund Kosten senkender Umstrukturierungen im Zuge der Globalisierung einerseits und hinreichendem Wettbewerb andererseits zu gewährleisten. Dies erfordert die Beseitigung von Hindernissen gegenüber feindlichen und grenzüberschreitenden Fusionen. Gleichzeitig sollten keine europäischen Champions begünstigt werden, die dann letztendlich gegen Konkurs geschützt werden. Wettbewerbspolitik sollte aber auch nicht eine geringe Konzentration in Sektoren mit natürlichen Monopolen, in denen nur eine geringe Anzahl an Unternehmen überleben kann, durchsetzen.

Die Reform der Kontrollmaßnahmen für Unternehmenszusammenschlüsse in der EU im Jahr 2004 war ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch sind zusätzliche Kontrollen und Machtgleichgewichte sowie weniger Einflussnahme nationaler Regierungen und großer Unternehmen wünschenswert. Dies könnte durch ein administratives Gremium sichergestellt werden, das unabhängig von Gerichten und Ermittlern eine öffentliche Empfehlung an die Kommission abgibt oder sogar endgültige Entscheidungen trifft. Falls dies nicht möglich ist, sollte eine Debatte über die Notwendigkeit einer unabhängigen europäischen Wettbewerbsbehörde, ähnlich der amerikanischen Federal Trade Commission, eröffnet werden.

Zur European Economic Advisory Group (EEAG) at CESifo:
Die EEAG besteht aus einem Team von acht Volkswirten aus sieben europäischen Ländern. Den derzeitigen Vorsitz hat Seppo Honkapohja (Universität Helsinki und Cambridge). Die Mitglieder sind Lars Calmfors (Universität Stockholm, stellvertretender Vorsitzender), Giancarlo Corsetti (European University Institute, Florenz), John Kay (St. John`s College, Oxford), Gilles Saint-Paul (Universität Toulouse), Jan-Egbert Sturm (ETH, Zürich), Xavier Vives (IESE Business School, Barcelona) und Hans-Werner Sinn (ifo Institut und Universität München).

Weitere Informationen
http://www.cesifo-group.de/eeag