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McKinsey sieht Perspektive für Standort Deutschland

Die Chancen der globalen Fertigung bleiben oft ungenutzt. Das Wachstum im Ausland ist jedoch der Schlüssel zur Sicherung der Produktionsstandorte im Inland.

McKinsey sieht Perspektive für Standort Deutschland
Frankfurt, 16.02.2005 (ots) - Die zunehmende Internationalisierung der deutschen Wirtschaft eröffnet Chancen für mehr Beschäftigung im Heimatland. Wie aus einer am Mittwoch gemeinsam von der Unternehmensberatung McKinsey & Company und der Technischen Universität Darmstadt veröffentlichten Studie hervorgeht, ist Expansion in ausländische Wachstumsmärkte, vor allem in den Ländern Asiens, Osteuropas und Nordamerika, der Schlüssel zur Sicherung von Produktion auch im Inland. Parallelstudien von McKinsey belegen, dass große mittelständische Unternehmen mit einer erfolgreichen Internationalisierungsstrategie auch neue Arbeitsplätze im Inland aufbauen.

»Kein Unternehmen, das neue Jobs schaffen will, kann sich der Tatsache verschließen, dass Wachstum auf den Märkten Westeuropas in absehbarer Zukunft nur begrenzt möglich ist und sich dafür in Osteuropa, Indien oder China neue Chancen eröffnen. Erfolgreiche Unternehmen sind auf allen relevanten Märkten präsent, nicht nur mit Vertriebsorganisationen, sondern auch mit Fertigungsstätten«, sagte McKinsey-Director Raimund Diederichs bei der Präsentation der Studie in Frankfurt. Dies bedeute zwar voraussichtlich den weiteren Abbau einfacher, arbeitsintensiver Tätigkeiten im Inland. Gleichzeitig aber würde dies die Entwicklung und Produktion spezialisierter, höherwertiger Güter vorantreiben. Besonders profitieren können dabei die Bereiche Forschung und Entwicklung. »Innovationen führen zu einer Stärkung des Standorts Deutschland«, so Diederichs. »Erfolgsbeispiele zeigen, dass innovative Unternehmen Weltklasseprodukte auch in Deutschland wettbewerbsfähig fertigen können.«

Grundlage der Studie ist eine ausführliche Untersuchung der optimalen Standortwahl von Unternehmen, die durch Kunden- und Lieferantenbeziehungen miteinander verbunden sind. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden Vorstände und Topmanager von mehr als 50 internationalen Unternehmen in persönlichen Interviews befragt. Die Automobilzuliefer-, Elektronik- und Maschinenbauindustrien standen im Mittelpunkt des gemeinsamen Projekts von McKinsey und der TU Darmstadt.

Internationalisierung und Innovation führen zum Erfolg
Die Studie weist auf erfolgreiche Beispiele von Spezialisierung des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland hin, besonders auf hochwertige Investitions- und langlebige Gebrauchsgüter wie Werkzeugmaschinen, Fahrzeuge und Luxusartikel. Allein die Exporte dieser Produkte nach China haben sich in den vergangenen sechs Jahren mehr als verdreifacht. Gleichzeitig stieg im selben Zeitraum die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Fahrzeugbauindustrie um rund zehn Prozent. Anders als die USA exportiert Deutschland mehr Güter in Niedriglohnländer, als von dort importiert werden. Deutsche Unternehmen führen vielfach industrielle Vorprodukte ein und stärken so die Wettbewerbsfähigkeit eigener Exporte.

Gerade die im deutschen Maschinen- und Fahrzeugbau seit Jahrzehnten gewachsene, enge Verzahnung von Prozess-, Produktentwicklung und Fertigung ist nach Angaben der Studie einer der zentralen Standortvorteile Deutschlands. Dagegen büßen andere Stärken wie der attraktive Heimatmarkt oder die Qualität der Beschäftigten nach Ansicht der Mehrzahl der befragten Unternehmen in Europa an Bedeutung ein. Hingegen bleibe der Lohnkostenunterschied zu den Niedriglohnländern langfristig bestehen. Diese Schere werde sich trotz des überdurchschnittlich starken Wachstums vor allem in Osteuropa und China nicht so schnell schließen, wie oft erwartet werde.

»Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben: In manchen Industrien ist eine Produktion in Deutschland schon jetzt nicht mehr wettbewerbsfähig und wird es auch nicht mehr werden«, sagte Diederichs. »Je größer der Lohnkostenunterschied und je kleiner unser Produktivitätsvorteil ist, umso schneller wandern die Fertigungsstätten ab.« Wie niedrig die Lohnkosten in Deutschland sein müssten, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, zeigt die Studie am Beispiel der Produktion technologisch wenig anspruchsvoller Automobilkomponenten. Dabei müssten Löhne und Gehälter auf etwa ein Drittel des heutigen Niveaus gesenkt werden. »Das ist keine Alternative«, sagte Diederichs.


Unternehmen nutzen globale Produktion nicht optimal
»Ein optimiertes globales Produktionsnetzwerk mit einer individuell zugeschnittenen Standort- und Einkaufsstruktur verschafft Industrieunternehmen einen entscheidenden strategischen Vorteil«, sagte Professor Eberhard Abele vom Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen an der TU Darmstadt. Dies gelinge bisher aber nur wenigen.

Die Untersuchung bemängelt, dass viele etablierte Unternehmen die Möglichkeiten globaler Produktionsnetzwerke nicht energisch genug nutzten. Wachstumspotenziale blieben dadurch unausgeschöpft.

»Geht man von den Produktionskosten in Hochlohnländern aus, können durch die Nutzung der weltweiten spezifischen Standortvorteile über die gesamte Wertschöpfungskette - also bei Betrachtung aller Teilelieferanten und Dienstleister - mittel- bis langfristig bis zu 40 Prozent der Fertigungskosten bei typischen industriellen Produkten gespart werden. Kurzfristig werden Kostenvorteile allerdings zumeist durch Investitionen und Einmalkosten kompensiert«, so Abele.

Globale Produktion erfolgreich aufzubauen sei eine anspruchsvolle Aufgabe und Unternehmen fehle oft Erfahrung, Expertise und Managementkapazität. Entsprechend habe die Mehrheit der befragten Unternehmen bei Produktionsverlagerungen in den vergangenen drei Jahren nur zehn Prozent oder weniger gespart.

Oftmals mangele es an der Analyse der Wettbewerbs- und Kostensituation am neuen Standort und viele Unternehmen unterschätzten die Kosten für deutsches Management vor Ort. Außerdem würden vielfach Zulieferer und Abnehmer nicht in die Überlegungen miteinbezogen. Die Folge seien gleich bleibende Material- und steigende Logistikkosten. Vor allem etablierte Unternehmen bewegten sich oft erst sehr spät und setzten Änderungen zu langsam um. Es reiche nicht aus, einfach nur die Maschinen in ein anderes Land zu verlagern. Um globale Produktion effektiv zu nutzen, müssten die Unternehmen auch ihre Fertigungsprozesse und die Produktkonstruktion überdenken und anpassen.