Frühjahrsgutachten 2016 der Wirtschaftsforschungsinstitute – Aufschwung moderat
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem moderaten Aufschwung. Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr daher voraussichtlich um 1,6 Prozent steigen. Getragen wird der Aufschwung dabei vom privaten Konsum. Impulse kommen derzeit außerdem von den staatlichen Ausgaben, die durch die Versorgung und die Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen entstehen. Vom Außenhandel werden keine positiven konjunkturellen Antriebe erwartet. Insgesamt verringert sich das Expansionstempo im Jahresverlauf, wie aus dem Frühjahrsgutachten 2016 der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute hervorgeht.
Frühjahrsgutachten Wirtschaftsinstitute 2016 - Entwicklung der Weltwirtschaft
Weltwirtschaft ist abgekühlt
Anfang des Jahres 2016 wurde deutlich, dass sich die Weltwirtschaft in den Monaten zuvor merklich abgekühlt hatte. Die schlechten Nachrichten führten auf den Aktienmärkten im Januar und im Februar weltweit zu erheblichen Bewertungsverlusten sowie zu einem deutlichen Anstieg der Risikowahrnehmung. Eine wichtige Ursache ist der rasche Strukturwandel in China. Seit einigen Jahren entwickelt sich die chinesische Wirtschaft weg von einem primär von industriellen Investitionen und Exporten getriebenen und hin zu einem mehr konsum‐ und dienstleistungsbasierten Wachstum. Dieser Schrumpfungsprozess birgt erhebliche Konjunkturrisiken und geht mit einer abnehmenden Bedeutung des Außenhandels für China sowie einer schwächeren Nachfrage nach Rohstoffen einher.
Ölpreise weiter im Fall
Dies und eine weiterhin kräftige Ausweitung des Ölangebots führten dazu, dass die Ölpreise im vergangenen Winter deutlich nachgaben. Der Rohstoffpreisrückgang reflektiert zum Teil eine weltweite Nachfrageschwäche. Zugleich stützt er die Konjunktur in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften, indem er die Realeinkommen erhöht und die Produktionskosten senkt. Der Gesamteffekt auf die globale Güternachfrage dürfte trotz der Einkommensverluste in den großen rohstoffexportierenden Schwellenländern positiv sein, da dort vor dem Einbruch der Preise ein erheblicher Teil der Einkommen nicht für Konsum‐ oder Investitionsgüter ausgegeben, sondern gespart wurde. Die Eintrübung der konjunkturellen Aussichten und der Ölpreisfall haben zu einer weiteren Verlangsamung der weltweiten Preisdynamik geführt. Dies hat zu zusätzlichen unkonventionellen Maßnahmen seitens der Geldpolitik im Euroraum und Japan geführt, die die Konjunktur weiter stimulieren dürften. In Großbritannien und in den USA sind die Zentralbanken bei der angekündigten Trendwende ihrer Politik vorsichtiger geworden. Während die Bank von England ihren Leitzins im Prognosezeitraum wohl unverändert lassen wird, dürften in den USA in diesem Jahr zwei weitere Leitzinsanhebungen erfolgen, obwohl die Kerninflationsrate in den USA im Winter spürbar gestiegen ist. Die chinesische Zentralbank hat Ende Februar den Mindestreservesatz für Geschäftsbanken deutlich gesenkt.
Finanzpolitik expansiv ausgerichtet
Da die öffentlichen Schuldenquoten in fast allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften hoch sind und die Politik vielfach durch Budgetregeln beschränkt ist, dürfte die Unterstützung der Konjunktur durch die Finanzpolitik gering ausfallen. So ist die finanzpolitische Ausrichtung in den USA in etwa neutral und im Euroraum nur leicht expansiv. In Großbritannien und Japan bleibt die Finanzpolitik restriktiv ausgerichtet. Den weltweit größten finanzpolitischen Impuls setzt derzeit die chinesische Regierung. Viele rohstoffexportierende Schwellenländer sind hingegen aufgrund des Rohstoffpreisverfalls und der damit einhergehenden Einnahmeausfälle des Staates zu harten Konsolidierungsmaßnahmen gezwungen.
Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass sich die internationale Konjunktur im ersten Halbjahr 2016 nicht weiter abschwächt. Insbesondere in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften dürfte sich die Dynamik bereits etwas belebt haben. Allerdings werden die Produktionszuwächse insgesamt wohl mäßig bleiben. So verringert sich in den USA der Expansionsgrad der Geldpolitik langsam und der starke Dollar bremst die Auslandsnachfrage. Im Euroraum fällt der Impuls der starken Abwertung des Euro im vergangenen Jahr weg. Die chinesische Wirtschaft wird weiter mit dem Strukturwandel sowie mit der hohen Verschuldung vieler staatlicher Industrieunternehmen zu kämpfen haben. In Japan dürfte die Produktion wieder ausgeweitet werden, da der Rückgang zum Jahresende vor allem auf temporäre Faktoren zurückzuführen ist. Jedoch ist deutlich geworden, dass die mit hohen Erwartungen gestartete Wirtschaftspolitik (Abenomics) keinen selbsttragenden Aufschwung anstoßen konnte.
Alles in allem expandiert die Weltproduktion nach vorliegender Prognose in diesem Jahr in etwa mit dem mäßigen Tempo des Vorjahrs. Für 2016 ergibt sich ein Zuwachs von 2,4 Prozent und für 2017 von 2,8 Prozent. Auch der Welthandel wird im Prognosezeitraum nur schwach ausgeweitet. Die Institute erwarten in diesem Jahr eine Zunahme um 2,9 Prozent und im kommenden Jahr um 3,4 Prozent.
Auswirkungen über eventuellen EU-Austritt von Großbritannien unklar
Die Finanzmärkte beruhigten sich seit Mitte Februar zwar wieder, die der Unruhe zugrundeliegenden Risiken haben sich aber nicht aufgelöst. Zum einen besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass der Strukturwandel in China stärker als bisher die Konjunktur des ganzen Landes in Mitleidenschaft zieht. Zum anderen könnte die in den USA bereits deutlich gestiegene Inflation schneller als in dieser Prognose erwartet anziehen und die Notenbank zu raschen Zinserhöhungen zwingen. Finanzmarktturbulenzen, insbesondere in den Schwellenländern, könnten die Folge sein. Schließlich bestehen für die europäische Wirtschaft erhebliche politische Risiken.
Seit einigen Jahren haben Kräfte an Einfluss gewonnen, die für eine Rückabwicklung der in der Europäischen Union erreichten politischen und wirtschaftlichen Integration eintreten. So besteht die Möglichkeit, dass sich Großbritannien im Juni für einen Austritt aus der Europäischen Union entscheidet. Es ist allerdings schwer abzuschätzen, welche Folgen dies für die Handels‐ und Finanzflüsse innerhalb der EU hat.