Frühjahrsgutachten 2016 der Wirtschaftsforschungsinstitute – Aufschwung moderat
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem moderaten Aufschwung. Das Bruttoinlandsprodukt wird in diesem Jahr daher voraussichtlich um 1,6 Prozent steigen. Getragen wird der Aufschwung dabei vom privaten Konsum. Impulse kommen derzeit außerdem von den staatlichen Ausgaben, die durch die Versorgung und die Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen entstehen. Vom Außenhandel werden keine positiven konjunkturellen Antriebe erwartet. Insgesamt verringert sich das Expansionstempo im Jahresverlauf, wie aus dem Frühjahrsgutachten 2016 der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute hervorgeht.
Frühjahrsgutachten Wirtschaftsinstitute 2016 Entwicklung in Deutschland
Deutsche Wirtschaft erlebt moderaten Aufschwung
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem moderaten Aufschwung. Vor dem Hintergrund des anhaltenden Beschäftigungsaufbaus, der spürbaren Lohnsteigerungen und der Kaufkraftgewinne infolge der gesunkenen Energiepreise wird der Aufschwung vom privaten Konsum getragen. Impulse kommen derzeit außerdem von den Ausgaben, die durch die Versorgung und die Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen entstehen. Die Binnennachfrage wird darüber hinaus durch die niedrigen Zinsen angeregt. Kaum stimulierende Effekte gehen dagegen vonseiten der Weltkonjunktur aus.
Nachdem der gesamtwirtschaftliche Produktionsanstieg in der zweiten Jahreshälfte 2015 an Schwung verloren hatte, dürfte er sich zum Jahresbeginn deutlich beschleunigt haben. Darauf deuten, insbesondere der Anstieg der Produktion im Produzierenden Gewerbe und die Zunahme der Zahl der Erwerbstätigen im Januar und Februar hin. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich das Expansionstempo dann allerdings wieder etwas verringern. Dies lässt unter anderem das ifo Geschäftsklima erwarten, das sich im ersten Quartal etwas eingetrübt hat, wenngleich es im historischen Vergleich nach wie vor günstig ist.
Zahl der Erwerbstätigen steigt
Die gute Entwicklung des Arbeitsmarkts dürfte sich im weiteren Verlauf des Prognosezeitraums fortsetzen. Die Zahl der Erwerbstätigen wird im Durchschnitt dieses Jahres um 500 000 Personen und im kommenden Jahr um knapp 390 000 Personen steigen. Wie in den vergangenen Jahren gleicht die Migration den demografisch bedingten Rückgang der Erwerbspersonen mehr als aus; zunehmend macht sich darüber hinaus im Prognosezeitraum bemerkbar, dass nach Deutschland geflüchtete Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
Daher wird die Arbeitslosigkeit trotz des Beschäftigungsaufbaus im Verlauf des Prognosezeitraums leicht steigen. Die Arbeitslosenquote bleibt mit 6,2 Prozent im Durchschnitt dieses Jahres und 6,4 Prozent im kommenden Jahr aber nahezu unverändert.
Renten und Löhne steigen
Die privaten Haushalte verzeichnen aufgrund spürbarer Einkommenssteigerungen bei gleichzeitig schwacher Preisdynamik starke Kaufkraftzuwächse. So nehmen die Löhne merklich zu und die Transfereinkommen ziehen an; hier schlagen in erster Linie kräftige Rentenerhöhungen zu Buche. All dies lässt den privaten Verbrauch deutlich expandieren. Zugleich legt auch die öffentliche Konsumnachfrage zu. Hier macht sich die Flüchtlingsmigration bemerkbar, die zunächst zu steigenden Sachaufwendungen für die Versorgung der Flüchtlinge, im Weiteren Verlauf dann aber zu steigenden monetären Sozialleistungen führt.
Investitionstätigkeit nimmt verhalten zu
Die Investitionstätigkeit nimmt im Prognosezeitraum insgesamt gesehen verhalten zu. Die Entwicklung ist allerdings zweigeteilt: Die Wohnungsbauinvestitionen dürften aufgrund des Niedrigzinsumfelds, der guten Arbeitsmarkt‐ und Einkommensentwicklung, aber auch wegen der in Folge der Zuwanderung deutlich gestiegenen Nachfrage nach Wohnraum weiterhin ausgeweitet werden. Dagegen dürften sowohl der gewerbliche Bau als auch die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen trotz der niedrigen Zinsen und der günstigen Gewinnsituation der Unternehmen zunächst nur wenig zunehmen, auch weil sich die Unternehmenserwartungen deutlich eingetrübt haben.
Die Skepsis der Unternehmen war wohl vor allem den Nachrichten über die weltwirtschaftliche Abkühlung geschuldet, die sich zu Jahresbeginn häuften. Inzwischen mehren sich allerdings die Anzeichen, dass sich die globale Konjunktur im ersten Halbjahr 2016 nicht mehr weiter abschwächt. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte sich die Weltwirtschaft wieder etwas beleben, wenn auch nur in mäßigem Tempo. Dementsprechend dürften auch die deutschen Exporte nach einer nur geringen Belebung im Frühjahr ab der zweiten Jahreshälfte wieder etwas stärker zulegen. Allerdings steigen die Importe so deutlich, dass der Außenhandel den Produktionsanstieg in diesem Jahr per saldo kräftig dämpfen wird. Im kommenden Jahr dürfte er hingegen einen leicht positiven Beitrag leisten.
Alles in allem dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 1,6 Prozent und im kommenden Jahr um 1,5 Prozent und damit mit Raten zulegen, die leicht über dem Wachstum des Produktionspotenzials liegen. Die Produktionslücke dürfte sich in diesem Jahr daher weiter verringern und im kommenden Jahr nahezu geschlossen sein. Das 68‐Prozent‐Prognoseintervall reicht für dieses Jahr von 0,9 Prozent bis 2,3 Prozent und für das kommende Jahr von ‐0,5 Prozent bis 3,5 Prozent.
Energiepreise stark gesunken
Wegen der deutlich zurückgegangenen Energiepreise ist der Inflationsdruck gering. Im laufenden Jahr dürften die Verbraucherpreise um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen. Die Teuerung ohne Energiepreise (Kernrate) liegt bei 1,2 Prozent. Angesichts der kräftigen inländischen Nachfrage und des beschleunigten Anstiegs der Lohnstückkosten dürfte sie im kommenden Jahr auf 1,5 Prozent zunehmen. Da annahmegemäß vom Ölpreis keine dämpfenden Effekte mehr ausgehen, wird die Inflationsrate ebenfalls 1,5 Prozent betragen.
Für die öffentlichen Haushalte zeichnet sich ein Rückgang des Budgetüberschusses ab. Die Ausgaben im Zusammenhang mit der Flüchtlingsmigration steigen und die Finanzpolitik ist leicht expansiv ausgerichtet. Aufgrund der merklich steigenden Einnahmen aus der Einkommensteuer, den Steuern vom Umsatz und den Sozialbeiträgen sowie sinkenden Zinsausgaben wird wohl dennoch ein Budgetüberschuss von 11 Milliarden Euro in diesem und 10 Milliarden Euro im kommenden Jahr erzielt werden.
Öffentlicher Gesamthaushalt mit Überschüssen
Auch in struktureller also um konjunkturelle Einflüsse bereinigter Betrachtung schließt der öffentliche Gesamthaushalt mit Überschüssen ab, die budgetäre Handlungsspielräume eröffnen. Allerdings profitiert der Staat dabei von temporär wirkenden Faktoren: dem deutlichen Rückgang der Zinsausgaben aufgrund des Niedrigzinsumfeldes und einer vorübergehend günstigeren demografischen Entwicklung (demografisches Zwischenhoch). Vor diesem Hintergrund sollten diese Überschüsse nur für temporäre Mehrausgaben verwendet werden oder für Maßnahmen, die das Produktionspotenzial dauerhaft erhöhen. In vergangenen Gemeinschaftsdiagnosen hatten die Institute wiederholt dargelegt, wie eine solche wachstumsfreundliche Politik ausgestaltet sein könnte. Neben der Senkung der Steuer‐ und Abgabenbelastung der Arbeitnehmer können investive Ausgaben für Sach‐ und insbesondere Humankapital das Produktionspotenzial steigern. Letzteres ist insbesondere auch wichtig, um die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Allerdings setzte die Wirtschaftspolitik ihre Prioritäten bislang eher bei konsumtiven und verteilungspolitischen Ausgaben als bei wachstumsorientierten Maßnahmen. Eine Fortführung der wenig wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre wäre nicht nachhaltig.
Download
- Gemeinschaftsdiagnose Frühjahrsgutachten 2016 [PDF, 80 Seiten, 2,2 MB]
- Eckdaten der Prognose für Deutschland [PDF, 1 Seite, 102 KB]
- Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für Deutschland [PDF, 3 Seiten, 87 KB]
- Sektorkonten für institutionelle Sektoren [PDF, 3 Seiten, 83 KB]
Der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose gehören an:
- Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin
in Kooperation mit: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) - ifo Institut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V.
in Kooperation mit: KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle
in Kooperation mit: Kiel Economics - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung
in Kooperation mit: Institut für Höhere Studien Wien