Nobelpreisträger für Wirtschaft 1994
Der Nobelpreis für Wirtschaft ging 1994 an John C. Harsanyi, John F. Nash und Reinhard Selten für ihre grundlegenden Analysen von Gleichgewichten in der nicht-kooperativen Spieltheorie.
Während die Wahrscheinlichkeitstheorie aus dem Studium von Glücksspielen entstand, in denen keine strategische Interaktion stattfindet, wurden Schach und verschiedene Kartenspiele zur Grundlage der Spieltheorie. Letztere sind in dem Sinne durch strategische Interaktion charakterisiert, als es sich bei den Teilnehmern um rational denkende Individuen handelt. Bereits im frühen 20. Jahrhundert begannen Mathematiker wie Zermelo, Borel und von Neumann mit der mathematischen Formulierung von Spielmechanismen. Aber erst beim Treffen des Ökonomen Oskar Morgenstern mit dem Mathematiker John von Neumann im Jahre 1939 entstand der Plan zur Entwicklung einer Spieltheorie, die sich in der ökonomischen Analyse anwenden lassen würde.
Die wichtigsten Ideen von Neumanns und Morgensterns finden sich in ihrer Analyse von Nullsummen-Spielen mit zwei Teilnehmern. In einem Nullsummen-Spiel entspricht der Gewinn des einen Teilnehmers dem Verlust des anderen. Schon 1928 führte von Neumann die Minimax-Lösung für ein Nullsummen-Spiel mit zwei Teilnehmern ein. Hier versucht jeder Spieler seinen Gewinn bei demjenigen Ergebnis zu maximieren, das für ihn selbst am unvorteilhaftesten ist. Das negativste Ergebnis ist dabei durch die Strategie des Gegners bestimmt ist. Diese Strategie ermöglicht jedem Spieler einen minimalen Gewinn. Natürlich steht es keineswegs fest, dass die von den Spielern gewählten Strategien miteinander übereinstimmen. Von Neumann konnte jedoch zeigen, dass es stets eine Minimax-Lösung - d.h. eine übereinstimmende Lösung - gibt, wenn sogenannte »gemischte Strategien« eingeführt werden. Bei einer gemischten Strategie handelt es sich um die Wahrscheinlichkeitsverteilung der einem Spieler zur Verfügung stehenden Strategie. Es wird angenommen, dass ein Spieler eine bestimmte, »reine« Strategie mit einiger Wahrscheinlichkeit verfolgen wird.
John Forbes Nash, jr.
John F. Nash kam 1948 als Doktorand der Mathematik nach Princeton. Die Ergebnisse seiner Studien finden sich in seiner Dissertation, die den Titel Non-Cooperative Games (1950) trägt. Hier führte Nash die Unterscheidung zwischen kooperativen und nicht-kooperativen Spielen ein. Sein wichtigster Beitrag zur Theorie nicht-kooperativer Spiele besteht in der Formulierung eines universell gültigen Lösungsansatzes für Spiele mit einer unbestimmten Anzahl von Teilnehmern mit unbestimmten Präferenzen - d.h., seine Ergebnisse betrafen nicht mehr lediglich Nullsummenspiele mit zwei Teilnehmern. Diese Lösung wurde später als »Nash-Gleichgewicht« bekannt. Im Nash-Gleichgewicht erfüllen sich die Erwartungen sämtlicher Mitspieler, und die von ihnen gewählten Strategien sind optimal. Nash stellte zwei Interpretationen des Gleichgewichtskonzeptes vor: das eine beruhte auf Rationalität, das andere auf statistischen Populationen. In der rationalistischen Interpretation werden die Spieler als rational betrachtet und verfügen über vollständige Informationen hinsichtlich der Struktur des Spiels, einschließlich der von ihren Mitspielern präferierten Ergebnisse. Da allen Spielern die strategischen Alternativen und Präferenzen ihrer Mitspieler bekannt sind, können sie deren jeweils beste Strategie genau berechnen. Sofern alle Mitspieler dasselbe Nash-Gleichgewicht erwarten, ist keinem daran gelegen, seine Strategie zu ändern. Nashs zweite Interpretation der statistischen Populationen ist bei sogenannten evolutionären Spielen nützlich. Dieser Typus findet auch in der Biologie Anwendung, wenn es um die Frage geht, wie sich die Prinzipien der natürlichen Auslese auf die strategische Interaktion in und zwischen verschiedenen Spezies auswirken. Nash zeigte ferner, dass es für jedes Spiel mit einer begrenzten Anzahl von Teilnehmern ein Gleichgewicht der gemischten Strategien gibt.
Viele interessante ökonomische Themenfelder, wie z.B. die Analyse der Oligopole, entstammen der Theorie nicht-kooperativer Spiele. Im allgemeinen können Unternehmen restriktive Handelspraktiken nicht vertraglich regeln, da solche Vereinbarungen der Handelsgesetzgebung widersprechen. In ähnlicher Weise wird die Interaktion zwischen einer Regierung, Interessenvertretern und der Öffentlichkeit als nicht-kooperatives Spiel betrachtet, wenn es etwa um die Steuerpolitik geht. Das Nash-Gleichgewicht gehört inzwischen zum Standardrüstzeug fast aller Bereiche der Wirtschaftstheorie. Der offensichtlichste Anwendungsbereich ist vielleicht die Analyse des Wettbewerbs zwischen Unternehmen in der Theorie der industriellen Organisation. Doch hat das Konzept ebenfalls Eingang in die makroökonomische Theorie der Wirtschaftspolitik gefunden, sowie in die Umwelt- und Ressourcenökonomie, die Außenhandelstheorie und die Informationsökonomie. Die nicht-kooperative Spieltheorie hat ferner neue Forschungsfelder eröffnet. In Kombination mit der Theorie wiederholter Spiele haben Gleichgewichtskonzepte sich als nützlich bei der Untersuchung der Entwicklung von Institutionen und sozialen Normen entwickelt. Trotz seines Nutzens ist das Nash-Gleichgewicht jedoch mit bestimmten Problemen verbunden. Wenn ein Spiel mehrere Gleichgewichte aufweist, kann das Gleichgewichtskriterium nicht unmittelbar zur Vorhersage seines Ausgangs genutzt werden. Sofern es sich auf den Begriff der Rationalität stützt, setzt dass Gleichgewichtskonzept ferner voraus, dass jeder Spieler vollständig über die Situation seiner Mitspieler informiert ist. Dies waren die beiden Probleme, an deren Lösung sich Selten und Harsanyi versuchten.
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