Nobelpreisträger für Wirtschaft 1999
Der Nobelpreis für Wirtschaft ging 1999 an den Ökonomen Robert A. Mundell für seine Analyse der Geld- und Fiskalpolitik in verschiedenen Wechselkurssystemen und für seine Analyse optimaler Währungsgebiete.
Monetäre DynamikIm Gegensatz zu den Arbeiten zeitgenössischer Kollegen beschränkte sich Mundells Forschung nicht auf die Analyse kurzfristiger Phänomene. Die monetäre Dynamik ist ein Schlüsselthema in vielen bedeutenden Artikeln. Er betonte die Unterschiede in der Geschwindigkeit, mit der sich Güter- und Kapitalmärkten anpassen (das sogenannte Prinzip der effektiven Marktklassifizierung). Später wurden diese Unterschiede von seinen eigenen Studenten und anderen Forschern weiter untersucht, und es wurde gezeigt, dass der Wechselkurs über das langfristige Gleichgewichtsniveau hinausschiessen kann, wenn bestimmte Störeinflüsse auftreten.
Ein besonders wichtiges Problem sind Defizite und Überschüsse in der Zahlungsbilanz. In der Nachkriegszeit lagen der Erforschung dieser Ungleichgewichte statische Modelle zu Grunde, die reale Wirtschaftsfaktoren und Aussenhandelsflüsse betonten. Inspiriert durch David Humes klassischen Mechanismus der internationalen Preisanpassung, der sich auf monetäre Faktoren und Bestandsgrössen konzentrierte, formulierte Mundell dynamische Modelle, um zu beschreiben, wie dauerhafte Ungleichgewichte entstehen und eliminiert werden können. Er bewies, dass eine Volkswirtschaft sich schrittweise anpasst, wenn sich das Barvermögen der Haushalte in Reaktion auf Überschüsse und Defizite verändert. Unter festen Wechselkursen zum Beispiel (und wenn Kapital nur eingeschränkt beweglich ist) führt eine expansive Geldpolitik zu niedrigeren Zinsen und höherer Binnennachfrage. Das daraus folgende Zahlungsbilanzdefizit erzeugt Kapitalabfluss, welcher seinerseits die Nachfrage sinken lässt, bis sich die Zahlungsbilanz zurück ins Gleichgewicht bewegt. Dieser von vielen Forschern übernommene Ansatz, wurde als der Monetäre Ansatz der Zahlungsbilanz bezeichnet. Für lange Zeit wurde er als langfristiger Massstab zur Analyse von Stabilisierungspolitik in offenen Volkswirtschaften betrachtet. Die Ergebnisse dieser Analyse werden bis heute in der praktischen Wirtschaftspolitik verwendet, insbesondere von Ökonomen des IWF.
Vor einem anderen Beitrag Mundells war die Theorie der Stabilisierungspolitik nicht nur statisch, sondern sie hatte auch angenommen, dass die gesamte Wirtschaftspolitik eines Landes koordiniert sei und sich einer Hand befände. Im Gegensatz dazu betrachtete Mundell ein einfaches dynamisches Modell, um zu zeigen, dass die Ziele des externen und des internen Gleichgewichts am besten erreicht werden können, wenn die zur Verfügung stehenden Instrumente - Fiskal- und Geldpolitik - sich jeweils auf eines der beiden Ziele konzentrieren. Dies impliziert, dass jede der beiden Autoritäten - Regierung und Zentralbank - für jeweils ein Instrument der Stabilisierungspolitik verantwortlich sind. Mundells Schluss war einleuchtend: um die Volkswirtschaft davor zu bewahren, instabil zu werden, sollte die Zuordnung zwischen Ziel und Instrument der relativen Effizienz der beiden Instrumente entsprechen.
In seinem Modell ist die Geldpolitik verbunden mit dem Ziel des externen Gleichgewichts und die Fiskalpolitik mit dem des internen Gleichgewichts. Mundells Hauptabsicht war nicht die Frage der Dezentralisierung an sich. Nichtsdestotrotz hat er durch das Aufzeigen der Bedingungen für Dezentralisierung eine Idee vorhergesehen, die sehr viel später allgemeine Anerkennung fand: die Zentralbank eines Landes sollte die alleinige Verantwortung für die Preisstabilität haben.
Mundells Beiträge zur monetären Dynamik erwiesen sich als eine Wasserscheide der Forschung in der internationalen Makroökonomie. Sie begründeten einen sinnvollen dynamischen Ansatz, der auf einer klaren Unterscheidung von Bestands- und Fluss-grössen beruhte und ihre Interaktionen während der Anpassungsprozesse einer Volkswirtschaft auf dem Weg zu einer langfristig stabilen Situation untersuchte. Andere Forscher haben Mundells Ergebnisse erweitert. Die Möglichkeit weitsichtiger Entscheidungen von Haushalten und Firmen wurde ebenso berücksichtigt, wie verschiedene Arten von Finanzanlagen und tiefergehende Prozesse der Preis- und Handelsbilanzanpassung. Trotz dieser Änderungen sind die meisten der Ergebnisse Mundells auch heute noch gültig.
Im Bezug auf die Bedingungen für die Geldpolitik führen die kurzfristigen Analysen zu der gleichen fundamentalen Schlussfolgerung wie die langfristig ausgerichteten Arbeiten Mundells. Wenn, (i) Kapital frei beweglich ist, kann Geldpolitik entweder dafür ausgerichtet sein, (ii) ein externes Ziel, z. B. den Wechselkurs, zu verfolgen, oder richtet sich, (iii) an der Erreichung eines internen Ziels aus, wie zum Beispiel des Preisniveaus. Sie kann jedoch nie beide Ziele gleichzeitig verfolgen. Dieses Dreieck, indem sich zwei Ziele gegenseitig ausschliessen, ist für heutige Ökonomen selbstverständlich, und diese Einsicht wird heute auch von der Mehrheit der Wirtschaftspolitiker geteilt.
Optimale Währungsgebiete
Es wurde schon darauf hingewiesen, dass feste Wechselkurse in den frühen 60er Jahren vorherrschten. Einige Forscher diskutierten damals die Vor- und Nachteile von flexiblen Wechselkursen. Hingegen wurde eine nationale Währung immer als eine Notwendigkeit gesehen. Die Frage, die Mundell in seinem Artikel über »Optimum Currency Areas« (1961) stellte, war deswegen radikal: Wann ist es für eine Anzahl von Regionen optimal, ihre monetäre Souveränität aufzugeben, um eine gemeinsame Währung zu haben?
Mundells Artikel geht kurz auf Vorteile einer gemeinsamen Währung ein, die in geringeren Transaktionskosten für den Handel und weniger Unsicherheit im Bezug auf relative Preise liegen. Mehr Augenmerk wird jedoch auf die Nachteile gelegt. Der grösste Nachteil wird von Mundell in der Schwierigkeit gesehen, die Beschäftigung aufrechtzuerhalten, wenn Veränderungen in der Nachfrage oder andere asymmetrische Schocks erfordern würden, dass die realen Gehälter in einer bestimmten Region fallen müssten. Mundell betonte die Wichtigkeit von hoher Mobilität der Arbeit um solche Störungen auffangen zu können. Er definierte als ein optimales Währungsgebiet eine Menge von Regionen, in denen die Neigung zur Migration hoch genug ist, um Vollbeschäftigung sicherzustellen, falls eine der Regionen einem sogenannten asymmetrischen Schock ausgesetzt ist. Andere Wirtschaftswissenschaftler erweiterten die Theorie und identifizierten zusätzliche Kriterien, so zum Beispiel, Kapitalmobilität, regionale Spezialisierung und ein gemeinsames Steuer- und Transfersystem. Die Art und Weise, in der Mundell das Problem formulierte, hat dennoch Generationen von Ökonomen beeinflusst.
Mundells Erwägungen, die nun einige Jahrzehnte alt sind, sind von grosser Relevanz für die heutige Zeit. Durch die anwachsende internationale Kapitalmobilität in der Weltwirtschaft haben sich Wechselkurssysteme mit fixen Paritäten, die bei Bedarf angepasst werden müssen, als zerbrechlich erwiesen, und diese Systeme werden nun von vielen in Frage gestellt. Viele Beobachter sehen Währungsunionen oder flexible Wechselkurse, eben gerade die beiden Fälle, mit denen sich Mundell in seinem Artikel befasste, als die relevanten Optionen.
Es versteht sich von selbst, dass Mundells Untersuchungen viel Aufmerksamkeit in Verbindung mit der gemeinsamen Europäischen Währung erhielten. Wissenschaftler, die sich mit der Europäischen Währungsunion (EMU) beschäftigen, betrachten die Idee des optimalen Währungsgebietes als einen selbstverständlichen Ausgangspunkt ihrer Analysen. Es stellt sich heraus, dass eine der Schlüsselfragen in diesem Zusammenhang die Mobilität der Arbeitnehmer ist, falls asymmetrische Schocks eintreten.