Fenster schließen

Druckansicht http://www.wiwi-treff.de/Wirtschaftsromane/Wirtschaftskrimi/Konstruktion-Der-Wirtschafts-Thriller-Teil-10/Artikel-1441/drucken

WirtschaftsromaneWirtschaftskrimi

Konstruktion - Der Wirtschafts-Thriller: Teil 10

Das Inferno - Etwas hinter dem Methode steckte?

Philipp hatte gerade dreißig Schritte getan, da wurde er von einer gewaltigen Druckwelle zu Boden gerissen. Die Druckwelle war von ohrenbetäubendem Lärm begleitet und der Schall hatte sich mit einer zerstörerischen Intensität Raum verschafft. Mehrere Menschen hatte es sofort zu Boden geworfen. Glassplitter hatten sich in der gesamten Halle verteilt. Alles um ihn herum schien von der einen auf die andere Sekunde wie in geborstenem, gehäutetem Zustand, und es lag der Geruch verbrannten Fleisches in der Luft. Menschen rannten überall wie aufgescheucht durcheinander, versuchten auf die Beine zu kommen, schafften es nicht.

Es war so als hätte der unverhohlene Wahnsinn um sich geschlagen und wie bei einem aussichtslosen Schachspiel mit einem Handschlag sämtliche Figuren unauslöschlich zu Fall gebracht. Tabula Rasa auf einem Spielfeld, das Ausdruck nunmehr aus der Bahn geworfenen Lebens war. Wirklich überall war Blut. Blut und panische Schreie, angstvoll und hysterisch, lagen über dem schrecklichen, leidvollen Szenario. Die gesamte Halle glich einem einzigen Trümmerfeld. Menschen weinten, brabbelten missverständliche Laute, ihr Verhalten war von Einfallslosigkeit geprägt.

Die vielen Augen, in die Philipp starrte waren weit aufgerissen, Schmerz verzerrt, paralysiert. Überall klafften offenen Wunden, unterstrich das Blut das tragische Moment, das Grauen. Nichts ließ erkennen, dass hier zuvor heile Welt gewesen war. Die Trümmer ließen keinen Ausblick und auch keinen Rückblick zu. Die Menschen hörten nicht auf, in wilder Panik kopflos durcheinander zu rennen. Das Schicksal hatte sich teuflisch seinen Weg gebahnt, hatte zugeschlagen. Alles war entgleist.

Sirenen setzten ein, oder waren schon da, vielleicht schon seit mehreren Minuten. Sicherheitskräfte, Sanitäter und Polizei hatten sich schlagartig aus allen Richtungen in der Halle eingefunden. Frazier, was war mit Frazier? Natürlich wusste Philipp es längst. Er wusste es noch bevor sich der Gedanke in seinem Bewusstsein formuliert hatte. Frazier, unser Mann, war tot. Es hatte Frazier als allerersten erwischt. Er hatte gewissermaßen das Epizentrum, die tödliche Keimzelle all der Verwüstung dargestellt. S-E-Y-M-O-U-R schoss es ihm durch den Kopf. S-E-Y-M-O-U-R, immer wieder S-E-Y-M-O-U-R. Seymour, der Mystery Man, der Allgegenwärtige hatte zugeschlagen.

Fassungslosigkeit machte sich bei Philipp breit, verschaffte sich Raum, und es war lähmende Gewissheit, die ihn überkam. Seymour der personifizierte Alptraum. Und er hatte ihn zu seinem Handlanger gemacht. Zu einem willfährigen Werkzeug war er geworden, denn er hatte den Tod bringenden Koffer überreicht. Philipp betrachtete seine Hände. Sie waren unversehrt, und doch klebte Blut an seinen Händen. Blut, das er nicht einfach so abwaschen konnte. Schuld hatte er auf sich geladen.

Er sah noch einmal vor seinem geistigen Auge den skeptischen Ausdruck in den Augen Fraziers, so wie er ihm im letzten Augenblick seines Seins erschienen war. Hatte Frazier ihm am Ende etwas mitteilen wollen? Ganz leicht hatte er doch seinen Arm berührt. Er schien es so getan zu haben, als ob er ihm durch eine Geste etwas zu verstehen geben wollte. Vielleicht eine Warnung? Aber selbst wenn, was hätte das jetzt noch genützt? Seymour, wo war er jetzt? War er direkt unter ihnen? Oder konnte er das Ganze aus sicherer Distanz mit dem Blicke zerstörerischer Genugtuung verfolgen? Durchaus vorstellbar, dass er in einem abgedunkelten Raum irgendwo am anderen Ende der Welt saß und umgeben von unzähligen Monitoren in jedes Schmerz verzerrte, sterbende Gesicht schauen konnte. Sein Blick, so war es in Philipps Vorstellung, würde sich an all der Pein weiden.


Die Schreie um ihn herum im Terminal sieben wollten nicht verstummen. Ein Ende des horrenden Schreckensbildes schien nicht in Sicht. Die unzähligen Toten, die unzähligen Verletzten würden sich für immer in sein Gedächtnis eingraben. Das durchdringende Geräusch der Sirenen, auch das schien für die Ewigkeit.

Aber warum hatte es ihn nicht erwischt? Er war doch Frazier am nächsten gewesen. Und genau das war der Punkt. Er war Frazier am nächsten gewesen. Von einem auf den anderen Moment war ihm schlagartig bewusst welchen Sinn es wohl machte, dass er unversehrt geblieben war. Er war der Hauptverdächtige für das Massaker. Für das Grauen, das hier in Szene gesetzt worden war. Und plötzlich wusste er, dass er so schnell es ging diesen Ort verlassen musste. Ziemlich bald würde hier alles abgesperrt sein. Keiner würde mehr rein können, aber auch keiner konnte dann mehr raus.

Die Spur der Beweisführung, es wäre nur eine Frage der Zeit wann sie zu ihm führen würde. Von Flughäfen wusste er, dass sie an zentralen Stellen Video überwacht waren. Hier am Gate 16 würde es nicht anders sein. Die Übergabe des Koffers, alles würde zu sehen sein. Jedes noch so kleine Detail würde man auf den Bändern erkennen können. Und wahrscheinlich würde auch alles andere zu sehen sein, wie etwa das Zwischenlagern des Koffers im Schließfach. Einfach alles würde festgehalten sein mit Hilfe modernster Technik. Da konnte er tun was er wollte, da würde er nicht mehr herauskommen. Das Ding ging eindeutig auf sein Konto. Die Schlinge würde unwiderruflich um seinen Hals festgezurrt, wenn er nicht sein Heil in der Flucht suchte. Aber es konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Nur was sollte Philipp tun, wo sich doch scheinbar alles gegen ihn verschworen hatte.

Seymour dieser verdammte Schweinepriester, dachte er. Aber warum das alles? Was hatte ihn dazu bewogen, ihn ans Messer zu liefern? Und wieso hatte er den Mord an Frazier, dieses bestialische Verbrechen, an diesem turbulenten Ort in Szene setzen lassen? Entsprang das ganze nur einer abartigen Neigung Seymours, einem reinen Mordgelüste mit dem Drang nach flächendeckendem Elend, Schmerz und Pein? Fragen über Fragen, auf die er keine Antwort finden konnte.

Irgend etwas in Philipp schien das Ganze als Teil eines Gesamtplans sehen zu wollen. Etwas hinter dem Methode steckte. Aber auch etwas in dem ihm selbst wie in einem Schauspiel nur eine Rolle zuteil wurde. Eine Rolle über die sich bislang keine Aussage treffen ließ. Festzustehen schien, und daran bestand kein Zweifel, dass er verschwinden musste. Andernfalls konnte er sich gleich den Behörden ausliefern. Schnellen Schrittes bahnte er sich seinen Weg durch die Sterbenden und Verletzten hindurch. Der Anblick des massiven Elends war kaum zu ertragen und rief auch in ihm Schmerz und Übelkeit hervor.

Um so unvorstellbarer war der Gedanke, dass man ihn für all das zur Rechenschaft ziehen sollte. Kein Gericht der Welt würde ihn freisprechen. Provisorisch waren bereits die ersten Absperrungen errichtet worden. Vereinzelt hatte die Polizei begonnen, Leute festzuhalten und ihre Personalien aufzunehmen. Er musste aufpassen, dass er nicht einem Polizisten direkt in die Arme lief. Sein Vorteil aber war, so sah er es jedenfalls, dass sich bislang alles in Konfusion verlor. Keine Klarheit herrschte bislang über den Tathergang. Aber das würde nicht lange so bleiben. Also war Eile geboten. Aber wohin sollte er gehen?