Fenster schließen

Druckansicht http://www.wiwi-treff.de/Wirtschaftsromane/Wirtschaftskrimi/Konstruktion-Der-Wirtschafts-Thriller-Teil-18/Artikel-373/drucken

WirtschaftsromaneWirtschaftskrimi

Konstruktion - Der Wirtschafts-Thriller: Teil 18

Projekt M - Das Meeting

Wie viele der wohl im Raum Anwesenden wussten Bescheid über die wahren Gründe, die zum Tod Fraziers geführt hatten? Wie viele der im Raum Anwesenden wussten, dass er sozusagen in der Rolle des Unglücksboten das tödliche Verderben gebracht hatte? Er suchte Mc Grogan direkt in die Augen zu sehen. Mc Grogan aber schien seinem Blick auszuweichen. Auch das war auf gewisse Weise rätselhaft. Was wusste Mc Grogan, wie tief war er eingeweiht in die Pläne Seymours. Welche Trümpfe hielt Seymour auch vor diesem Mann verborgen. Philipp konnte von dem Gedanken nicht lassen, dass Seymour Mc Grogan in voller Absicht in den vergangenen Tagen abkommandiert hatte. Vielleicht betrachtete er ihn als eine Art Joker, den er irgendwann unversehens aus dem Ärmel holen würde. Oder hatte Seymour ihn einfach nur in weiser Voraussicht aus der Schusslinie bringen wollen? Er kam zu keinem zufriedenstellendem Schluss. Es wollte ihm nicht gelingen.

So betrüblich die ganze Sache auch ist. Wir müssen jetzt an das Unternehmen denken. Das Projekt ist bereits in die entscheidende Bauphase getreten. Kommen wir also zu Punkt eins auf der Tagesordnung, der Nachfolge von Frazier.“ Die Anwesenden mit Ausnahme von Mc Grogan, der irgendwie in Gedanken versunken aus einem der Fenster starrte, sahen jetzt interessiert zu ihrem Chef auf. Philipp schloss aus dem Verhalten Mc Grogan und der Anwesenden, dass nur Mc Grogan in die Pläne von Seymour eingeweiht war. Andererseits mochte es etwa so sein, dass die anderen einfach nur ihr Wissen um die Ereignisse im Unternehmen zu verbergen verstanden. Es erschien Philipp trotzdem ratsam das Szenario, die Gesten und Blicke im Auge zu behalten.

Als Ersatz für Ralph Frazier habe ich Philipp Geiger vorgesehen!“ Erneut unterbrach er sich und ließ seine Worte auf die Versammelten wirken. Keiner schien wesentlich von der Entscheidung überrascht bis auf eine Person. „Was hat er gemacht dieser Herr Geiger. Was kann er, wie hat er sich um die Cymatrix Company verdient gemacht?“ Das Englisch des Mannes, der seine Bedenken in hektischer, aufgebrachter Weise einräumte war gebrochen und durchzogen von einem Dialekt. Philipp fiel es nicht schwer, seine Ausdrucksweise zuzuordnen. Er war offensichtlich Italiener. Eine gedrungene Gestalt mit einem akkurat gekämmten Seitenscheitel, einem derben Vollbart und Augen, die wie Stecknadelköpfe wirkten. Es war da ein irgendwie wildes aber zugleich nervöses Flackern in diesen Augen. Er war von seinem Platz aufgesprungen.

„Herr Giuliani, Philipp Geiger hat mehrfach nicht nur Verhandlungsgeschick bewiesen, sondern auch Loyalität unserem Unternehmen gegenüber! Darüber hinaus verfügt er über hervorragende Kompetenzen auf seinem Gebiet.“ Seymours Worten war zu entnehmen, dass er nicht gewillt war Widerspruch hinzunehmen. Giuliani schien das nicht begreifen zu wollen. Er setzte nach. Auch bei ihm lag so etwas wie Entschlossenheit in der Stimme, wenngleich man den Eindruck gewinnen musste, dass sie durch ein bebendes, zerfahrenes Zittern durchzogen war. Giuliani tremolierte förmlich. „Mr. Seymour, ich bin jetzt seit fünf Jahren in der Cymatrix Company. Ich möchte sie noch einmal darauf aufmerksam machen. Ich denke, ich habe mehr als dieser aufgeblasene deutsche Zampano das Recht auf diesen Posten!“ Mit gehobener, nahezu von Heiserkeit durchzogener Stimme hatte er seine Ausführung beendet, sah dann kurz hasserfüllt zu Philipp herüber und wendete sich dann wieder wild entschlossen in Richtung Seymour´s.

Seymour war inzwischen auch aufgestanden, sah ihm über den Tisch hinweg mit unmissverständlicher Härte direkt in die Augen. Die übrigen im Raum Anwesenden wagten kaum zu atmen. Sie spürten die geladene, verderbliche Spannung, die über allem im Raum stand. Die Luft schien zu knistern, ja sogar zu lodern. Alles schien elektrisiert. “Wenn hier einer ein kleiner aufgeblasener Zampano ist, dann sind sie das, Giuliani. Ich warne Sie, Giuliani. Ich warne Sie!” Mc Grogan hatte sich mit seiner Fistelstimme ins Gespräch eingeschaltet. Sie war so einschneidend und vernichtend wie ein kalter Wind, der über die Steppe oder die Tundra wehte. Was es zu bedeuten hatte, dass er sich ins Gespräch brachte, daran konnte es keinen Zweifel geben. Er war der Mann fürs Grobe, das war Philipp nicht erst in diesem Moment klar. Er würde dem aufgebrachten Italiener notfalls einmal so richtig den Scheitel legen und den Bart stutzen.

Giuliani, sie haben da ein wenig den falschen Ton angeschlagen. Sie sollten sich in der Tat mal ein bisschen im Zaum halten!“ Seine Worte kamen langsam und bedeutungsschwer aus seinem Mund. Seymour wusste genau wie er Wirkung zu erzeugen vermochte. Sein Blick war noch immer frontal auf den untersetzten Italiener gerichtet. Der hatte sich inzwischen wieder auf seinem Stuhl niedergelassen und starrte abwechselnd mit gepeinigten, wässrigem Ausdruck in den Augen in die Augen von Seymour und Mc Grogan. Giuliani konnte einem schon leid tun, wie er da zusammengekauert da saß auf seinem Stuhl, scheinbar isoliert und verloren. Dieser Eindruck verstärkte sich noch dadurch, dass zu beiden Seiten die Plätze frei geblieben waren. Von den im Konferenzraum Versammelten schien keiner es zu wagen ein Plädoyer für den stämmigen Italiener abgeben zu wollen. Es blickte noch nicht einmal irgend jemand in dessen Richtung.

„Ich erwarte, dass sie sich bei Herrn Geiger entschuldigen, Giuliani! Wann sie das tun, ist mir ziemlich gleich. Dufèvre wird sie jetzt zur Tür heraus geleiten.“ Dufèvre war unmittelbar aufgestanden und war im Begriff den angeschlagenen Giuliani zur Tür hinaus zu geleiten. Bevor die beiden jedoch aus dem Raum verschwunden waren richtete Seymour noch einmal das Wort an den Italiener. „Ach noch etwas, Giuliani. Sie werden im Team von Geiger mitarbeiten. Ob ihnen das passt oder nicht!“ Während er hinaus ging, warf Giuliani noch einen Blick in Richtung von Philipp, der so viel besagte wie „Das wirst du mir büßen.“

Philipp, auch wenn er das nicht gerade von Sorgen befreit zur Kenntnis genommen hatte, versuchte gleichgültig zu wirken. Er hatte einen Feind, das schien klar geworden zu sein. Giuliani war in die Offensive gegangen, hatte die Karten offen vor ihm auf den Tisch gelegt. Die Teilnehmer der Sitzung warteten schließlich einen kurzen Augenblick bis auch Dufèvre wieder an ihrem Platz saß. Sie warf Philipp einen kurzen anerkennenden Blick zu. Er registrierte ihn dankbar. Sie war offensichtlich auf seiner Seite, das spürte er.

Dann fuhr Seymour fort. „Dufèvre wird ebenfalls in ihrem Team an ihrer Seite arbeiten. Sie wird sie in sämtliche Vorgänge einweisen. Sie hat vorher für Frazier gearbeitet und ist bestens über alles informiert. Sollte es dennoch Schwierigkeiten geben, dann können sie mich jederzeit aufsuchen. Sie wissen ja wo sie mich erreichen.“ Im Anschluss daran, beauftragte Seymour einen der übrigen Mitarbeiter, den Raum zu verdunkeln. Es sollte eine kleine Präsentation geben. Das war der zweite und sogleich der letzte Punkt der Tagesordnung. Sheeney, ein ebenfalls sehr junger Mitarbeiter - er mochte so um die dreißig sein - hatte eine PowerPoint- Präsentation vorbereitet. Es ging darin, um die Rückbetrachtung der vergangenen Wochen, die von Lieferschwierigkeiten einiger kleiner Firmen gekennzeichnet waren. Er brachte Alternativen ins Spiel, die im Anschluss daran diskutiert wurden. Unter anderem fiel beim Ausführen der Komplikationen der Name Mc Innis. In diesem Zusammenhang ging es ebenfalls darum, dass Mc Innis offensichtlich Bedenken geäußert hatte gewisse Teile zu liefern.

Seymour verwarf jedoch sofort diese Bedenken mit einer ungeduldigen Geste. Er verwies darauf, dass er gerade vor einer Stunde mit der Firma, die in Detroit ihren Sitz hatte, zu einer zufriedenstellenden Übereinkunft gekommen war. Das erregte Gebaren von Seymour war Philipp aber nicht entgangen. Irgend etwas störte ihn daran. Es wirkte befremdlich auf ihn und zudem in starkem Maße unverhältnismäßig. Er wurde das Gefühl nicht los, dass es Seymour prompt darum gegangen war, von etwas abzulenken. Hatte er in Bezug auf Mc Innis etwas zu verbergen? Und wenn, so fragte er sich, hatte es dann etwas mit dem Tod von Frazier zu tun? Das Verhalten von Seymour hatte ihn in Alarmbereitschaft versetzt. Was wusste dieser Sheeney? Offensichtlich mehr als es Seymour lieb sein konnte, denn sonst hätte er ihn wohl kaum so unwirsch in seinem Vortrag abgewürgt.

Bei den übrigen im Sitzungssaal Anwesenden schien der Einwurf Seymours im Gegensatz zu Philipp keinen fragwürdigen Eindruck hinterlassen zu haben. Oder etwa doch? Mc Grogan wirkte ein wenig angespannt. Oder bildete er sich das jetzt nur ein. Es mochte auch an der schlechten Luft im Raum liegen, der nicht all zu oft genutzt wurde. Dann ließ Philipp seinen Blick zwischen den wenigen Anwesenden hin und her wandern. Das Einzige was er registrierte waren verstohlene Blick, die in Richtung des Fensters gelenkt waren. Man sehnte das Ende der Sitzung anscheinend herbei. Seymour entließ schließlich die Anwesenden mit der Aufforderung noch einmal alles zu geben. Endlich, so der Tenor seiner Aussage sei man in die entscheidende Phase getreten und hätte nun das Ziel unmittelbar vor Augen. Auf jeden würde es da ankommen, darüber müssten sie sich im Klaren sein. Bei seinen Worten hatte er einen andächtigen Blick auf das Modell der Brücke, das sich auf dem Tisch befand, gerichtet.