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Konstruktion - Der Wirtschafts-Thriller: Teil 3

Megan war fort! - Langsam erkannte er, dass er die Gegenwart nicht isoliert betrachten konnte, sondern dass zumindest der Schlüssel der Erkenntnis in der Vergangenheit lag.

Megan war fort! Es hatte nichts davor gegeben, was eine Vorahnung in ihm hätte hervorrufen können. Nichts, aber auch gar nichts, was er im Nachhinein als ein Signal, das ihrem Handeln vorausgegangen war, hätte werten können. Oder glaubte er das jetzt nur? Hatte es derartige Signale vielleicht gegeben, und hatte er sie vielleicht nur nicht erkannt? War er geblendet von der Sonne seines Erfolges gewesen? Oder hatte er sie einfach nur nicht erkennen wollen?

Wenn er sich der Realität verschlossen hatte, wovon er im Lichte seiner Reflektionen in gewisser Weise ausgehen konnte, dann war es wohl doch eher so gewesen, dass er einfach die ganze Zeit über nichts begriffen hatte. Aber nicht er hatte sich der Realität verschlossen - das hätte ein aktives Handeln seinerseits vorausgesetzt - sondern die Realität hatte sich ihm verschlossen. Das war definitiv etwas völlig Anderes. Es machte ihn zu einem Opfer. Ein Opfer, das in bedingungsloser Passivität alles über sich ergehen lassen musste, bis es vorbei war.

Das Schlimme an der Tatsache, sich als Opfer zu begreifen, war, dass ihm bewusst wurde, dass es kein Entrinnen aus dieser Rolle gab. Auch wenn Qualen und Torturen ein Ende genommen hatten, auch wenn der Schmerz nachgelassen haben würde, so würden doch immer die Narben bleiben. Diese Narben, obgleich nach außen nicht sichtbar, würden immer weiter existieren und ihn und vielleicht sogar alles verändern.

Das noch Schlimmere aber war, dass er plötzlich in seiner ureigensten Vergangenheit, einfach in allem, was bis dato passiert war, eine einzige fortwährende Lebenslüge erkannte. Vieles hatte er einfach verdrängt, Gedankenkonfrontationen mit schmerzerfüllten Ereignissen gemieden wie der Teufel das Weihwasser.

Vielleicht gab es sie, Tage, die man nie vergessen sollte. Tage, die bis in alle Ewigkeit präsent bleiben würden. Und vielleicht war jener Freitag einer dieser Tage.

An jenem Freitag hatte sie das Ticket für ihn gelöst. Das Ticket für eine Achterbahnfahrt, bei der das Schleudertrauma genauso garantiert war wie die anschließende Übelkeit. Eine Achterbahn, aus dem Boden gestampft, auf einer ehemals prachtvollen Blumenwiese. Er hatte es nicht verstanden, diese Blumenwiese zu hegen und zu pflegen, hatte sie schlicht und ergreifend sich selbst überlassen. Der Gärtner ist immer der Mörder!

Auf eine ganz spezielle Weise schien dieser viel zitierte Spruch eine tiefe Wahrheit in sich zu bergen. Denn vielleicht hatte es etwas damit zu tun, dass er nun die Schuld trug für die sträfliche Vernachlässigung ihm überantworteter Aufgaben. Sind wir nicht alle, die wir in Beziehungen zu anderen Menschen stehen, gewissermaßen die Gärtner von Blumenwiesen? Ist es nicht unsere Pflicht, die Blütenpracht zu erhalten und täglich aufs Neue daran zu arbeiten, dass sich mehr als nur ein einzelner Schmetterling dorthin verirrt? Ja, er fühlte sich als Mörder, hatte die Beziehung zerstört, sie zu Grabe getragen, und am Ende hatte er noch nicht einmal versöhnliche Worte in seiner Abschlusspredigt für sie übrig gehabt.


Langsam begann er sich zu erinnern. Erst waren es sehr vage Momente, in denen er darauf gestoßen wurde, wann sich der eigentliche Bruch zwischen ihnen vollzogen hatte. Diese Momente verflogen jedoch wieder, bevor sie in ihm mehr als eine vage Ahnung hervorrufen konnten. Es war wie ein Blick in ein diffuses Licht, bei der sich die eigentliche Quelle des Lichtes nicht ausmachen ließ. Dazu kam, dass er viel zu sehr mit der Gegenwart beschäftigt war, als dass er die Vergangenheit wirklich hätte begreifen können. Aber langsam erkannte er, dass er die Gegenwart nicht isoliert betrachten konnte, sondern dass zumindest der Schlüssel der Erkenntnis in der Vergangenheit lag.

Lange vor dem Tag, an dem sie den endgültigen Schlussstrich zog, hatte es überall Veränderungen gegeben. Langsam begann er sich zu erinnern. In ihrer gemeinsamen Wohnung hatten an den Wänden in fast jedem Raum Drucke von Andy Warhol gehangen. Es war, als hätte der gute alte Andy die Verbindung zwischen ihnen erst möglich gemacht. Tatsächlich hatten sie sich auf einer Warhol-Ausstellung in New York kennengelernt. Dieser Moment war ihm nach der gemeinsamen Zeit - es waren eigentlich nicht mehr als acht Monate gewesen - der Präsenteste von allen. Er hatte sie in einem großen langgezogenen Saal auf der zweiten Ebene des Gebäudes konzentriert vor einem Bild stehen sehen, einen Block in der einen, einen Kugelschreiber in der anderen Hand.