Ich glaube, und einige Beiträge hier unterstützen das, dass gerade die MINT-Studiengänge in den letzten Jahrzehnten schlecht weggekommen sind. Sowohl was Gehaltserwartung als auch Karrieremöglichkeiten angeht.
Zum einen weil viele Firmen, und gerade Konzerne, ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen massiv zusammengestrichen und teilweise outgesourct haben. Damit sind viele gut bezahlte stellen, gerade für promovierte Leute, weggefallen oder werden zu schlechteren Konditionen bei einem Dienstleister weitergeführt.
Zum anderen, und das ist vielleicht auch die Ursache für den ersten Punkt, gab es einen Wandel in der Selbstwahrnehmung der Firmen und den internen Machtverhältnissen. Vereinfacht gesagt haben die Kaufleute mehr Macht als früher und die MINT-Kollegen weniger. Wobei es weniger um den Studienhintergrund geht als die persönliche Einstellung.
Nehmt die großen DAX Firmen. Bayer, BASF, Daimler, VW, Bosch, etc. Bei den meisten hatten die Ingenieure bzw. Chemiker das sagen. Und das Ziel war es die besten Produkte zu entwickeln, die sich dann schon verkaufen werden, weil sie ja die besten sind (ohne Wertung, hat sicherlich nicht immer so funktioniert wie geplant). Dafür wurden riesige Forschungsabteilungen unterhalten. Teilweise wurde sogar Grundlagenforschung betrieben, die sich vielleicht irgendwann mal auszahlt, vielleicht auch gar nicht. Das wichtigste war aber, das Geld mit Innovationen verdient wurde.
Mit und mit hat sich das dann geändert. Und irgendwann stand im Vordergrund, dass man billig sein muss. Das Ziel war nicht mehr das beste Produkt zu entwickeln, sondern mit möglichst geringen Kosten EIN Produkt zu entwickeln, dass sich möglichst günstig produzieren lässt und dabei möglichst gute Margen abwirft (auch wertungsfrei, es gab viele Gründe für diese Entwicklung und ohne sie gäbe es auch manche der Firmen nicht mehr).
Diese Entwicklung hat aber dazu geführt, dass man viele teure Stellen gestrichen oder ausgelagert hat. Genauso wurden (Einstiegs)Gehälter gerade der obersten Gehaltsklassen gedrückt. Dazu kam die Machtzunahme der Kaufleute, die dann andere Stellenbewertungssysteme eingeführt haben. Heute kommen, zumindest in meiner Firma, kaufmännische Tätigkeit bei der Bewertung deutlich besser weg als fachliche Tätigkeiten. Verwaltetes Budget/Geschäftsvolumen wird bspw. mehr gewichtet als nötiges Fachwissen, etc. Früher war das genau andersherum. Außerdem waren dir viele hohe Stellen ohne Dr. früher quasi versperrt. Und viel mehr Managerpositionen, auch in kaufmännischen Abteilungen, waren mit MINTlern besetzt.
Heute steigen zum bspw. in meinem Konzern Leute mit Promotion auf der gleichen oder vielleicht eine Stufe über jemandem mit Master ein. Egal ob MINT oder BWL. Auch weil wenig Stellen eine Promotion erfordern. 20, 30 Jahre zurück gab es noch viel mehr Positionen die explizit eine Promotion verlangten. Und dann auch 2 - 3 Stufen höher lagen als Stellen für Diplom-MINTler (die es kaum gab). Und MINT lag im Schnitt ein bis zwei Stufen höher als BWL (Angebot und Nachfrage).
Dass man egal ob MINT oder BWL gleich einsteigt kommt übrigens auch durch die Stellenbewertungen, nicht durch den Markt. Bei BWL-Stellen werden wir mit mehreren hundert Bewerbungen zugeschüttet (DAX IGM und IGBCE werden hier ja auch gerne als das große Ziel beschrieben). Suchst du MINT, gerade in Nachgefragteren Bereichen, gibt es schon mal deutlich weniger Bewerbungen, von denen dann auch noch ein kleinerer Teil geeignet für ein Vorstellungsgespräch ist. Relativ häufig ist sogar gar kein geeigneter Bewerber dabei. All das führt aber nicht dazu, entsprechende Stellen höher einzugruppieren um mit mehr Geld locken zu können.
Für die entsprechenden Leute ist das natürlich frustrierend. Es ist nicht so, dass es früher ein selbstläufer war. Oder alles besser. Aber die Chancen waren besser und die Abschlüsse wurden mehr wertgeschätzt. Das "Investment" in ein langes, aufwendiges Studium hat sich mehr gelohnt.
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