WiWi Gast schrieb am 19.08.2020:
Ich möchte wirklich mit dem Irrglauben der (nicht- bezahlbaren) Beiträge im Alter ausräumen.
Gerade der Vergleich zwischen freiwillig GKV-versichert und Privatversicherung muss einfach verschiedene Fälle unterscheiden. Eintrittsalter, Vorerkrankungen, Familienversicherung.
Bei einem unisex-Tarif kommst du in den aller meisten Tarifen mit Beitragsrückerstattung (BRE) erheblich günstiger weg. Auch ohne die BRE ist der Beitrag für einen Single oder ein Paar ohne Kinder immer noch günstiger.
Ich hatte beim Abschluss meiner PKV (vor 8 Jahren, als Anfangdreißiger) mir auch Comforttarife angeschaut (bspw. Deutscher Ring Comfort), Ich fand die damals nominal vom Beitrag (ohne BRE) schon sehr teuer und gefühlt nicht mehr allzu weit weg vom damaligen GKV-Höchstbetrag. Und das waren damals noch bi-sex Tarife. Mit der Einführung der unisex-Tarife sind die (Neukunden)-Tarife nochmals signifikant teurer geworden (zumindest bei meiner Versicherung, Deutscher Ring, habe ich immer mal geschaut, was ich als unisex-Neukunde bezahlt hätte).
Investierst du also nur die Beitragslücke in eine Beitragsentlastungskompnente, die im Fall eines Angestelltenverhältnisses zum Teil sogar vom AG mitfinanziert wird, wird der Beitrag im Alter immer kleiner.
In der Theorie ist das eine gute Idee! Die praktische Umsetzung ist etwas schwerer, da sich der Betrag für die Beitragsentlastungskomponente nicht jederzeit dynamisch anpassen lässt (sowohl absenken als auch erhöhen). Die Differenz/Beitragslücke ändert sich im Zeitverlauf regelmäßig, sei es durch Beitragsanpassungen in der PKV, durch steigende GKV-Beitragssätze, durch Kinder, die mitversichert werden müssen, etc.. Es kommt natürlich auf ein paar EUR an, aber ich kann einfach nicht abschätzen, wie groß meine Beitragslücke für mich in 10 Jahren und danach sein wird und damit sinnvoll entscheiden wieviel ich in einen solchen Baustein zur Beitragsentlastung im Alter sinnvoll investieren kann.
Die Beitragsentlastungskomponente macht für AN dann Sinn, wenn sich der AG daran hälftig beteiligt. Den Anteil des PKV-Beitrages der oberhalb des GKV-Höchstbetrages liegt, zahlt man allerdings dann aus eigener Tasche. Das Geld würde ich mir dann sparen und lieber in den privaten Sparplan (ETF) stecken.
Im Fall einer Beitragsanpassung kommt es stark auf den Versicherer an. Ein finanzstarker Versicherer wird die Erhöhung immer abfangen. Willst du also diese Sicherheit haben, schau dich nach Finanzstärke (vor allem in Relation zu den Bewertungsreserven) um.
Das kann der Versicherer vielleicht eine bestimmte Zeit machen, aber eben auch nicht bis in alle Ewigkeit hin.
Da die Ausgaben im Gesundheitswesen jährlich steigen und gleichzeitig der Anlagezins in der Tendenz sinkt (bei der einen Versicherung vielleicht stärker/schneller, bei der anderen weniger), ist auch die größte Bewertungsreserve irgendwann "aufgebraucht" und dann kommt der Versicherer um eine Beitragsanpassung nicht umhin.
Das ist auch per-se nicht schlimm, denn in der GKV hat man im Vergleich ja auch steigende Beiträge (aufgrund der jährlich steigenden BBG).
Im Werben um Neukunden müssen die Versicherungen den "Spagat" hinbekommen, zwischen sicherer und solider Beitragskalkulation (=also eher hohe Versicherungsbeiträge), ohne dabei Neukunden mit horrenden Versicherungsbeträgen von Beginn an abzuschrecken.
Manche versuchen es natürlich mit billigen und unseriös kalkulierten Köder-Tarifen, bei denen starke Beitragsanstiege im Grunde vorprogrammiert sind.
Nehmen wir den Fall von Kindern, muss man genauer hinschauen, dann kann die GKV durch die kostenlose Familienversicherung schon die deutlich günstigere Wahl sein. Aber das muss man sich eben genau ansehen.
Plump zu behaupten, man könne die Beiträge im Alter nicht bezahlen, ist einfach Unsinn.
Ich stimme vollkommen zu, dass man differenzieren muss, und pauschale Aussagen gar nicht möglich sind, weil immer der Einzelfall zu betrachten ist.
Deine Ausführungen und Begründungen warum das nicht so sei, beziehen sich allerdings auch eher auf die Phase, in denen man noch beschäftigt ist und wo man noch teilweise gegensteuern kann.
Spannend wird es erst wirklich, wenn man in Rente geht und noch 20-25 Jahre zu leben hat. Einen Versicherungs- oder Tarifwechsel bekommt man dann - nach heutigem Stand - vermutlich nicht mehr hin. Die Wahrscheinlichkeit auf Leistungsfreiheit und BRE sinkt mit dem Alter auch erheblich; gleichzeitig muss man neben dem Versicherungsbeitrag noch den Selbstbehalt zahlen.
Was passiert also dann, wenn man plötzlich mit 75 oder 80 nach erneuten Beitragsanpassungen merkt, dass es finanziell nicht reicht, um die Beiträge noch zu stemmen? Man findet leider nur selten konkrete Beispiele oder Zahlen was die heute 70, 75 oder 80 Jährigen für ihre PKVen bezahlen.
Teils sind die heutigen Tarife ja auch noch gar nicht so alt, dass man diese Altersgruppen überhaupt in nennenswerter Zahl im eigenen Tarifkollektiv enthalten hat.
Beitragsanpassungen können doch schnell und unerwartet kommen. Ich hatte bspw. 4 Jahre lang überhaupt keine Anpassung in meinem Tarif, danach vor ca. 3,5 Jahren eine Sprungerhöhung um mehr als 20% und vor 1,5 Jahren nochmal ca. 10%.
Als gut verdienender privat-versicherter Angestellter ist man deswegen gut beraten, für diesen Fall rechtzeitig und ausreichend vorzusorgen. Eine allgemeine private Altersvorsorge (ETF-Depot, Aktien, Vermietung von Immobilien) schadet natürlich nie und schafft finanziellen Spielraum im Alter. Wenn die PKV-Beiträge dann doch niedriger als erwartet ausfallen, macht man eben stattdessen eine Kreuzfahrt oder so :-)
antworten