Nobelpreisträger für Wirtschaft 1999
Der Nobelpreis für Wirtschaft ging 1999 an den Ökonomen Robert A. Mundell für seine Analyse der Geld- und Fiskalpolitik in verschiedenen Wechselkurssystemen und für seine Analyse optimaler Währungsgebiete.
Die Wirkung der Stabilisierungspolitik
In einer Reihe von Artikeln, die in den frühen 60er Jahren publiziert und in seinem Buch International Economics (1968) neu aufgelegt wurden, entwickelte Robert Mundell seine Analyse der Geld- und Fiskalpolitik (der sogenannten Stabilisierungspolitik) in offenen Volkswirtschaften.
Das Mundell-Fleming-Modell Ein bahnbrechender Artikel (1963) behandelt die kurzfristigen Wirkungen von Geld- und Fiskalpolitik in einer offenen Volkswirtschaft. Die Analyse ist einfach, aber die Schlussfolgerungen sind weitreichend, robust und klar. Mundell führte Aussenhandel und internationale Kapitalbewegungen in das sogenannte IS-LM Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft ein, dass von dem Preisträger des Jahres 1972, Sir John Hicks, entwickelt worden war. Dies erlaubte Mundell zu zeigen, dass die Wirkung der Stabilisierungspolitik davon abhängt, in welchem Masse Kapital international mobil ist. Insbesondere zeigte er die weitreichenden Auswirkungen von Wechselkurssystemen (oder -regimen) auf. In einem flexiblen Wechselkurssystem hat Geldpolitik starke Wirkung, während Fiskalpolitik wirkungslos ist. Das Gegenteil ist der Fall, wenn der Wechselkurs einer Währung fixiert ist.
In dem interessanten Spezialfall hoher internationaler Kapitalmobilität tendieren heimische und ausländische Zinsen zu einem gemeinsamen Niveau (unter der Voraussetzung, dass der Wechselkurs als konstant betrachtet wird). Wenn ein Land ein fixes Wechselkurssystem hat, so muss die Zentralbank auf dem Währungsmarkt eingreifen, um die Nachfrage des Landes nach ausländischen Währungen zu dem jeweils festgelegten Wechselkurs befriedigen zu können. Das Ergebnis ist, dass die Zentralbank die Kontrolle über das Geldangebot verliert, denn dieses muss sich dann passiv der heimischen Geldnachfrage anpassen. Alle Versuche, eine unabhängige nationale Geldpolitik durch sogenannte Offenmarktpolitik zu tätigen, sind dann nutzlos, weil weder der Zinssatz noch der Wechselkurs beeinflusst werden können. Allerdings können erhöhte Staatsausgaben und andere haushaltspolitische Massnahmen das Bruttosozialprodukt anwachsen lassen und die heimische Wirtschaft ankurbeln. Auf diese Weise kann den Auswirkungen steigender Zinssätze und einer stärkeren Währung entgegengewirkt werden.
Der Wert einer Währung in einem Regime flexibler Wechselkurse wird vom Markt bestimmt, da die Zentralbank nicht auf dem Währungsmarkt interveniert. Hier wird dann Fiskalpolitik wirkungslos. Der Grund dafür ist, dass höhere Staatsausgaben eine Erhöhung der Geldnachfrage und der Zinsen bedingen, solange die Geldpolitik nicht verändert wird. Kapitalimporte stärken dann den Wechselkurs bis hin zu dem Punkt, an dem niedrigere Nettoexporte den gesamten expansiven Effekt höherer Staatsausgaben neutralisieren. Dagegen ist aber unter einem flexiblen Wechselkursregime die Geldpolitik ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Belebung der Volkswirtschaft. Die Erhöhung des Geldangebotes lässt nämlich die Zinsen sinken, was zu Kapitalabfluss und einer schwächeren Währung führt, die dann wiederum die Wirtschaft durch wachsende Nettoexporte wachsen lässt.
Zum heutigen Zeitpunkt wird die Geldwirtschaft vieler Länder in der Tat durch flexible Wechselkurse und hohe Kapitalmobilität geprägt. In den frühen 60er Jahren aber muss eine Analyse der Konsequenzen einer solchen Struktur vielen als akademische Kuriosität vorgekommen sein. Fast alle Länder waren damals durch feste Wechselkurse, dem sogenannten Bretton-Woods-System, miteinander verbunden. Internationale Kapitalbewegungen waren in hohem Masse eingeschränkt, insbesondere durch ausgedehnte Kapital- und Wechselkurskontrollen. Während der 50er Jahre aber hatte Kanada, Mundells Heimatland, seine Währung auf einen flexiblen Wechselkurs gegenüber dem Dollar umgestellt und die Restriktionen im internationalen Kapitalverkehr gelockert. Mundells weitsichtige Analyse gewann im Verlauf der folgenden 10 Jahre an Bedeutung, als sich internationale Kapitalmärkte öffneten und das Bretton-Woods-System schliesslich zusammenbrach.
Marcus Fleming, der 1976 verstarb, war viele Jahre lang Deputy Director des IWF und war bereits zu der Zeit ein Mitglied der Abteilung, als Mundell ihr angehörte. Zur etwa gleichen Zeit wie Mundell präsentierte Fleming ähnliche Forschungsergebnisse über die Stabilisierungspolitik in offenen Volkswirtschaften. Die meisten Lehrbücher beziehen sich deshalb auf das Mundell-Fleming-Modell. In Bezug auf Tiefe, Reichweite und analytische Kraft aber gilt Mundells Forschung als überlegen.
Das ursprüngliche Mundell-Fleming-Modell unterliegt zweifelsohne bestimmten Grenzen. Zum Beispiel legt es (wie alle makroökonomischen Analysen dieser Zeit) hochgradig vereinfachende Annahmen über die Erwartungsbildung auf den Finanzmärkten zugrunde und nimmt an, dass Preise kurzfristig starr sind. Diese Schwächen wurden von späteren Arbeiten anderer Forscher beseitigt. Sie zeigten, dass graduelle Preisanpassungen und rationale Erwartungsbildung in die Analyse miteinbezogen werden können, ohne dass die grundlegenden Ergebnisse dadurch beeinflusst werden.