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Rente: Nur 35 Prozent der Jugendlichen sparen für die Altersvorsorge

Es sind erschreckende Ergebnisse: Nur 35 Prozent junger Menschen zwischen 17 und 27 Jahren sorgen für das Alter vor. Das resultiert aus der MetallRente Studie 2016 zum Thema "Jugend, Vorsorge, Finanzen". Damit erhöht sich das Risiko der Altersarmut erheblich. Welche Maßenahmen können getroffen werden? Was wünscht sich die Generation Y von der Politik?

Jugendliche haben kein Vertrauen in Altersvorsorge-Angebote
Die Herausgeber der aktuellen MetallRente Studie 2016 „Jugend, Vorsorge, Finanzen“ sind sich einig, dass die Politik jetzt handeln muss - denn einer ganzen Generation droht Armut im Alter. Die Generation Y hat zu wenig Vertrauen in die staatlich geförderten Modelle zusätzlicher Altersvorsorge, zu wenig Geld dafür oder beides. Das machen die Ergebnisse der Untersuchung deutlich. Zur Halbzeit der Rentenreform stellt die MetallRente Studie fest, dass deren Ziele bisher verfehlt wurden.

Anteil der Jugendlichen, die regelmäßig für die Altersvorsorge sparen

MetallRente-Geschäftsführer Heribert Karch zeigt sich alarmiert: „Die junge Generation wird immer mehr zur prekären Generation der Rentenpolitik. Die Staatsausgaben für die Altersversorgung in Deutschland befinden sich gemeinsam mit Polen, Spanien und Slowenien am Rande des oberen Drittels aller OECD-Staaten. Dennoch liegen die Lohnersatzraten – also das Verhältnis der Rente zum vorherigen aktiven Einkommen – in der Bundesrepublik am unteren Ende dieser Länder! Statt Generationen-Gerechtigkeit haben wir Unsicherheit. Es muss endlich gegengesteuert werden“.

Für die Untersuchung hat TNS Infratest Sozialforschung 2.500 junge Leute im Alter zwischen 17 und 27 Jahren zu ihren Vorstellungen für die persönliche Zukunft und über ihre Einstellungen und Strategien zur Altersvorsorge befragt. In den beiden MetallRente Studien von 2010 und 2013 wurde bereits klar: Die Jungen sind zwar grundsätzlich bereit, für das Alter vorzusorgen, aber nur eine Minderheit verfolgt tatsächlich tragfähige Strategien. Mit der dritten repräsentativen Befragung sind nun konkrete Trendaussagen über einen Zeitraum von sechs Jahren möglich. Vor 15 Jahren sei die Renten-Reform mit dem Argument eingeführt worden, mehr Generationengerechtigkeit herzustellen. Das Ergebnis sei jedoch weniger Gerechtigkeit.

Jugendliche erwarten mehr Spaß und sehen sich engagierter, aber weniger sparsam

„Die Mehrzahl der jungen Leute ist optimistisch, wenn sie an ihre eigene Zukunft denkt“, so der Jugendforscher Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, der alle drei Untersuchungen geleitet hat. Die positiven Erwartungen gegenüber den letzten Studien hätten sich gesteigert. Auch die Entwicklung Deutschlands beurteile die junge Generation zunehmend positiv. „Aber“, betont Hurrelmann, „die Generation Y zweifelt immer mehr an der privaten Vorsorge. Nur 35 Prozent aller Jugendlichen sparen regelmäßig für ihre Altersversorgung. Dabei erstaunt der Realitätssinn der jungen Leute. Ihnen ist klar, dass die Vorsorge-Angebote und die jetzigen Rahmenbedingungen kein angemessenes Leben im Alter sichern“.

Die Studie erfragt erstmals auch Haltungen zu Wegen, die Jugendlichen einen wirksamen Stupser (Nudge) in Richtung von mehr Vorsorge geben können. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die junge Generation manche Nudges – z.B. Spar-Automatismen - mehrheitlich befürwortet.  Im zweiten Teil blickt die Studie über den deutschen Tellerrand hinaus. Europäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen in ihren Beiträgen die Rentensysteme und Reformanstrengungen anderer Länder. Dabei wird deutlich: Nicht nur in Deutschland ist die nachhaltige Alterssicherung in Gefahr.

Jugendliche haben Zweifel am Ertrage der privaten Vorsorge und gehen von lebenslangem Arbeiten aus


Die 10 wichtigsten Fakten der MetallRente Studie 2016

  1. Die Mehrzahl der jungen Leute ist optimistisch, wenn sie an ihre eigene Zukunft denkt. 2016 gehen 73 Prozent von einer guten persönlichen Entwicklung aus („sehr gut“ 22 Prozent). Damit steigerten sich die positiven Erwartungen gegenüber den letzten Studien. Auch die Entwicklung Deutschlands beurteilt die junge Generation zunehmend positiv: 48 Prozent schätzen sie aktuell als gut ein („sehr gut“ 5 Prozent). 2010 lagen diese Zahlen noch bei 37 („gut“) und 1 Prozent („sehr gut“).
     
  2. Die junge Generation hat im Vergleich zu der Befragung 2013 weniger Angst um die deutsche Wirtschaft. So glauben nur 26 Prozent „voll und ganz“ („eher“ 34 Prozent), dass die Wirtschaft durch verschuldete Euro-Länder gefährdet ist. 2013 lagen diese Werte noch bei 34 bzw. 43 Prozent. Trotz Krise haben 22 Prozent „voll und ganz“ („eher“ 39 Prozent) Vertrauen in den Euro. Auch diese Werte entwickelten sich im Vergleich zu 2013 positiv.
     
  3. Die Generation Y zweifelt immer mehr an der privaten Altersvorsorge. So stimmen nur 23 Prozent „voll und ganz“ („eher“ 40 Prozent) der Aussage zu, dass man von einer privaten Vorsorge mehr erwarten kann als von der staatlichen Rente. 2010 waren es 31 bzw. 46 Prozent.
     
  4. Bei jungen Frauen sinkt die Angst vor Altersarmut. So haben aktuell nur 34 Prozent der Frauen „voll und ganz“ („eher“ 27 Prozent) Angst davor. 2010 lagen diese Werte noch bei 47 bzw. 24 Prozent. Nur 27 Prozent der jungen Männer teilen diese Angst „voll und ganz“ („eher“ 23 Prozent). Diese Werte sind im Vergleich zu den vergangenen Studien relativ konstant.
     
  5. Das Sparverhalten der jungen Leute ist stabil. Allerdings haben sich die Gründe dafür verschoben. 54 Prozent sparen regelmäßig und 30 Prozent ab und zu (2010: 53 Prozent / 31 Prozent). Die Sparer legten zum Beispiel mit 64 Prozent vermehrt Geld für eine Urlaubsreise zur Seite. (2010: 56 Prozent). Auch die Bereitschaft, für Ausbildung und Studium zu sparen, war höher (2016: 42 Prozent / 2010: 39 Prozent). Nur 35 Prozent aller Jugendlichen sparen regelmäßig für ihre Altersversorgung (2010: 38 Prozent). 49 Prozent sparen überhaupt (regelmäßig oder ab und zu) für das Alter (2010: 55 Prozent). Unter denen, die sparen, (16Prozent sparen überhaupt nicht), sind es 58 Prozent (2010: 66 Prozent).
     
  6. Die betriebliche Altersversorgung wird beliebter. Ihr Anteil stieg von 31 Prozent (2010) auf 40 Prozent (2016). Dagegen nutzen weniger junge Leute Riester-Produkte oder private Renten- bzw. Lebensversicherungen. So sank allein der Anteil der Altervorsorgesparer, die „riestern“, von 50 Prozent im Jahr 2010 auf 42 Prozent 2016.
     
  7. Die junge Generation will das Leben zunächst genießen und spart deswegen weniger für das Alter. So stieg der Anteil der jungen Sparer, die das „voll und ganz“ so sah, von 45 Prozent im Jahr 2010 auf 50 Prozent im Jahr 2016. Die Gruppe, die „voll und ganz“ kein oder kaum Geld für die Altersvorsorge hat, verringerte sich dagegen (2016: 38 Prozent / 2010: 42 Prozent). Insbesondere bei Frauen sinkt die Bereitschaft, für das Alter zu sparen (2016: 49 Prozent / 2010: 57 Prozent).
     
  8. Die betriebliche Altersversorgung ist deutlich bekannter als die RiesterRente: 39 Prozent könnten die bAV einem Freund erklären. Aber nur 27 Prozent trauen sich aktuell zu, die Riester-Förderung zu beschreiben. Das ist ein historisches Tief.
     
  9. Der Informationsbedarf in Sachen Altersvorsorge ist bei der jungen Generation groß. Aktuell wünschen sich 91 Prozent jährliche Informationen über ihre Ansprüche. Sie betonen aber zu 81 Prozent, dass diese verständlicher sein müssten. Nur zehn Prozent verfügen ihrer Meinung nach über zu viel und nicht über zu wenig Informationen.
     
  10. Die jungen Leute könnten sich mit automatischen Sparregelungen anfreunden. 65 Prozent würden dem zustimmen. Wenn so eine Sparregel mit einer Ausstiegsmöglichkeit und einer Bezuschussung kombiniert wird, steigt die Zustimmungsrate sogar auf 89 Prozent.

Betriebliche Altersvorsorger ist vor Riester, Lebens- und private Rentenversicherung

Die Politik muss jetzt die Weichen stellen
Die Politik muss jetzt die Weichen stellen, um die junge Generation vor Altersarmut zu schützen. Heribert Karch mahnt: „Wir befinden uns bereits in der Mitte des 30-jährigen Reformprozesses. Es ist an der Zeit, in einem Halbzeit-Gipfel mit allen Akteuren weitere Maßnahmen zu besprechen. Wenn man die betriebliche Altersversorgung wirklich stärken will, muss man vor allem Hindernisse beiseite räumen und bessere Rahmenbedingungen für die bAV schaffen. Dazu gehören die Vereinfachung der Förderung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Lösung gravierender Gerechtigkeitsprobleme“. Unter diesen Voraussetzungen könnten dann auch Modelle, die auf Sozialpartner setzen, erfolgversprechend sein, so
Karch.

Das Fazit von Prof. Dr. Hurrelmann: „So wie heute kann es nicht weitergehen. Denn selbst, wenn jemand vorbildlich in alle drei Säulen der Altersvorsorge einzahlt, kann er am Ende nicht mit einem zufriedenstellenden Ergebnis rechnen. Das System führt die jungen Leute an der Nase herum. Die Politik muss jetzt handeln. Denn sonst ist es für die junge Generation zu spät. Dann ist sie objektiv von Altersarmut bedroht. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern einfach eine Tatsache“.


Cover der Studie Jugend, Vorsorge, FinanzenLink zur MetallRente Studie 2016 "Jugend, Vorsorge, Finanzen"
https://www.metallrente.de/jugendstudie/

Das Buch zur Studie "Jugend, Vorsorge, Finanzen" kann für 12,95 Euro inkl. Mwst. oder als eBook für 11,99 Euro inkl. Mwst. bestellt werden.

Download [PDF, 12 Seiten - 1,0 MB]
Leseprobe Studie "Jugend, Vorsorge, Finanzen"

Download [PDF, 5 Seiten - 622 KB]
Inhaltsverzeichnis Studie "Jugend, Vorsorge, Finanzen"

 

Interview Prof. Dr. Klaus Hurrelmann und Prof. Dr. Christian Traxler: "Die Politik ist gefragt!"
Die beiben Mitherausgeber der Studie Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Hurrelmann und der Ökonom Prof. Dr. Christian Traxler forschen an der Hertie School of Governance Berlin. MetallRente sprach mit ihnen über die Thematik der Altersarmut und die Verantwortung der Politik.

Welche Ergebnisse haben Sie am meisten erstaunt?
Traxler: Auch 15 Jahre nach der Rentenreform hat sich noch keine Kultur zusätzlicher Vorsorge in Deutschland entwickelt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Tendenz geht bei der jungen Generation sogar in die entgegengesetzte Richtung.

Hurrelmann: Dem stimme ich zu. Doch zugleich erstaunt mich der Realitätssinn der jungen Leute. Es ist ihnen klar, dass die aktuellen Vorsorge-Angebote  kein angemessenes Leben im Alter sicherstellen.

Welche Erklärung haben Sie für das Vorsorgeverhalten der jungen Generation?
Traxler: Die jungen Leute sind mit der Altersvorsorge überfordert. Das hängt sicher mit der Tatsache zusammen, dass diese Entscheidungen äußerst komplex sind ... zumal sich die Jugendlichen einer schwer vorhersehbaren Zukunft gegenübersehen. Zugleich zeigt sich eine starke Gegenwartsfixierung. Junge Menschen sind vor allem mit der unmittelbaren Erfüllung akuter Bedürfnisse beschäftigt.

Hurrelmann: Diese Gegenwartsbezogenheit ist absolut nachvollziehbar. Denn die jungen Leute entscheiden sich für Dinge, die ihnen aktuell von Nutzen sind und nicht für etwas, von dem sie nicht wissen, ob es ihnen später tatsächlich hilfreich sein wird. Die Jugendlichen sparen aber nicht nur für den Konsum, sondern auch für Studium und Ausbildung. Ihnen ist klar, dass Bildung Vorteile am Arbeitsmarkt bringt und das Armutsrisiko senkt.

Die Studie belegt, dass die Generation Y in Sachen Altersvorsorge der Politik mehr Vertrauen entgegenbringt als privaten Akteuren. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Hurrelmann: Aus der Kenntnis der letzten Wirtschafts- und Finanzkrisen wissen die jungen Leute, wie unzuverlässig private Vorsorgeprodukte sind. Deshalb ist es eine ganz nüchterne und unideologische Erwägung, dass der Staat eher das Gemeinwohl im Sinne hat als Unternehmen.

Traxler: Die Skandale und Krisen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass Banken und Versicherungen stark an Glaubwürdigkeit verloren haben. Dagegen ist das Image der Politik vergleichsweise stabil. Die Skandale dort haben die Gesellschaft bei weitem nicht so erschüttert wie etwa die Finanz- und Wirtschaftskrisen.

Wie deuten Sie die Zustimmung der jungen Leute zu einer automatischen Sparregelung?
Traxler: Die beinahe einhellige Zustimmung zu einer automatischen Default-Sparregel fand ich sehr überraschend. Es scheint so, als wünschen sich Jugendliche einen Automatismus, der ihnen eigenständige Entscheidungen zumindest teilweise abnimmt. Zu dieser Interpretation passt auch, dass das Meinungsbild zu Nudging differenziert ist.  So lehnen die Befragten eine personalisierte Erinnerung an selbst gesetzte Sparziele ab. Sie wollen allem Anschein nach mit dem Thema nicht regelmäßig konfrontiert werden.

Hurrelmann: Hier wird die sehr pragmatische Einstellung der Generation Y sichtbar. Sie befürworten den sanften Paternalismus ... aber nicht in jeder Form: So begrüßen sie einen Automatismus, jedoch nicht die Aufforderung zur Eigeninitiative.

Was wird passieren, wenn es zeitnah keine weiteren Reformschritte bei der Altersvorsorge gibt?
Traxler: Ich bin mir sicher, dass sich der aktuelle Trend in der Zukunft fortsetzen wird und bei Jugendlichen die Aktivitäten für ihre Altersvorsorge nicht sprunghaft steigen werden. Damit steigt die Gefahr der Altersarmut. Allerdings ist diese Generation noch so weit von der Rente entfernt, dass sie auf die Politik in dieser Sache zurzeit noch kaum Druck ausübt.

Hurrelmann: Die Politik muss jetzt trotzdem handeln. Denn sonst ist es für die junge Generation zu spät. Dann ist sie objektiv von Altersarmut bedroht.  Das  ist  keine Schwarzmalerei, sondern einfach eine Tatsache.

Welche Tipps geben Sie jungen Menschen, damit ihre Aussichten auf finanzielle Sicherheit im Alter steigen?
Traxler: Sie sollten sich eigenständig mit Finanz- und Kapitalmärkten beschäftigen. Ein Schulfach wie „Wirtschaft und Finanzen“ könnte sie hierbei unterstützen. Erspartes in breit diversifizierte, passive Indexfonds anzulegen, würde z. B. langfristig Sinn machen. Grundsätzlich bin ich aber pessimistisch, dass sich die breite Masse eigenständig um Altersvorsorge kümmert. Hier ist eindeutig die Politik gefordert.

Hurrelmann: Und damit die Politik sich bewegt, müssten sich die jungen Leute  selbst politisch engagieren und ihre Vorstellungen offensiv vortragen. So wie heute kann  es jedenfalls nicht weitergehen. Denn selbst, wenn jemand vorbildlich in alle drei Säulen der Altersvorsorge einzahlt, kann er am Ende nicht mit einem  zufriedenstellenden Ergebnis rechnen. Das System führt die jungen Leute an der Nase herum.

Begriffserklärungen zu Nudging, sanfter Paternalismus, Default-Sparregel

Interview Heribert Karch: "Generationengerechtigkeit? Welche Generationengerechtigkeit?“
Im Interview mit Geschäftsführer der MetallRente Heribert Karch zum Thema Generationsgerechtigkeit, fordert er durchgreifende Maßnahmen, ohne die das Scheitern der Rentenreform vorprogrammiert sei. Karch im Interview über notwendige Konsequenzen.

Welche Schlüsse ziehen Sie aus den Studienergebnissen?
Karch: Vor 15 Jahren wurde die Reform eingeführt mit dem Argument, mehr Generationengerechtigkeit herzustellen. Der junge Mensch sollte im Umlagesystem weniger für den alten Rentner zahlen und stattdessen staatlich gefördert selbstverantwortlich für die eigene Rente vorsorgen. Obwohl er damit eigentlich entlastet werden sollte, ist das Ergebnis nun weniger Gerechtigkeit. Denn die Bereitschaft zur Vorsorge ist im Sinkflug, die Beteiligung an der privaten Riester-Rente sogar rückläufig. Wenn es eigenes Geld kostet, handeln die Menschen nun mal nicht automatisch im Sinne der Rentenreform. Die bAV wird zwar unter jungen Leuten immer beliebter. Dennoch konnte sich die zusätzliche Altersversorgung in der Generation Y nicht hinreichend durchsetzen. Damit wird sie von der vermeintlich gerechter behandelten zur prekären Generation der Rentenpolitik.

Welche Baustellen im Rentensystem muss der Gesetzgeber dringend angehen?
Karch: Das System verteilt Mittel wenig effizient. Die Staatsausgaben für die Altersversorgung in Deutschland befinden sich gemeinsam mit Polen, Spanien und Slowenien am Rande des oberen Drittels aller OECD-Staaten. Dennoch liegen die Lohnersatzraten - also das Verhältnis der Rente zum vorherigen aktiven Einkommen - in der Bundesrepublik am unteren Ende dieser Länder! Anstatt Generationengerechtigkeit haben wir Unsicherheit. Sogar ein Mensch, der im mittleren Einkommensbereich liegt, weiß oft nicht, ob er im Alter Rente oder Grundsicherung bekommen wird. Ihm droht damit die Anrechnung zusätzlicher Altersvorsorge auf die Grundsicherung. Dann macht das Alterssparen aber für viele kaum Sinn!

Die vorliegende Studie stellt verschiedene Reformansätze in einzelnen EU-Ländern vor. Kann Deutschland etwas aus diesen Lösungsansätzen für den weiteren Reformprozess lernen?
Karch: Alle Länder, die als erfolgreich gelten wie etwa Dänemark oder die Niederlande, haben einen Kern aus zwei Säulen: Staat und Betrieb. Die Teilnahme ist in diesen Ländern aber verbindlicher als in Deutschland. Einige nutzen auch ein sanftes Anschubsen, das Nudging, das in vielen Ländern erfolgreich angewandt wird.

Lässt sich die Nudging-Politik dieser Länder auf die aktuelle deutsche Situation übertragen?
Karch: Nein, jedenfalls nicht in der Fläche. Denn wir haben in der kapitalgedeckten Altersversorgung bereits eine sehr ausdifferenzierte Landschaft. Ein universelles Nudging wäre nur für einen Teil der Arbeitnehmer nützlich. Für den Teil, der bereits heute komplett in eine betriebliche Altersvorsorgung ohne Ausstiegsmöglichkeit einbezogen ist, wäre es sogar ein Rückschritt. Für einheitliche Modelle ist es zu spät. Machbar wäre aber eine sichere rechtliche Basis, die den Unternehmen und Tarifparteien - die es nützlich finden - eine automatische Teilnahme am Nudging ermöglicht.

Welchen konkreten Schritt schlagen Sie als Nächstes vor, um eine Reform der Reform einzuleiten?
Karch: Wir befinden uns in der Mitte des 30-jährigen Reformprozesses. Es ist an der Zeit, in einem Halbzeit-Gipfel mit allen Akteuren weitere Maßnahmen zu besprechen. Wenn man will, dass Tarifparteien mehr tun, muss man vor allem Hindernisse beiseite räumen und verbesserte Rahmenbedingungen schaffen. Dazu gehören die Vereinfachung der Förderung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Lösung gravierender Gerechtigkeitsprobleme.

Jugendliche wünschen sich verständliche Informationen zur Altersvorsorge

Fünf notwendige Konsequenzen in Sachen Rente: