Erfahrungsbericht Auslandsstudium in Australien
Sven Guzy, Student der Wirtschaftswissenschaften in Frankfurt, verbrachte ein Semester an der University of Newcastle. Sein Fazit: Do it! Go Australia!
Ich begann mein halbes Jahr Australien mit dem Ziel, ein Semester an einer englischsprachigen Universität zu verbringen und vier Fächer in meinen BWL-Schwerpunkten Personal, Organisation und Marketing belegen zu können - mit der Hoffnung, dass meine Studienleistungen in Deutschland anerkannt werden. Im Laufe dieser Unternehmung wurde das »Projekt Australien« aber noch etwas Größeres für mich: eine Erfahrung, alleine auf sich und zunächst ohne Kontakte zu sein, andere Kulturen kennen zu lernen und Freunde zu finden, die einmal nicht deutsch sprechen.
Vorbereitungen
Für einen guten Studenten gehört es sich, erst einmal eine ganze Reihe von Informationen einzusammeln, bevor die ersten Schritte für die Reisevorbereitungen getan werden können. Ich wollte eigentlich nur für ein Semester ins Ausland jetten, dort einige Kurse machen und diese mir dann zu Hause als Studienleistungen anerkennen lassen. Was so einfach klingt, ist aber mit einer Reihe von Problemen verbunden. Das wohl wichtigste ist die Prüfungsordnung, mit der jede Anerkennung steht und fällt: In der Regel müssen gewisse Formalien eingehalten werden, wie zum Beispiel die, dass nur Kurse anerkannt werden können, die im Ausland so genannte »Letztjahreskurse« sind (Kurse aus dem dritten Studienjahr).
Als ich mich mit der Prüfungsordnung und mit meinen Optionen beschäftigte, kam ich allerdings schnell zu dem Schluss, dass sich die Bürokratie und die Anerkennungsphilosophie meiner Universität mit meinen Plänen leider nicht vertrug. Das lag vor allem auch daran, dass die Studiumsstruktur hier in Deutschland nicht mit der im fernen Ausland übereinstimmt. Aus diesen Erfahrungen ergibt sich folgendes: Wenn dir eine Anerkennung deiner Auslandsleistungen wichtig ist, mache Gebrauch von den Partner-Angeboten deiner Uni. Rechne aber mit Ausschlussfristen. Lange Planungszeiten sind zu beachten. Platz für Spontanentschlossene gibt es hier nicht. Das Ziel eines Auslandsstudium ist aber auch dann nicht verfehlt, wenn man seine Studienleistungen nicht angerechnet bekommt. Der Fokus sollte auf der Sprache und neuen Erfahrungen mit Land und Leuten liegen. Das Wissen, das man sich so aneignet, ist für die zukünftige Karriere wichtiger als das Bestehen eines Faches, dessen Inhalt man ohnehin in einem halben Jahr wieder vergessen hat.
Eine wichtige Frage für mich war: In welches Land soll ich gehen und nach welchen Kriterien suche ich meine Uni aus? Das Land stand für mich schnell fest. Ich habe Australien ausgesucht, weil ich ein englischsprachiges Land besuchen wollte (und ich England und die USA schon kannte). Außerdem ist Australien ein äußerst attraktives Land, landschaftlich schön, warm und sicher. Doch nach welchen Kriterien sollte ich die Uni aussuchen? Die Entscheidung für Newcastle war am Ende eine Bauchentscheidung. Wenn ich ehrlich bin, habe ich die Kursangebote nicht wirklich intensiv geprüft. Der Grund dafür war, dass die Angebote der Unis mehr oder weniger gleich waren und man das Risiko, einen schlechten Professor zu bekommen, nicht eliminieren konnte. Für Newcastle sprach einiges: Es ist eine nicht zu große Stadt, liegt am Meer (und hat auch einige schöne Strände) und ist nur drei Stunden von Sydney entfernt. Außerdem war mir die Broschüre für Auslandsstudiengänge an der University of Newcastle sympathisch.
Studium
Ich hatte wirklich ein glückliches Händchen bei meiner Wahl. Der Campus der Universität ist ein riesiges, in sich geschlossenes Gebiet inmitten einer schönen Naturlandschaft. So schön die Landschaft war, so gut war auch die Organisation der Uni. Zu Beginn des Semesters bekamen alle internationalen Studenten in einer Orientierungswoche einen guten Überblick über die Uni und ihre Einrichtungen und Möglichkeiten. Für die Studenten aus Übersee wurden Trips zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in der Nähe organisiert, so dass die Kontaktaufnahme zu neuen Leuten erleichtert wurde.
Als dann endlich die erste Vorlesung begann, kannte ich mich schon aus, hatte bereits einige Freundschaften geschlossen, und der noch notwendig gewesene Papierkram war auch erledigt. Einen besseren Einstieg hätte es nicht geben können. Vor Ort hatte ich auch dann noch Gelegenheit gehabt, meine Kurswahl zu überdenken. Anstatt einen vierten BWL-Kurs zu nehmen, habe ich mich dazu entschlossen, einen speziellen Englisch-Kurs zu wählen mit dem Titel »Academic English for International Students«. Diese Entscheidung habe ich nicht bereut. Obwohl mein Englisch bereits recht gut war, konnte ich in diesem Kurs an meinem akademischen Schreibstil feilen. Außerdem war mir der Kurs auch eine große Hilfe beim Schreiben von einigen Aufsätzen auf englisch. Auch wenn ich mir diesen Kurs auf keinen Fall zu Hause anrechnen kann, war er mir eine große Hilfe.
Präsentationen waren von jedem Studenten (oftmals in Gruppenarbeit) in jedem Kurs gefordert. Der Lehrstil in Australien unterscheidet sich grundlegend von dem, was ich bislang in Frankfurt kennen gelernt habe. Anstatt dass alles von einer Klausur am Ende des Jahres abhängt, verteilt sich die Abschlussnote auf Aufsätze, Präsentationen, Kurztests und eine Abschlussprüfung. Dieses System war mir persönlich sehr sympathisch, vor allem weil so für mich das Wort Studieren eine ganz neue Bedeutung bekommen hat: Recherche war gefragt anstatt nur monotones Auswendiglernen aus Buchseiten. Eigene Gedanken und Initiativen waren gefordert. Nach drei Semestern BWL-Mathematik und Kurvenverschiebung mit fraglicher Praxisrelevanz sah ich zum ersten Mal einen Sinn in meinen Wirtschaftsstudien. Ich hatte ein Ziel vor Augen und nicht ausschließlich theoretische Konstrukte, die zwar das abstrakte Denken schulen, dafür aber wichtige soziale und psychologische Komponenten völlig außen vor lassen. Dieser Aha-Effekt war für mich äußerst wichtig, und ich war dankbar für diese Erfahrung.
Das Studium war interessanter und arbeitsintensiver als zu Hause in Frankfurt, auch wenn ich sagen muss, dass der Stoff als solcher zu keinem Zeitpunkt richtig herausfordernd war. Die Uni Frankfurt stellt höhere Ansprüche an das Denkpotenzial eines Studenten, das muss ich deutlich hervorheben. Hier in Newcastle kann man alles mit erhöhtem Arbeitspotenzial kompensieren. Die Frage, welches der beiden Lehrmodelle besser ist, ist schwer zu beantworten. Ich würde eine Kombination beider sehr begrüßen. Am Ende konnte ich jedenfalls doch meine Auslandsleistungen zum Teil in mein Studium einfließen lassen (mit insgesamt 10 Kreditpunkten). Doch trotz eines kleinen Studienzeitopfers von zwei Semestern (das australische Semester läuft nicht parallel zu den deutschen, so dass ich für ein Semester zwei zu Hause sausen lassen musste), glaube ich trotzdem an meinen Gewinn. Denn ich fühle mich um mindestens 50 Kreditpunkte internationaler Erfahrung reicher, die mir keiner mehr nehmen kann.
Leben
Schon einmal folgendes erlebt: Du willst Urlaub machen, und das weit weg von Deutschland, damit du auch einmal andere Kulturen kennen lernst. Und was passiert? Du kommst in deiner Unterkunft an (es ist dabei völlig egal, ob du nach England, Frankreich, Marokko, Jamaika, Venezuela oder Barbados reist), und sofort findest du Deutsche. Natürlich bleibt man dann auch schön mit diesen Leuten zusammen. Das gehört sich schließlich so. Und was passiert mit dem interkulturellen Austausch? Der kommt meistens zu kurz, weil man oft schon mit den innerdeutschen Differenzen genug zu tun hat. So etwas wollte ich bei meinem Auslandsstudium nicht erleben. Und ich hatte Glück: Edwards Hall (kurz: Teds) ist der Name des Hauses, in das ich mich für ein Jahr lang einquartierte. Teds ist ein typisch australisches Studentenhaus, in dem ich ein kleines Zimmer für mich hatte und den Rest - Bad, Küche und TV-Raum - mit anderen Leuten teilte. Frühstück und Abendessen wurde in der Dining Hall eingenommen - Kochen war während meines Australienaufenthalts demnach nicht nötig. Wer zu Mittag einen kleinen Snack wollte, konnte die Einrichtung des Tea Rooms nutzen: Kühlschrank, Mikrowelle und Wasserkocher waren die wichtigsten Geräte, um tagsüber über die Runden zu kommen.
Zugegeben: Übermäßigen Luxus gab es nicht. Während der kühlen Jahreszeit konnte der kleine tragbare Heizer schon einmal seine Mühen haben, für genügend Wärme zu sorgen. Doch im Gegenzug wehe denen, die im Sommer das Fenster zur Nordseite haben (ja, in Australien steht dort die Sonne)! Ohne einen Stehventilator konnte Teds zu einem wirklichen Backofen werden. Zum Studieren sucht man in der Jahreszeit besser die klimatisierte Bibliothek auf.
Wer nur des Studierens wegen nach Teds kommt, der sei schon einmal vorgewarnt: Die Wände sind dünn und die Massen »always in party mood«. Wer sich da nicht locker macht, hat verloren. Doch in meinen Augen ist das echtes Studenten-Feeling. Im Übrigen sind die Australier auch nette, umgängliche Typen, die äußerst hilfsbereit sind - in welcher Angelegenheit auch immer. Ich habe mich selten in einer großen Gruppe so wohl gefühlt wie unter den jungen Leuten down under - solange sie nüchtern sind (das exzessive Kampftrinken schockt manchmal selbst das abgebrühte deutsche Gemüt). Neben dem großzügigen Freizeit-Angebot der universitären Gruppierungen gibt es auch Teds-interne Veranstaltungen. Von sportlichen Wettkämpfen, in dem man die Ehre seines Hauses Harry-Potter-like gegen andere (es gibt noch Barahineban, International House und Evatt) verteidigt, gibt es Fun-Events mit Bezeichnungen wie Hall Ball, Autonomy Day, Traffic Light Party oder Retro Night. Langweilig wird es neben dem Studium daher auf keinen Fall.
In Teds war ich der einzige Deutsche. Neben der Unzahl australischer Studenten traf ich dort noch auf einige Skandinavier, drei Afrikaner, eine kleine Schar Asiaten (Japaner, Südkoreaner und Chinesen) und vereinzelt noch andere Europäer (einen Engländer, einen Franzosen, and that´s it!). Jetzt hätte ich fast die Amerikaner vergessen - sie belegten Platz 2 der Tedschen Populationsdichte. Ich freute mich natürlich über dieses internationale Publikum. Ich muss sagen, dass ich genug Zeit hatte, viele interessante Bekanntschaften zu schließen. It was really mind-expanding. Um ein abschließendes Fazit loszuwerden: Teds war die optimale Unterkunft, um ein halbes Jahr lang australische Luft zu schnuppern und dabei noch in international vielfältiger Gesellschaft zu sein. Es war ein Ereignis, das prägte und mir in Erinnerung bleiben wird. Ich kann mich der Meinung meiner Studienkollegen in Newscastle nur anschließen: Do it! Study abroad! Go Australia!
Reisen in Australien
Wer Australien besucht, muss sich zu Beginn über einige Dinge klar sein: Erstens ist das Land der Kängurus größer, als man denkt, und zweitens betritt man eine Naturwelt von immensem Ausmaß: Von regenarmen Wüstenstreifen über fruchtbare Regenwälder zu schönen Unterwasserlandschaften hat Australien einiges zu bieten. Der Pauschaltourist wird sich daher über einen Besuch in Australien gleich mehrfach freuen: Für die teure Reise bekommt man nämlich einiges geboten.
- Am Meer
Dunk Island ist wohl einer der kleinen Geheimtipps. In der Nähe von Mission Beach gelegen, erreicht man die Insel mit einem kleinen Boot. Das Land, das die Inselsüchtigen dann betreten, bietet menschenleere Strände und schöne Wanderwege in dem Regenwaldgebiet der Insel. Ich habe vorher nicht geglaubt, dass es solche Strände wirklich gibt. Wem es allerdings zu langweilig ist, ständig am Strand zu sitzen, der kann sich auf eine der Rifftouren begeben und das größte Korallenriff der Welt besuchen: zwei Stunden Bootsfahrt auf offener See muss man aber schon in Kauf nehmen, um dann das Great Barrier Reef zu erschnorcheln. Es lohnt sich aber - sofern man nicht den hohen Wellengang scheut und einen schwachen Magen hat. - Die Outbacks
Wer sich vom Wasser wegbewegen möchte, der kann mit dem Auto eine der verlassenen Straßen in das Landesinnere Australiens nehmen und eine Brise Outback-Luft schnuppern. Es gibt dort immer noch Plätze, die der Mensch noch nicht angetastet hat. Dazu gehört auch der Warrumbungles National Park. Wem die Outbacks aber noch nicht trocken genug sind, dem rate ich, nach Newcastle zu kommen und eine Sandsafari am Stockton Beach zu machen. Der Sand der Dünen lässt nahezu vergessen, dass man dem Meer doch wieder ziemlich nahe ist. - In den Bergen
Zwar kann Australien meines Erachtens nicht mit schweizerischen Bergen konkurrieren, dennoch hat es »Berge«, die einen Besuch lohnen: zum Beispiel die Blue Mountains in der Nähe von Sydney. - Tierwelt
Wer Australien besucht, darf aber auch nicht vergessen, die einzigartige Tierwelt zu begutachten. Doch ich denke einmal, dass der Besuch von Mr Kroko und Mrs Koala ohnehin auf der To-Do-Liste ganz oben steht. Doch wer mit einem Koala schmusen möchte, der sei gewarnt: Die kleine Bälger stinken bestialisch; außerdem kann ein Koala mit seinen Krallen auch ganz schön böse zuhauen.
Der AutorSven Guzy ist Student der Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Personal & Organisation an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität zu Frankfurt. Im Jahr 2002 studierte er für ein Semester im Rahmen eines »Study Abroad«-Programms in Australien an der University of Newcastle. Als Mitarbeiter in einer Kommunikationsagentur interessiert er sich vor allem für die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit.
In seiner Rolle als erster Vorsitzender der Studenteninitiative Market Team in Frankfurt (2001-2002) betreute Sven Guzy unter anderem ein Führungstrainings-Kolloquium und ein Projekt zu Präsentationen. Im Sommer 2002 lernte er bei Hessens meistgehörtem Radiosender als Praktikant die Grundregeln des Radiojournalismus. Privat interessiert er sich darüber hinaus für digitale Bildbearbeitung, Webdesign und Schreiberei.
Sven Guzy im Internet: www.guzyman.de, Email: click@guzyman.de
Alle Fotos: Sven Guzy