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Berufs- & Studienwahl Studienanfänger

Höhere Studienanfängerquoten ein Scheinerfolg?

Die Zahl der neuen Studierenden ist insgesamt um 20.000 hinter den zu erwartenden Werten zurückgeblieben - sonst wäre die Studienanfänger-Zielquote von 40 Prozent schon dieses Jahr erreicht worden.

Blick in einen Hörsaal der Universität Münster.

Höhere Studienanfängerquoten ein Scheinerfolg?
Berlin, 03.12.2008 (fibs) - Das Statistische Bundesamt hat heute einen Rekord bei der Zahl der Studienanfänger sowie der Studienanfängerquote vermeldet, der den mehrjährigen Abwärtstrend durchbricht. Dieses Hoch soll aber nicht über die gesunkene Ausschöpfungsquote unter den Studienberechtigten, insbesondere in den alten Ländern hinweg täuschen: Die Zahl der neuen Studierenden ist insgesamt um 20.000 hinter den zu erwartenden Werten zurückgeblieben - sonst wäre die Studienanfänger-Zielquote von 40 Prozent schon dieses Jahr erreicht worden.

Mit 385.500 Studienanfängern haben so viele junge Menschen wie noch nie ein Studium an den deutschen Hochschulen aufgenommen. Dies ist eine für alle Seiten erfreuliche Entwicklung. Sie entspricht aber nach aktuellen Berechnungen des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) nicht dem Ausschöpfungspotenzial, das sich aus der Zahl der Hochschulzugangsberechtigten ergibt: Während die Zahl der Studienberechtigten zwischen 2005 und 2008 um rund 50.000 angestiegen ist und derzeit bei knapp 450.000 liegt, ist die der Studienanfänger nur um 30.000, das heißt von 356.000 auf 385.000 gestiegen. Mithin haben vor allem in den westdeutschen Bundesländern 20.000 junge Menschen weniger ein Studium an einer deutschen Hochschule aufgenommen, als eigentlich zu erwarten gewesen wäre, wenn sich der Trend bei den Studienberechtigtenzahlen auch auf die Hochschulanfängerzahlen übertragen hätte. Die Erfolgsmeldung ist daher nach Ansicht von Bildungsökonom Dr. Dieter Dohmen, Direktor des FiBS, teilweise ein statistischer Scheinerfolg.

Beim Blick auf die einzelnen Bundesländer zeigt sich, dass sich in Baden-Württemberg (-4.500), Nordrhein-Westfalen (-11.500) und Niedersachsen (-2.000) erheblich weniger Schulabgänger an den Hochschulen einschrieben, als nach der Entwicklung der Studienberechtigtenzahl zu erwarten gewesen wäre. Die meisten ostdeutschen Länder sowie Hamburg liegen hingegen über den jeweiligen Erwartungswerten: Hier haben mehr junge Menschen ein Studium aufgenommen, als das jeweilige Bundesland an Studienberechtigten hat. Mecklenburg-Vorpommern zeigt jedoch eine erhebliche Diskrepanz angesichts doppelter Abitur-Jahrgänge. Während die Zahl der Abiturienten um rund 7.000 anstieg, haben hier nur 500 davon im Land selbst ein Hochschulstudium begonnen. Es liegt daher nahe, dass die starken Zuwächse in Brandenburg und Hamburg zu einem erheblichen Anteil auch auf den doppelten Abiturientenjahrgang in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr zurückzuführen ist. Mehr Studienanfänger als erwartet haben hingegen Berlin (+1.700), Brandenburg (+1.000), Hamburg (+1.500), Sachsen-Anhalt (+2.300) und Thüringen (+1.400) zu verzeichnen.

Betrachtet man mit Brandenburg und Hessen zwei Länder, die im Vergleich zum Vorjahr besonders hervorstechen, so spricht viel für die Annahme, dass sie von verzögerten Wanderungsbewegungen aus Sachsen-Anhalt profitiert haben. Zugunsten von Brandenburg dürfte sich ferner der doppelte Abiturientenjahrgang des Nachbarn Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr auswirken. In Hessen ist ferner nicht auszuschließen, dass auch die Abschaffung der Studiengebühren zum deutlichen Anstieg der Studienanfängerzahlen beigetragen hat. Betrachtet man die beiden Länder Bremen und Sachsen, die entgegen dem Trend leichte Rückgänge gegenüber dem Vorjahr verzeichnen, dann hatten beide starke Anstiege im vergangenen Jahr. Insofern können hierfür auch normale Schwankungen verantwortlich sein.

»Dass die Studienanfängerquote auf fast 40 Prozent gestiegen ist, ist zu begrüßen,« meint Bildungsökonom Dohmen. »Allerdings ist auch dies nur bedingt als wirklicher Erfolg der Bildungspolitik zu verbuchen. Maßgeblich sind deutlich gestiegene Abiturientenzahlen, zum Teil bedingt durch die ersten doppelten Abiturjahrgänge, die nun an die Hochschulen strömen. Die Studienanfängerquote wäre um zwei Prozentpunkte höher, wenn alle studierwilligen jungen Menschen einen Studienplatz bekommen hätten. Insofern sollte das Ziel einer Studienanfängerquote von 40 Prozent auf 50 Prozent heraufgesetzt werden, um den sich abzeichnenden Fachkräftemangel entschiedener zu bekämpfen.«

Für die kommenden Jahre sind daher noch größere Anstrengungen als bisher geplant erforderlich, um der stark wachsenden Zahl der Studienberechtigten gerecht zu werden. 2011 und 2013 sind jeweils noch einmal 50.000 Studienberechtigte mehr zu erwarten, von denen der Großteil auch an die Hochschulen will, so die Ergebnisse des FiBS. Dies dürfte in diesem Zeitraum einschließlich der vom Wissenschaftsrat geforderten Verbesserung der Personalausstattung rund 30 Milliarden Euro kosten. »Der Hochschulpakt II muss sich dieser Anforderung stellen,« erklärt der erfahrene Institutsleiter. »Sollte dieser Ausbau nicht erfolgen, werden viele junge Menschen nach dem Abitur Warteschleifen drehen und gezwungenermaßen wertvolle Lebenszeit verschwenden, die durch die Verkürzung der Schulzeit gewonnen werden sollte. Durch einen verstärkten Andrang auf berufliche Ausbildungsplätze werden außerdem andere junge Menschen mit einem Real- oder Hauptschulabschluss verdrängt, die dann keinen Ausbildungsplatz erhalten werden. Hier ist ein übergreifendes bildungspolitisches Konzept gefordert.«