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Kommentar zur EZB-Geldpolitik von Christian Burckhardt

Börsen-Zeitung: Monetäre Prävention geboten - Geldüberschuss erzeugt künftigen Inflationsdruck. Das Image der EZB als strenger Geldwerthüterin hat gelitten.

Kommentar zur EZB-Geldpolitik von Christian Burckhardt
Frankfurt, 29.11.2004 (ots) - Großer Zustimmung erfreut sich die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Denn ihr Rat hält den Leitzins seit Juni 2003 auf dem historischen Tief von 2% und deutet vorerst – nach dem September- Intermezzo vorsichtiger Zinserhöhungssignale – keine Abkehr vom expansiven Kurs an. Beifall spenden Ökonomen und Politiker, die meinen, die EZB müsse mehr im Dienste der Konjunktur als der Preisstabilität – ihrem Kernmandat – agieren. Ginge es nach ihnen, sollte sie nun noch eine Schippe drauflegen: die wachstumsdämpfende Euro-Aufwertung durch Devisenmarkteingriffe stoppen und den Zins weiter senken. Doch der Rat muss langsam um seine Glaubwürdigkeit bangen.

So verständlich das von Kurzfristorientierung bestimmte Interesse vieler Marktakteure und Politiker am billigen Geld ist, so bedenklich stimmt, wie gering die EZB die Inflationsgefahr auf mittlere bis lange Sicht trotz gegenteiliger Beteuerung de facto schätzt. Während die Notenbanken der USA (Fed) und anderer Länder die Wende in Richtung auf ein neutrales Niveau 2004 vollzogen, blieb die EZB auf expansivem Geradeaus-Kurs.

Die Folgen sind: Der Realzins liegt bei null oder weniger – weit unter dem realen Wachstum von fast 2%, und der Geldangebotsüberschuss steigt wie Europas Butterberg in den achtziger Jahren. Obwohl der EZB-Rat die These vertritt, dass Inflation langfristig ein monetäres Phänomen ist, also vom Geldangebot bestimmt wird, duldet er ungeachtet der eigenen Warnungen das seit Mitte 2001 zu hohe Geldmengenwachstum. Erst galt es als wenig brisant, weil von Portfolioumschichtungen getrieben und weil die Konjunktur mau war. Nun soll die Konjunktur nicht kräftig genug sein, um einschreiten zu können.


Güte Gründe für eine Zinsanhebung
Eine Zinsanhebung auf 2,50% ist unpopulär, aber es gibt dafür gute Argumente:

(1) Der Geldüberschuss erzeugt künftigen Inflationsdruck bei den Verbraucher- und/oder Vermögenspreisen. In letzterem Fall droht eine spekulative Preisblase, deren Platzen eine Finanzmarkt- und Konjunkturkrise auslösen kann.

(2) Je länger die Phase des Niedrigzinses, der einer Subvention ähnelt, dauert, desto schwerer fällt der Wirtschaft die Anpassung an höhere Zinsen.

(3) Die Geldpolitik wirkt mit etwa zwei Jahren Verzögerung, das verlangt frühes Handeln.

(4) Eine Zinskorrektur würgt nicht den Aufschwung ab.

(5) Das Image der EZB als strenger Geldwerthüterin hat gelitten. Ihren Warnungen vor monetären Risiken müssen Taten folgen. Geboten ist ein Kurs der dosierten Prävention wie jener der Fed im Sinne einer weitsichtigen Geld- und Finanzstabilitätspolitik. Wehret den Anfängen ist ein Prinzip, das gerade die unabhängige Geldpolitik beherzigen sollte.

http://www.ecb.de

ots-Originaltext: Börsen-Zeitung