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Studie-Internet-Telefonie: Die Voice over IP-Lawine rollt an

VoIP-Technik besitzt Potenzial für den Massenmarkt - 30 Prozent der Kunden würden wechseln - Traditionelle Telefongesellschaften sind die Gewinner

Eine Ananas in Szene gesetzt auf der Straße an einer Telefonzelle.

Voice over IP-Internet-Telefonie - Die Lawine rollt an
München, 17.07.2004 (mc) - Die Internet-Telefonie hat das Potenzial zur Eroberung des Massenmarktes. Das ist das Ergebnis einer Studie von Mercer Management Consulting zu der in Fachkreisen »Voice over Internet Protocol (VoIP)« genannten Technik. Die auf einer Befragung von 1.000 Verbrauchern in den USA und Großbritannien beruhende Studie zeigt, dass der VoIP-Markt tatsächlich große Potenziale besitzt. Jeder fünfte Festnetzanschluss könnte ersetzt werden - aber nur, wenn sich die Angebote deutlich verbessern. Die derzeitige Qualität der Internet-Telefonie spricht ausschließlich sehr preissensible Verbraucher und Technologie-Freaks an. Die meisten Verbraucher schrecken vor der mangelnden Sprachqualität und der geringen Verfügbarkeit zurück. Zudem möchten sie ihre Telekommunikation nur ungern den neuen, unbekannten Gesellschaften anvertrauen, die heute VoIP anbieten. Eine Chance also für die etablierten Anbieter, mit verbesserten Angeboten den Markt für sich zu sichern.

Wie groß der Markt für internetgestützte Sprachtelefonie wirklich ist, und wie schnell er wächst, darüber orakeln die großen Marktforschungsinstitute seit langem. Gartner Dataquest schätzt den westeuropäischen VoIP-Umsatz im Jahr 2002 auf 965 Millionen Euro. Bis 2007 soll er auf 3,6 Milliarden Euro steigen und 2010 mehr als die Hälfte des europäischen Gesamtumsatzes von derzeit etwa einer Billion Euro ausmachen. Als sicher gilt, dass der interne Daten- und Sprachverkehr der Telefongesellschaften aus Kostengründen schrittweise komplett auf Internet-Technologien umgestellt werden wird.

Im Geschäftskundenbereich setzt sich VoIP bereits stark durch. Allein im Jahr 2003 wuchs der Markt für Telefonanlagen, die zur Internet-Telefonie fähig sind, um 55 Prozent. Die Unternehmen haben klar erkannt, dass sie auf diese Weise ihre Telekommunikations-Investitionen zukunftsfähig machen können. Mercer erwartet hier ein Einsparpotenzial von etwa 30 Prozent durch VoIP. Diese werden zwar zunächst nicht durch geringere Zugangs- und Gesprächskosten erreicht, dafür halbieren sich aber die Kosten für Telefonanlagen, Software und Service.

Die größten Unsicherheiten hinsichtlich der Akzeptanz von VoIP gab es bislang im Privatkundenbereich. Mercer hat sich daher in einer soeben veröffentlichten Befragung von 1.000 Kunden in Großbritannien und den USA mit den tatsächlichen Entscheidungsgründen der Kunden befasst - mit einem überraschenden Ergebnis:

Sprachqualität ist Grundvoraussetzung
Es kommt auf die Basics an: Beim derzeitigen Qualitätsniveau würden lediglich zwei Prozent der Verbraucher VoIP-Angebote nutzen. »Die Mehrheit der Befragten akzeptiert keine abgebrochenen Telefonate, schlechte Sprachqualität und Verzögerungen bei der Übertragung, wie sie heute bei VoIP-Angeboten noch an der Tagesordnung sind«, sagt Klaus von den Hoff, Telekommunikationsexperte bei Mercer. Auch ein noch so preisgünstiges VoIP-Angebot würde nur wenig Erfolg haben: Die Studie zeigt, dass selbst kostenlose Telefonate im eigenen Netz - so genannte On-net-Calls - unter diesen Bedingungen nicht attraktiv sind. Sobald die VoIP-Qualität dem Niveau der heutigen Telefonie entspricht, bricht der Damm: Fast 30 Prozent der Kunden würden ein VoIP-Angebot annehmen, 20 Prozent sogar ihren Festnetzanschluss kündigen. Damit steht die Internet-Telefonie fraglos vor dem Durchbruch zum Massengeschäft, da Qualitätseinschränkungen nach Ansicht der Mercer-Experten in kürzester Zeit überwunden sein werden.

Neueinsteiger haben wenig Chancen
Wird es dann zu einer Erosion bei den Festnetzteilnehmern kommen, wie derzeit von den traditionellen Telekom-Konzernen befürchtet? Zumindest in diesem Punkt geben die Mercer-Berater Entwarnung: Der Markt für niedrigpreisige Internet-Telefonie wird von den klassischen Playern dominiert werden und nicht von Neueinsteigern wie Skype oder Vonage, die heute vorne liegen. »Etablierte Anbieter haben enorme Vorteile,« so Klaus von den Hoff, »für Neueinsteiger ohne Kundenbasis ist das Spiel nicht zu gewinnen, zu wichtig sind Faktoren wie Vertrauen und Zuverlässigkeit.«

Trotz Kostenreduktion durch Umstellung auf VoIP-Technik wird die Internet-Telefonie tiefe Spuren in den Bilanzen der Festnetzanbieter hinterlassen. Die drei großen europäischen Player British Telecom, Deutsche Telekom und France Télécom erwarten Umsatzausfälle von jeweils 1,5 bis zwei Milliarden Euro im Jahr 2008 und sechs bis sieben Milliarden Euro im Jahr 2010. Der Umsatzrückgang entsteht vor allem durch wesentlich geringere Gesprächsgebühren.

Die Telekom-Konzerne sind gegenüber dieser Entwicklung so gut wie machtlos. »Die Telefongesellschaften können die IP-Telefonie nur verzögern, aber nicht aufhalten«, sagt Klaus von den Hoff. »Unsere Modellrechnungen zeigen, dass jede Gegenmaßnahme auf breiter Front mehr Umsätze kannibalisieren, als Kunden von einer Abwanderung abhalten würde.«

Fünf zentrale Erfolgsfaktoren
Die Mercer-Studie ergibt fünf kritische Erfolgsfaktoren, die die verschiedenen Player - Festnetzanbieter, Mobilfunkunternehmen, Kabelnetzbetreiber, Internet Service Provider, VoIP-Spezialisten - berücksichtigen müssen, um sich in diesem neu entstehenden Markt eine aussichtsreiche Position zu sichern:

1. Sprachqualität mindestens auf Festnetzniveau ausrichten
ISDN setzt den Standard bei Sprachqualität und Verfügbarkeit, Mobilfunk bei Komfort und Software. Telefonie, die diesbezüglich darunter liegt, wird vom Verbraucher nicht angenommen. Die Mercer-Befragung identifizierte die Sprachqualität als sensibelste Eigenschaft: 37 Prozent der Befragten gaben an, eine niedrigere Qualität als beim jetzigen Festnetztelefon nicht akzeptieren zu wollen, 29 Prozent empfanden gar CD-Qualität als Kaufgrund für IP-Telefonie. 33 Prozent nannten das Abbrechen der Verbindung, wie man es vom Mobilfunk kennt, als Kaufhindernis für ein neues IP-Telefon.

2. Mehr bieten als nur Telefonate zu kleinen Preisen
Die meisten Verbraucher sind durch das niedrige Preisniveau im Festnetz kaum noch preissensibel. Senkt man die VoIP-Grundgebühr auf die Hälfte der Festnetz-Grundgebühr, erreicht man 2,9 Prozent mehr Käufer. Eine Halbierung der Verbindungspreise lockt weitere 1,5 Prozent neue Kunden an. Das größte Potenzial liegt in einer besseren Sprachqualität und höheren Verlässlichkeit. Könnte VoIP hier Festnetzniveau erreichen, ergäbe sich ein Marktanteil von weiteren sechs Prozent.

3. In Produktmerkmale investieren, denen der Kunde echten Wert beimisst
Die Mercer-Studie zeigt, dass die Verbraucher nicht an zusätzlichen Features (wie SMS oder drahtlose Geräte mit Handy-Funktionen) und Anrufmanagement-Funktionen interessiert sind, wogegen ihnen CD-Qualität bis zu sieben Euro pro Monat zusätzlich wert ist.

4. Maximierung des Wertes aus bestehenden Kundenbeziehungen
Die Markenpräferenzen der Kunden für den häuslichen Telefonservice verschaffen den großen Playern, aber auch Internet Service Providern wie AOL einen klaren Vorteil. Ihre Attraktivitätswerte als VoIP-Anbieter lagen bis zu 35 Prozent über denen von Start-ups wie zum Beispiel Skype, überraschenderweise auch über denen von Mobilfunkanbietern.

5. Wissen, was es bedeutet, Anschlussleitung und Telefonnummer zu kontrollieren
Die Befragung zeigt, dass die Verbraucher vor allem an der Beibehaltung der Telefonnummer interessiert sind. Nur die Hälfte der befragten europäischen Kunden würde zu VoIP wechseln, wenn damit eine Rufnummernänderung verbunden wäre. Oder anders herum gesagt: Allein die Nummern-Portabilität könnte 4,8 Prozent des privaten Telefonmarkts für VoIP erschließen.


Für die einzelnen Marktplayer sehen die Mercer-Berater folgende Optionen: