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Steuern: News & TippsPENDLERPAUSCHALE

Kürzung der Pendlerpauschale verfassungswidrig

Der Bundesfinanzhof (BFH) entscheidet im ersten Musterverfahren, dass die seit dem 1. Januar 2007 bestehende Gesetzeslage, nach der die Entfernungspauschale für die ersten 20 Kilometer für Fahrten zur Arbeit gestrichen ist, mit der Verfassung unvereinbar ist.

Der Schein eines vorbei fahrenden Busses an einem Wartehäuschen mit Sitzen bunten Streifen.

Kürzung der Pendlerpauschale verfassungswidrig
Darmstadt, 30.01.2008 (ots) - Der Bundesfinanzhof (BFH) entscheidet im ersten Musterverfahren, dass der Lohn- und Einkommensteuer Hilfe-Ring Deutschland e.V. (LHRD e.V.) führt, dass die seit dem 01.01.2007 bestehende Gesetzeslage, nach der die Entfernungspauschale für die ersten 20 Kilometer für Fahrten zur Arbeit gestrichen ist, mit der Verfassung unvereinbar ist. Der BFH hat in seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung über das vom LHRD e.V. geführte Musterverfahren eines Bäckermeisters gegen die Kürzung der Pendlerpauschale entschieden, dass die aktuelle Gesetzeslage gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung verstößt und Familien unangemessen benachteiligt. Geklagt hatte ein verheirateter Bäckermeister, der ebenso wie seine berufstätige Ehefrau morgens zur Arbeit fährt. Die Arbeitsstellen beider Eheleute befinden sich in entgegengesetzter Richtung, für den Ehemann in einer Entfernung von ca. 70 km und für die Ehefrau in einer Entfernung von ca. 38 km. Aufgrund der seit dem 01.01.2007 bestehenden Gesetzeslage können beide Eheleute Fahrtkosten für die ersten 20 km nicht mehr steuerlich absetzen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Antrag auf Eintragung eines Freibetrags auf seiner Lohnsteuerkarte. Dies wurde vom zuständigen Finanzamt jedoch unter Hinweis auf die neue Rechtslage abgelehnt.

Der Bundesfinanzhof hat jetzt entschieden, dass die neue gesetzliche Regelung, nach der Fahrtkosten zur Arbeit nicht mehr als Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden können, verfassungswidrig ist. Nach Auffassung der Richter verstoße diese Regelung gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot gem. Artikel 3 des Grundgesetzes. Aus dieser grundrechtlichen Norm ergebe sich für das Einkommensteuerrecht das Grundprinzip, dass nur diejenigen Einkommensteile besteuert werden dürfen, die den Steuerpflichtigen tatsächlich zur Verfügung stehen. Dies sei bei Kosten für Fahrten von der Wohnung zur Arbeit und zurück nicht der Fall. Es handelt sich hierbei um Aufwendungen, die allein durch die Berufstätigkeit entstehen. Damit erteilen die Richter der Auffassung des Bundesfinanzministeriums (BMF), diese Aufwendungen seien durch die Wahl des Wohnorts wenigstens privat mit veranlasst, eine Abfuhr. Zwischen den entstehenden Kosten und der Berufstätigkeit bestehe ein Ursächlichkeitszusammenhang, der so evident sei, dass an der beruflichen Veranlassung dieser Kosten kein vernünftiger Zweifel bestehe. Insoweit hält der BFH die gesetzlichen Änderungen auch nicht für folgerichtig.

Auch mit anderen Rechtsbereichen, z.B. dem Sozialrecht, hält er die Argumentation des beklagten Finanzministeriums, die gesetzliche Neuregelung sei sozial ausgewogen, nicht für stichhaltig. So würden im Sozialrecht bei der Gewährung von Arbeitslosengeld I notwendige Erwerbsaufwendungen, unter anderem Fahrtkosten zur Arbeit weiterhin auch für die ersten 20 km, allerdings nur in Höhe von 20 Cent pro km, anerkannt. Diese Unterscheidung hält der Bundesfinanzhof sachlich nicht für gerechtfertigt und das allgemeine Gleichbehandlungsge-bot auch unter diesem Gesichtspunkt verletzt. »Wir fühlen uns bestätigt, dass der Bundesfinanzhof unsere verfassungsberechtigten Bedenken teilt«, so Vorstand Christian Munzel. Bereits im Gesetzgebungsverfahren hatten sich zahlreiche Sachverständige bereits mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Gesetzesvorhaben gewandt. In der Folgezeit hat sich der LHRD e.V. in mehreren Musterverfahren gegen die gesetzliche Neuregelung gewehrt. Zuletzt erfolgreich mit dem Eilbeschluss des Bundesfinanzhofs vom 23.08.2007.

Die Mühe hat sich gelohnt: »Etwa 15 Millionen Pendler können nun hoffen, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken nun auch vom Bundesverfassungsgericht geteilt werden«, so Munzel weiter. Schließlich habe das vorliegende Verfahren ergeben, dass die vorwiegend fiskalisch geprägten Änderungsmotive des Bundesfinanzministeriums die gravierenden Einschnitte bei Berufspendlern nicht rechtfertigen und daher vor der Verfassung keinen Bestand haben können. Jetzt ist der Gesetzgeber gefordert, nicht erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten, sondern sofort zu reagieren und die Pendlerpauschale wieder ungekürzt, vom ersten km an, einzuführen. Es ist allgemein bekannt, dass sich die Einnahmesituation der öffentlichen Hand aufgrund der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung derzeit positiv darstellt. Der Haushalt des Jahres 2007 ist bereits ausgeglichen. »Hierzu haben Berufspendler einen entscheidenden Beitrag geleistet«, meint Christian Munzel, so dass es nun geboten wäre, die eingeführte Steuererhöhung wieder rückgängig zu machen.