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Studentenjob & FinanzenArbeiterkind

Studiengebühren - Die Mär vom talentierten Arbeiterkind

In Deutschland müssen Eltern für den Kindergartenplatz ihrer Sprösslinge bezahlen der spätere Studienplatz wird jedoch weitgehend unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Im Ausland ist der Vorschuss aufs Diplom gang und gäbe. Trotz Gebühren studieren dort mehr junge Leute als hierzulande.

Ein schwarz-weiß Bild von zwei Kindern, die umarmt einen Waldweg entlang gehen.

Studiengebühren - Die Mär vom talentierten Arbeiterkind
Köln, 12.11.2004 (iw) - Die Nöte der hiesigen Alma Mater sind bekannt: Die Hörsäle platzen aus allen Nähten, der Staat hat kein Geld und die Jungakademiker brauchen viel länger bis zu einem Abschluss als ihre ausländischen Kommilitonen. Zudem bringt kaum ein anderes westliches Industrieland – relativ gesehen – so wenig Universitäts- und Fachhochschulabsolventen hervor. Dabei ist die Bundesrepublik eine der wenigen westlichen Nationen, in der das Studieren fast »umsonst« ist. Wer sein Studium in der Regelstudienzeit von zum Beispiel acht Semestern beendet, der zahlt an einer deutschen Uni für Einschreibegebühren etc. selten mehr als insgesamt rund 800 Euro. Mit diesem Betrag können gut verdienende Eltern gerade einmal die Kindergartengebühren für drei bis vier Monate finanzieren.

Ein Schlupfloch hat der Gesetzgeber den Ländern allerdings zugebilligt. Und das wird inzwischen eifrig genutzt: Wer die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschreitet, der zahlt je nach Bundesland zwischen 500 und 900 Euro pro Zusatzsemester; für ein Zweitstudium sind je nach Studiengang bis zu 1.500 Euro fällig. Die Daumenschrauben zeigen bereits Wirkung: In Baden-Württemberg beispielsweise ist die Zahl der Langzeitstudenten nach Einführung der Gebühren um 45 Prozent gesunken. So willkommen diese Gebühren-Nebenwirkung ist, um Proforma-Studenten zur Exmatrikulation zu bewegen, der eigentliche Sinn von Studiengebühren liegt darin, die Effizienz und Qualität der Hochschulausbildung zu erhöhen – ohne dass damit notwendigerweise eine Studenten-Auswahl auf Basis des Geldbeutels der Eltern verbunden ist.


Arbeiter-Haushalte subventionieren Akademiker-Kinder
Obwohl es praktisch nichts kostet, entschieden sich im Jahr 2000 nur 12 Prozent aller westdeutschen Jugendlichen aus Arbeiter-Haushalten für ein Studium. Von den Töchtern und Söhnen aus Angestellten-, Selbstständigen- und Beamten-Haushalten besuchen drei- bis sechsmal so viele eine Hochschule. Anders in Großbritannien. Dort ist der Anteil der Studierenden aus Arbeiter-Haushalten trotz teils hoher Studiengebühren gestiegen. Deshalb leuchtet es umso weniger ein, dass Studenten aus Haushalten mit höheren Einkommen von denjenigen über Steuerzahlungen subventioniert werden, die nicht studieren und damit niedrigere Einkommen erzielen – zumal sich ein Studium später auszahlt.

Gießt man alle finanziellen Aspekte eines Studiums in Zahlen (vom höheren Nettolohn über staatliche Subventionen wie Bafög bis zu den Studienkosten), dann erreichen Akademiker in Deutschland eine Rendite von fast 9 Prozent. So hoch wird, gemessen an der Alternative Facharbeiterausbildung, ihr Einkommensverzicht während des Studiums später belohnt.

Diese Rendite ist in anderen Ländern allerdings höher: Sie beträgt in Frankreich und den USA je 15 Prozent und in Großbritannien 17 Prozent. Dabei werden in diesen Ländern für deutsche Verhältnisse geradezu unvorstellbar hohe Studiengebühren erhoben – von bis zu fast 30.000 Euro pro Jahr (Grafik). Solche finanziellen Lasten der akademischen Bildung erscheinen auf den ersten Blick erdrückend. In der Regel gibt es aber dort, wo Studiengebühren fällig werden, attraktive Modelle, um die Ausbildung zu finanzieren.


 


In Australien wurde 1989 das Higher Education Contribution System, HECS, eingeführt. Dabei zahlen Studenten die aufgelaufenen Studiengebühren erst nach Studienende und bei Überschreitung eines jährlichen Mindesteinkommens von etwa 25.000 australischen Dollar ab. Je nach Einkommen müssen zwischen 3 und 6 Prozent des Verdienstes an den Staat abgeführt werden. Durch Kredite und andere Maßnahmen konnte verhindert werden, dass die jungen Leute wegen der Gebühren auf ein Studium verzichten.

In Großbritannien können alle Studenten (unabhängig von ihrer finanziellen Situation) auf 75 Prozent der maximalen Darlehenssumme von 4.700 Pfund im Jahr zurückgreifen. Erst bei der Gewährung des letzten Viertels wird die Bedürftigkeit geprüft. Das Darlehen ist zinslos und die Rückzahlung erfolgt nach Studienabschluss, sofern ein Einkommen vorhanden ist.

In den Niederlanden können die Studenten die Studiengebühren und die Lebenshaltungskosten ebenfalls durch die Aufnahme eines Kredits finanzieren. Daneben existiert eine relativ niedrige Grundförderung und eine Zusatzförderung für Bedürftige. Die Darlehenshöchstbeträge sind in den letzten Jahren stark angestiegen, während die Förderbeträge zurückgefahren wurden. Die Rückzahlung beginnt zwei Jahre nach Studienende und erstreckt sich über einen Zeitraum von 15 Jahren. Insgesamt werden die Darlehen, seit sie verzinst werden, nur noch recht selten in Anspruch genommen und später zurückgezahlt. Früher wurden sie häufig unmittelbar nach Studienende abgegolten. Beides spricht für erhebliche Mitnahmeeffekte.

In den USA schätzen die Unis Genie mehr als Geld. Die Bewerber werden – unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund – in einem Test auf ihre akademische Eignung hin untersucht. Erst nach Bestehen wird über die Finanzierung des Studiums gesprochen. Die Palette der Förderungen reicht von nicht rückzahlbaren staatlichen Zuschüssen bis hin zu staatlichen und privaten Darlehen.

Der österreichische Staat gewährt finanziell bedürftigen Studenten eine Studienbeihilfe; alle anderen können Studienzuschüsse beantragen. Privatbanken gewährt der Staat eine Zinssubvention von 2 Prozentpunkten bei der Vergabe von Studentendarlehen. Darlehensmodelle, die über Geldinstitute abgewickelt werden, dürften hierzulande ebenfalls starke Befürworter finden – zumal Bund und Länder wegen der angespannten Kassenlage kaum als Kreditgeber in Frage kommen.
 


Gebühren-Refinanzierung per Bildungskredit
Die staatlichen oder halbstaatlichen Institute engagieren sich bereits jetzt bei der Finanzierung des Hochschulstudiums. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) etwa vergibt seit April 2000 einen so genannten Bildungskredit für Studenten in fortgeschrittenen Ausbildungsphasen – sie erhalten monatlich 300 Euro. Der Bund übernimmt das Ausfallrisiko und ermöglicht damit einen günstigen Zinssatz. Im ersten Jahr wurden über 7.000 Anträge bewilligt.

Dass Studiengebühren nicht das Aus für begabte, aber mittellose Studenten bedeuten, zeigt auch das Beispiel der Privathochschulen in Deutschland (Tableau). Alle haben Förderprogramme und Stipendien für diese jungen Leute. Vielfach engagieren sich die Sparkassen vor Ort und gewähren Studenten-Kredite. Und wer voll zahlen muss, kann auf verschiedene Instrumente der Gebühren-Refinanzierung zurückgreifen.



Studiengebühren – Warum Studieren nicht umsonst sein darf
Institut der deutschen Wirtschaft Köln
2004, 35 Seiten, 3 Euro
Bestellung per Fax: 0221. 49 81-4 45
oder Internet: www.divkoeln.de
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