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Studienstart & StudiumContinental

2. Continental-Studentenumfrage

TNS/Infratest befragte im Auftrag von Continental 1001 Studenten vor allem zu ihren Ansichten und Kenntnissen zum Thema Sozial- und Hochschulreformen in Deutschland.

Hohe Arbeitszeit-Flexibilität
Darmstadt/Hannover, 24.03.2005 (ots) - Hochschulabsolventen haben ein teils widersprüchliches, teils von Unkenntnis geprägtes Meinungsbild zu Sozial- und Hochschulreformen in Deutschland. Weniger als die Hälfte der Studenten schätzen ihren Kenntnisstand zu den Reformen der Sozialsysteme als »sehr gut« oder »gut« ein, bei Frauen war es sogar nur gut jede Dritte. Naturwissenschaftler (38,3 Prozent) bezeichneten sich als noch weniger informiert als Wirtschaftswissenschaftler (55,2 Prozent). Dies sind einige Ergebnisse der repräsentativen 2. Continental-Studentenumfrage. TNS/Infratest hatte im Auftrag des Unternehmens Ende vergangenen Jahres 1001 Studenten zu ihren Ansichten zu Arbeitszeit, Karriere, Qualifizierung sowie Hochschulreformen und Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland befragt. Continental stellt jährlich bis zu 900 Hochschulabsolventen ein, davon mehr als die Hälfte in Deutschland.

»Eigentlich müsste jedem jungen Mann, jeder jungen Frau klar sein, dass diese Reformen auch langfristig ganz persönliche Auswirkungen haben«, sagte Continental-Personalvorstand Thomas Sattelberger. »Im Prinzip besteht bei einem nicht zu unterschätzenden Teil der Akademiker ein Wissens- und Handlungsloch in elementaren Fragen des Berufslebens wie auch die Zeit im Anschluss daran, gekoppelt mit möglicherweise unrealistischen Ansprüchen einer Work-Life-Balance.« Denn ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass 81 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit sind, bis zu 50 Stunden pro Woche zu arbeiten, um angespartes Gehalts- bzw. Zeitguthaben für eine »Familienphase« zu nutzen, gleichzeitig aber die Notwendigkeit frühzeitiger und umfassender finanzieller Vorsorge für das Alter massiv unterschätzen.

»Eine hohe Arbeitszeit-Flexibilität als Beitrag einer auch mittel- und langfristig austarierten Work-Life-Balance spielt beim akademischen Nachwuchs in Deutschland also eine große Role. Das ist angesichts der steigenden Zahl kinderloser Paare und Singles unter gesellschafts-, arbeitsmarkt- und familienpolitischen Gesichtspunkten außerordentlich positiv«, sagte Sattelberger. Er wies aber darauf hin, dass die »familienfreundlichen Aussagen« zum Teil im Widerspruch zu anderen Ergebnissen stehen.18,7 Prozent der befragten Frauen würden für die Karriere auf die Gründung einer Familie verzichten. 22,2 Prozent haben dazu noch keine Meinung. Bei den Männern liegen diese Werte zwar spürbar niedriger (15,3 Prozent und 16,2 Prozent). »Diese Ergebnisse passen aber in das Bild, das kürzlich eine Umfrage der Zeitschrift Eltern ergeben hat. Dabei haben knapp 40 Prozent der Kinderlosen angegeben, dass sie wegen der nicht absehbaren Entwicklung am Arbeitsmarkt keine Kinder haben und auch keine bekommen wollen«, sagte Sattelberger.

»Die hohe Bereitschaft, flexibel zu arbeiten, ist an sich begrüßenswert. Auch wenn sie vermutlich unter dem Druck der derzeitigen gesamtwirtschaftlichen Situation zustande kommt«, erklärte Prof. Peter Gross von der Universität St. Gallen. »Dass in einer Multioptionsgesellschaft, in der die Autonomie des Einzelnen in den Vordergrund tritt, die Familiengründung und das Kinderhaben zu Optionen unter anderen werden, und vermehrt auf Familiengründung und Kinderhaben verzichtet werden will, ist eine ambivalent zu beurteilende Entwicklung. Je höher nämlich die Erwerbsquote, desto stärker der Druck auf den Arbeitsmarkt. Und je niedriger die Geburtenziffer, desto gravierender längerfristig die Problematik der Rentenfinanzierung.«

Altersvorsorge
In diesem Zusammenhang hat Continental die Studenten auch nach ihrer Meinung zur Altersvorsorge gefragt. Auf Basis ihres durchaus unterschiedlichen Wissens gehen zwar 61,9 Prozent der Befragten davon aus, dass mindestens zwei Drittel der Bezüge im Ruhestand aus Eigenvorsorge stammen werden. Nur 4,2 Prozent lehnen es grundsätzlich ab, für Alterssicherung überhaupt Gehalt zu investieren. Etwa jeder Dritte rechnet mit 100 bis 200 Euro eigenem monatlichen Aufwand zur Alterssicherung, 43,9 Prozent erwarten 200 bis 400 Euro, nur jeder Zehnte geht von mehr als 400 Euro monatlich aus. »Dazu muss man wissen, dass zum Beispiel ein 25 Jahre alter Berufseinsteiger pro 100 Euro monatlicher Eigenvorsorge je nach Konditionen zwischen 400 und 500 Euro monatlichen Rentenbetrag im Alter von 65 erwarten kann«, erläuterte Sattelberger. »Berücksichtigt man Inflationseinflüsse und die Erosion der staatlichen Rentenversicherung, so spiegelt dies wider, dass jungen Menschen die Dramatik der Entwicklung nicht klar ist bzw. von ihnen mit einer gewissen Blauäugigkeit behandelt wird.«

»Die Umfrageergebnisse zeigen aber auch, in welchem Dilemma Hochschulabsolventen und Berufsanfänger stecken, wenn sie zeitgleich Studiendarlehen zurückzahlen, einen Haushalt und eine Familie gründen und auch noch mit der Eigenvorsorge für das Rentenalter beginnen sollen. Da die Altersvorsorge das Problem mit dem entferntesten Horizont ist, wird sie häufig zunächst zurückgestellt und zu spät begonnen«, analysierte der Versorgungs- und Vergütungsexperte Dr. Boy-Jürgen Andresen, Vorsitzender der Geschäftsführung von Dr. Dr. Heissmann. »Vorteile im Wettbewerb um qualifizierte Fach- und Führungskräfte haben deshalb Unternehmen, die ihren Mitarbeitern helfen, Weiterbildung, Familien und Altersversorgung unter einen Hut zu bringen. Eine dazu beitragende aktive und intelligente Personalpolitik ist deshalb kein Sozialgedöns.«

Auch Prof. Gross erklärte die Wissenslücke damit, dass die Studenten sich aktuell stärker mit anderen Themen beschäftigen: »Das Wissensmanko in elementaren Fragen des Berufslebens und insbesondere bezüglich der Reformen der Sozialleistungssysteme ist in der Tat auf den ersten Blick überraschend. Gleichwohl ist zu bedenken, dass die befragten Hochschulabsolventen erstens vordringlich, so lange sie nämlich noch im Studium sind, andere Sorgen als ihre künftigen Renten haben. Sie gehören zweitens, als Studierende, einer Bevölkerungsgruppe an, die - wie die Rentner - ganz wesentlich von den Steuerzahlern, also über den Staat finanziert werden. Solange sie nicht erwerbstätig sind, sind sie naturgemäß auch wenig von staatlichen Steuer- und Sozialversicherungspflichten betroffen.

Das Wissens- und Handlungsloch wird hoffentlich beim Eintritt ins Erwerbsleben schnell gefüllt werden. Es wäre - um das zu überprüfen - interessant, den Kenntnisstand von erwerbstätigen Hochschulabsolventen mit den Ergebnissen dieser Studie (in denen Studierende befragt worden sind) abzugleichen.«


Skepsis gegenüber Bachelor und Master-Abschlüssen
Deutlich gespalten fällt das Votum zum Abschluss Bachelor/Master aus, den immerhin 93,8 Prozent der Befragten kennen: 23,9 Prozent finden ihn »allgemein gut«, 8,1 Prozent sprechen von einer möglichen Alternative zum Diplom. 14,0 Prozent sehen gegebenenfalls einen Vorteil für internationale Abschlüsse, auch durch kürzere Studienzeit. 11,1 Prozent halten diese Abschlüsse eher für die Jobsuche im Ausland für geeignet/interessant, 13,1 Prozent schätzen sie als von der deutschen Wirtschaft wenig anerkannt ein. »Dies stimmt so nicht, denn die Wirtschaft orientiert sich grundsätzlich am für sie effektiv brauchbaren Inhalt eines Studiums und nicht am aufgeklebten Etikett. Auch hier ist der Informationsstand der Studenten ganz offenkundig nicht ausreichend. Wie sieht es da erst bei Abiturienten aus?«, fragte Sattelberger. »Es zeigt sich, dass die bildungspolitisch Verantwortlichen ihrer Informations- und Aufklärungspflicht nicht nachgekommen sind. Und das von politischer Seite auf die Agenda gesetzte Thema Elitehochschule interessiert wenige, und wenn überhaupt, stößt es eher auf Ablehnung.«

Ohnehin äußert sich eine Mehrheit der Befragten eher skeptisch zu Bachelor/MA-Abschlüssen: 17,6 Prozent halten grundsätzlich nichts davon, bei Ingenieuren und Naturwissenschaftlern sind es mit rund 23 Prozent deutlich mehr als bei Wirtschaftswissenschaftlern mit 12,1 Prozent. 22,4 Prozent betrachten sie noch nicht für eine Alternative zum Diplom (kein vollwertiges Studium), 10,8 Prozent sprechen von einem »halben Studium«.

Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner, Präsident der TU Darmstadt sagte: »Auch in dieser Befragung wird sichtbar, dass Universitäten zunehmend an dem gemessen werden, was sie an Outcome leisten. Wir erfahren, was Studierende wahrnehmen, welche Meinungen sie zu wichtigen Themen haben. Die Hochschulen können und sollten daraus zweierlei Nutzen ziehen: Sie sollten die authentischen Informationen über die Haltungen von Studierenden aufgreifen. Und sie sollten mitarbeiten, solche Mess-Verfahren noch effektiver zu machen. Was mich im Detail freut, ist die große Zahl von Studierenden, die im Ausland studiert oder Praktika absolviert. Dass die Bereitschaft der Rundherum-Mobilen wächst, ist ein Gewinn.«