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Herbstgutachten 2008 der führenden Wirtschaftsinstitute

Im Herbst 2008 befindet sich die Weltwirtschaft im Abschwung. Zu den Abwärtstendenzen haben verschiedene Faktoren beigetragen: der weltweite Inflationsschub, das Auftreten von Korrekturen an den Immobilienmärkten sowie die weltweite Finanzmarktkrise.

Herbstblätter liegen auf dem Boden.

Herbstgutachten 2008 der führenden Wirtschaftsinstitute
Berlin, 16.10.2008 (ifo) - Im Herbst 2008 befindet sich die Weltwirtschaft im Abschwung. Zu den Abwärtstendenzen haben verschiedene Faktoren beigetragen: der weltweite rohstoffpreisbedingte Inflationsschub, das Auftreten von Korrekturen an den Immobilienmärkten einer zunehmenden Anzahl von Ländern sowie die weltweite Finanzmarktkrise. Deren dramatische Zuspitzung in jüngster Zeit trübt den konjunkturellen Ausblick zusätzlich ein. In einer Reihe von Industrieländern droht dieWirtschaft in eine Rezession abzugleiten.

In den USA deuten viele Indikatoren auf eine sehr schwache konjunkturelle Grundtendenz hin; in Westeuropa sind die Frühindikatoren in den vergangenen Monaten drastisch gefallen, und die gesamtwirtschaftliche Produktion expandierte nicht mehr; in Japan brach die Nachfrage ein. Einzig in den Schwellenländern wurde die Produktion bis zuletzt noch recht kräftig ausgeweitet, wiewohl das Tempo der Expansion auch dort insgesamt nachgelassen hat.

 

 

 

Herbstgutachten 2008 - Welt
Die Weltkonjunktur wird noch weiter an Fahrt verlieren, denn die Belastungen insbesondere vonseiten der Finanz- und der Immobilienmärkte sind gegenwärtig beträchtlich. In einigen Ländern, insbesondere dort, wo der Finanz- oder der Bausektor eine große Bedeutung hat, droht eine Rezession. Aber auch in jenen Ländern, in denen die Expansion wesentlich vom Export getragen war, fällt der Abschwung deutlich aus. Wenn es, wie in dieser Prognose unterstellt, in den nächsten Monaten gelingt, den Bankensektor zu stabilisieren dürfte sich ab Mitte 2009 die Weltkonjunktur allmählich erholen. Nach und nach können dann einige begünstigende Faktoren zum Tragen kommen. So wird die Inflation in den kommenden Monaten durch die jüngste Preiskorrektur an den internationalen Rohstoffmärkten weltweit gemildert.Da vor allem Preisrückgänge bei Energierohstoffen unmittelbar entlastend wirken, wird die Kaufkraft der Haushalte gestärkt. Begünstigend wirkt auch die vielfach relativ robuste Verfassung der Bilanzen von Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Die Weltwirtschaft wird zudem durch die weiterhin kräftige Nachfrage aus den Schwellenländern gestützt, deren Gewicht in den vergangenen Jahren weiter stark zugenommen hat. Zwar geht auch dort der Produktionsanstieg zurück, doch bleibt der Nachfragezuwachs wohl alles in allem beachtlich.

Der größte Unsicherheitsfaktor der Prognose besteht im Ausmaß und der Dauer der Krise an den internationalen Finanzmärkten. Moderne Ökonomien sind darauf angewiesen, dass Ersparnisse über die Finanzmärkte möglichst effizient einer realwirtschaftlichen Verwendung zugeführt werden. Die Finanzmärkte werden diese Rolle nur dann in ausreichendem Maß erfüllen können, wenn es, wie in der Prognose der Institute unterstellt, in den kommenden Monaten zu einer allmählichen Stabilisierung des Bankensektors kommt. Andernfalls wäre mit einem Einbruch der Investitionstätigkeit in der Realwirtschaft zu rechnen, und die zugespitzte Lage in den Bankensystemen der USA und Europas würde über den internationalenKonjunkturverbund auch andereVolkswirtschaften mit bislang stabilen Finanzsystemen in Mitleidenschaft ziehen.

 

Herbstgutachten 2008 - DeutschlandDie deutscheWirtschaft befindet sich im Herbst des Jahres 2008 am Rande einer Rezession. Zahlreiche negative Schocks aus demAusland hatten bereits eine Eintrübung des Konjunkturklimas bewirkt, und mit der Zuspitzung der Lage an den Finanzmärkten haben sich die Aussichten deutlich verschlechtert. Deutschland ist von der internationalen Konjunkturschwäche in besonderem Maße betroffen, weil vor allem die Nachfrage nach Investitionsgütern zurückgeht, die im deutschen Exportsortiment eine überragende Rolle spielen. Auch traf die weltweiteAbkühlung der Konjunktur auf eine deutsche Wirtschaft, deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit sich fast zwei Jahre lang aufgrund der Aufwertung des Euro verschlechtert hatte. Schließlich hatte der massive Anstieg der Weltmarktpreise für Energieträger, Rohstoffe und Nahrungsmittel die Terms of Trade verschlechtert und dies traf in erster Linie dieKonsumenten. Die Teuerung beschleunigte sich spürbar und damit gingen die Realeinkommen zurück, obwohl die Nominaleinkommen recht deutlich stiegen; die privaten Konsumausgaben sanken real.

Die vorlaufenden konjunkturellen Indikatoren lassen für die kommenden Monate einen Produktionsrückgang erwarten.Vor allem aber haben sich die Erwartungen der Unternehmen in nahezu allen Sektoren derWirtschaft in einem Maße verschlechtert, wie das in der Vergangenheit nur in Rezessionen zu beobachten war. Nach Einschätzung der Institute geht das Bruttoinlandsprodukt in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich mit einer laufenden Jahresrate von 0,7 Prozent zurück. Für das Jahr 2008 insgesamt ergibt sich dennoch eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent.

Um der gestiegenen Unsicherheit für das kommende Jahr Rechnung zu tragen, haben die Institute neben einer keineswegs optimistischen Basisprognose auch ein Risikoszenario durchgerechnet. In ihrem Basisszenario prognostizieren sie, dass sich die gesamtwirtschaftliche Produktion nach dem Jahreswechsel allmählich belebt. Dafür spricht die im Vergleich zu früheren Abschwüngen deutlich günstigere Ausgangslage der Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Sie haben ihre Bilanzen in den vergangenen Jahren konsolidiert und an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen, auch aufgrund der Reformen am Arbeitsmarkt. Auch spricht die bislang robuste Beschäftigungslage gegen einen Einbruch bei den verfügbaren Einkommen. Schließlich dürfte die Struktur des Finanzsektors in Deutschland mit der relativ hohen Bedeutung des traditionellen Bankgeschäfts dafür sorgen, dass die internationale Bankenkrise weniger stark auf die Konjunktur durchschlägt als in anderen Ländern.

Stützend wirken im Prognosezeitraum die privaten Konsumausgaben. Die verfügbaren Einkommen werden selbst bei der schlechter werdenden Lage am Arbeitsmarkt noch recht kräftig expandieren, da die Beschäftigung nur wenig sinkt, die Löhne teilweise spürbar angehoben werden und die Transfereinkommen stärker steigen, insbesondere weil die Renten der Lohnentwicklung mit Verzögerung folgen.Da sich zugleich die Teuerung zurückbildet, dürften die Realeinkommen, wenn auch nur leicht, zunehmen. Die Investitionstätigkeit bleibt hingegen zunächst gedrückt, da die Kapazitätsauslastung fällt, die Finanzierungskosten steigen und vor allem die Absatzund Ertragserwartungen ungünstig sind. Die Unternehmen werden ihre Investitionsbudgets erst im Verlauf von 2009 leicht aufstocken. Dabei spielt eine Rolle, dass die Geldpolitik gelockert wurde. Mit der von den Instituten erwarteten allmählichen Stabilisierung der Weltwirtschaft in der zweite Hälfte des kommenden Jahres ziehen dann auch die Exporte an, zumal sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit insbesondere aufgrund der jüngsten Abwertung des Euro wieder etwas verbessert hat. Alles in allem beinhaltet dieses Basisszenario für das Jahr 2009 einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um lediglich 0,2 Prozent.

Die rückläufige Kapazitätsauslastung dürfte in den kommenden Monaten zunehmend auf den Arbeitsmarkt durchschlagen. Die Erwerbstätigkeit wird bis zur Jahreswende leicht steigen und erst im Jahresverlauf 2009 zurückgehen, am Jahresende werden rund 350.000 Menschen weniger beschäftigt sein als zu Jahresbeginn. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen steigt nicht ganz spiegelbildlich dazu, da das Erwerbspersonenpotential aus demographischen Gründen leicht sinkt und ein Teil derer, die den Arbeitsplatz verlieren, wahrscheinlich in die Stille Reserve abwandert.

Im Risikoszenario würde sich die Konjunktur im kommenden Jahr stärker und länger abschwächen als im Basisszenario prognostiziert. Hier ist unterstellt, dass dieWeltwirtschaft in eine Rezession gerät, die Finanzierungskosten sich infolge der Finanzmarktkrise deutlich erhöhen, und die Verunsicherung der privaten Haushalte dazu führt, dass sie sich mit ihren Konsumausgaben zurückhalten. In diesem Fall geriete Deutschland in eine ausgeprägte Rezession, wie sie beispielsweise nach den Ölpreisschocks in den siebziger Jahren und zu Beginn der achtziger Jahre zu beobachten war. Das Bruttoinlandsprodukt würde um 0,8 Prozent im Jahresdurchschnitt zurückgehen.Besonders stark würden die Investitionen in Ausrüstungen fallen, was ähnlich auch in früheren Rezessionen zubeobachten war. Die Lage am Arbeitsmarkt würde sich deutlich verschlechtern. Die Arbeitslosenquote dürfte dann im Jahr 2009 auf 8,3 Prozent steigen, und es gingen fast 400.000 Arbeitsplätze verloren.Die Institute halten ein solches Szenario zwar für weniger wahrscheinlich als ihre Basisprognose. Das Risiko, dass die ungünstigere Entwicklung eintritt, hat sich in den vergangenen Wochen aber deutlich vergrößert.

 

 

 

 

Herbstgutachten 2008 - Empfehlungen für die Wirtschaftpolitik
Die Institute halten Konjunkturprogramme im herkömmlichen Sinne für wenig Erfolg versprechend. Es ist aber denkbar, dass der Staat solche Maßnahmen rasch umsetzt, die zur Stärkung der Wachstumskräfte auf mittlere Sicht sinnvoll oder aufgrund der Gesetzeslage ohnehin unausweichlich sind. Zwar sind die konjunkturellenWirkungen einer solchen Politik begrenzt, jedoch sind die langfristigen Effekte positiv einzuschätzen.

Die Politik könnte sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite ansetzen. So bietet sich eine Reduktion der Einkommensteuerbelastung an,auch eine Senkung der Sozialabgaben ist rasch umsetzbar und beschäftigungspolitisch sinnvoll. Auf der Ausgabenseite kann erwogen werden, ohnehin geplante, das Wachstum fördernde Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur zeitlich vorzuziehen. Das alles bedeutet nicht, dass der Konsolidierungskurs grundsätzlich verlassen werden darf. Daher sollte gleichzeitig mit den Abgabensenkungen und den zusätzlichen Ausgaben verbindlich festgelegt werden, wie die nachträgliche Finanzierung der Maßnahmen erfolgt, damit es nicht zu einer dauerhaft höheren Staatsverschuldung kommt. So sollte beschlossen werden, ab dem Jahr 2010 Subventionen stärker abzubauen als absehbar oder den Anstieg konsumtiver Ausgaben eng zu begrenzen. Damit würde sichergestellt, dass es mittelfristig bei dem Konsolidierungskurs bleibt.

Die Europäische Zentralbank hat mit einer Änderung ihrer Liquiditätspolitik auf die Finanzmarktkrise reagiert und nach der jüngsten Zuspitzung der Krise die Zinsen gesenkt; dies wird den konjunkturellen Abschwung begrenzen. Im Prognosezeitraum ist mit weiteren Zinssenkungen zu rechnen. Allerdings muss die Notenbank dabei sicherstellen, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen nach den Preisschüben des vergangenen Jahres am impliziten Inflationsziel der EZB verankert sind.

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