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Frühjahrsgutachten der sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute

Die Prognose: Weltkonjunktur bleibt schwach, Wachstum in Deutschland nur bei 0,5 Prozent

Zwei helllila farbene Krokuse kündigen den Frühling an.

Berlin, 28. April 2003 (diw) Der Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Lage im Irak rasch wieder beruhigt. Die Unsicherheit und ihre lähmenden Wirkungen lassen dann nach, der Ölpreis sinkt, die Aktienmärkte und der Wechselkurs des Dollar stabilisieren sich. In diesem Umfeld wird die expansiv ausgerichtete Geldpolitik mehr und mehr Wirkung entfalten, und die Konjunktur wird sich im weiteren Verlauf dieses Jahres und im nächsten Jahr festigen. Dennoch bleibt die Aufwärtstendenz in den Industrieländern relativ verhalten. Dazu trägt zum einen bei, dass die Finanzpolitik – außer in den USA – keine Impulse geben wird. Zum anderen bestehen angesichts der bereits länger andauernden Ertragsschwäche der Unternehmen und einer in vielen Ländern hohen Verschuldung der privaten Haushalte beträchtliche Konsolidierungszwänge im privaten Sektor. Erst im weiteren Verlauf des nächsten Jahres wird die Produktion in vielen Regionen etwas rascher expandieren als das Produktionspotential.

Die deutsche Wirtschaft verharrt in einer Phase langanhaltender Schwäche. Seit Mitte des Jahres 2000 ist die Konjunktur durch einen Wechsel von rezessiven und stagnativen Tendenzen und allenfalls verhaltenen Erholungsphasen gekennzeichnet. Dabei ging die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung fortwährend zurück. Im Jahr 2002 ist das reale Bruttoinlandsprodukt kaum gestiegen. Die Konjunkturflaute schlug immer mehr auf den Arbeitsmarkt durch. So hat sich der Beschäftigungsabbau seit Mitte vergangenen Jahres spürbar beschleunigt, und die Zahl der Arbeitslosen schoss zuletzt in die Höhe. Das Preisklima blieb ruhig; im März dieses Jahres betrug die Inflationsrate im Vorjahrsvergleich 1,2 %.

Von der Erholung der Weltwirtschaft werden spürbare Anregungen für die deutsche Wirtschaft ausgehen, zum einen über den Export und die davon unmittelbar und mittelbar abhängigen Wirtschaftsbereiche, zum anderen über eine allgemeine Verbesserung der Erwartungen von Unternehmen und Verbrauchern. Impulse gehen auch von der expansiven Geldpolitik aus. Der anregenden Geldpolitik steht die Aufwertung des Euro gegenüber. Die daraus resultierenden Effekte werden noch einige Zeit nachwirken. Im kommenden Jahr werden die Belastungen von dieser Seite her nachlassen; eine weitere Aufwertung des Euro ist nicht unterstellt.

Bruttoinlandsprodukt steigt nur um 0,5 Prozent
Die Finanzpolitik steht unter erheblichem Konsolidierungsdruck. Die Bundesregierung hat Ende vergangenen Jahres eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, mit denen die Defizitquote in diesem Jahr wieder unter 3 % gedrückt werden sollte. Selbst wenn diese nicht in vollem Umfang wirksam werden, ist die Finanzpolitik in diesem Jahr merklich restriktiv ausgerichtet. Allerdings bewirken die automatischen Stabilisatoren, dass das Defizit nur wenig zurückgeht, es bleibt auch 2003 deutlich über 3 %. Für das Jahr 2004 ist aus heutiger Sicht damit zu rechnen, dass wegen der etwas günstigeren Konjunktur das Defizit sinkt, obwohl die auf das Jahr 2004 verschobene zweite Stufe der Steuerreform wie vorgesehen in Kraft tritt.

Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass in der zweiten Hälfte dieses Jahres in Deutschland eine konjunkturelle Belebung einsetzt. Sie wird aber nur schleppend vorankommen. Alles in allem wird das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,5% steigen. Die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung wird dabei weiter sinken, und die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird sich nochmals verschlechtern. Im kommenden Jahr wird sich die Erholung zwar festigen; dann dürfte auch die Binnennachfrage wieder leicht steigen.

Insgesamt dürfte die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland aber auch im Jahr 2004 ohne große Dynamik bleiben. Aus rein konjunktureller Sicht würde sich eine jahresdurchschnittliche Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts um 1,25% ergeben. Zu berücksichtigen ist aber, dass das Jahr 2004 ein Schaltjahr ist und viele Feiertage auf Wochenenden fallen, so dass eine außergewöhnlich hohe Zahl von Arbeitstagen zur Verfügung steht. Dies schlägt sich in einer höheren Produktion nieder. Der Arbeitstageeffekt beträgt reichlich 0,5 Prozentpunkte, insgesamt wird deshalb im Jahr 2004 das reale Bruttoinlandsprodukt um 1,8 % steigen.

»Agenda 2010« zielt in die richtige Richtung
Das trendmäßige Wachstum ist in Deutschland vergleichsweise niedrig. Insofern ist das derzeit vorhandene Bemühen um Reformen, mit dem Deutschland auf einen höheren Wachstumspfad gebracht werden soll, grundsätzlich zu begrüßen. Die in der »Agenda 2010« angekündigten Maßnahmen zielen in die richtige Richtung. Allerdings können sie nur ein Anfang sein. Die vom Bundeskanzler gegebene Zusage, dass es auf jeden Fall bei den angekündigten Steuerentlastungen in den kommenden beiden Jahren bleibt, ist zu begrüßen. Es sollte darüber hinaus angekündigt werden, dass die Steuerlast nicht erhöht wird. Das sollte in den kommenden Jahren ebenfalls für die Sozialbeiträge gelten.

Wichtig ist, dass konkrete Schritte angekündigt werden, wie das Ziel der Haushaltskonsolidierung erreicht werden soll. Die Institute sind sich bezüglich des Ziels des mittelfristigen Budgetausgleichs einig und betonen, dass die Haushaltskonsolidierung über die Ausgabenseite erfolgen soll. Ein Sparkurs darf nicht zu einer Abnahme wachstumsfördernder öffentlicher Investitionen führen; sie sollten im Gegenteil sogar erhöht werden. Vor allem geht es darum, die Investitionen in Humankapital auszuweiten. Denn die Bildung von Humankapital stellt einen entscheidenden Wachstumsfaktor dar, weil er die Produktivität erhöht. Derzeit stehen vor allem die Kommunen vor dem Problem, dass sie nicht in genügendem Umfang investieren können. Die Sicherung ihrer Investitionsfähigkeit setzt eine Reform der Gemeindefinanzen voraus. Im Kern geht es darum, die Finanzkraft der Gemeinden zu stärken, indem ihre Steuerkraft erhöht wird; zugleich geht es auch darum, das kommunale Steueraufkommen weniger konjunkturanfällig zu gestalten.

Um die Konsolidierung des Staatshaushalts erfolgreich durchführen zu können, ist auch eine Reform der Systeme der sozialen Sicherung erforderlich. Im Mittelpunkt sollte eine Steigerung der Effizienz der sozialen Sicherung stehen, nicht die Beschneidung von Leistungen.


Das Frühjahrsgutachten
Im sogenannten Frühjahrsgutachten beurteilen die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute e.V. in Hamburg die Wirtschaftslage. Es sind dies die sechs führenden deutschen Wirtschaftsinsitute:


Download
des kompletten Gutachtens unter
www.diw.de/deutsch/publikationen/wochenberichte/docs/03-16.pdf