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WiWi-NewsReformpolitik

Gutachten der Wirtschaftsweisen: 1,7 Prozent Wachstum für 2004

Voraussetzung: Vorziehen der Steuerreform - Sachverständigenrat kritisiert Steuerpolitik und lobt Reformpolitik der Regierung

Wirtschaftsweisen - Der Sachverständigenrat für Wirtschaft zur wissenschaftlichen Politikberatung.

Jahresgutachten veröffentlicht
Wiesbaden, 12. November 2003 (srw) Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat heut sein Jahresgutachten 2003/04 veröffentlicht. Es trägt den Titel »Staatsfinanzen konsolidieren – Steuersystem reformieren«. Damit soll die Bedeutung der Finanzpolitik und der Steuerpolitik im Rahmen einer langfristig orientierten Wirtschaftspolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung unterstrichen werden. Die Lage der öffentlichen Haushalte hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. Durch die absehbare demographische Entwicklung kommen in den nächsten Jahrzehnten erhebliche zusätzliche Belastungen auf die Gebietskörperschaften und Sozialversicherungen zu, die ein rechtzeitiges Umsteuern der Politik verlangen, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen nicht zu gefährden. Die anhaltende Überschreitung der Defizitgrenzen in einigen Mitgliedstaaten bedroht zudem den Stabilitäts- und Wachstumspakt, einen Grundpfeiler der Europäischen Währungsunion.

Gefordert ist vor diesem Hintergrund eine Finanzpolitik, die ihre Energien nicht auf kurzfristig wenig effektive, langfristig oft sogar schädliche Versuche einer diskretionären Stabilisierung konjunktureller Schwankungen konzentriert, sondern mit einer konsistenten Konsolidierungsstrategie die Solidität der Staatsfinanzen zurückgewinnt. Eine zentrale Bedeutung für eine die Wachstumskräfte stärkende Finanzpolitik kommt der Steuerpolitik zu. Ein systematisches, investitionsfreundliches Steuersystem trägt in entscheidender Weise zu günstigen Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und mehr Beschäftigung bei und erleichtert so die notwendige Konsolidierung. Der Sachverständigenrat diskutiert vor diesem Hintergrund zwei mögliche Optionen für eine grundlegende Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung und plädiert für den Übergang zu einer dualen Einkommensteuer.


Wirtschaftliche Eckdaten für Deutschland

 

 

x Einheit
 2000
2001
2002
20031)
20041)
Bruttoinlandsprodukt
Prozent2)

  2,9

0,8
0,2
   -0,0
  1,5
Inlandsnachfrage3)
Prozent2)
  1,8
 -0,8
 -1,6
   0,0
  0,9
Ausrüstungs-
investitionen
Prozent2)
 10,1
 -4,9
 -9,1
  -0,3
  3,0
Bauinvestitionen
Prozent2)
 -2,6
 -4,8
 -5,8
  -3,6
  0,2
Sonstige Anlagen
Prozent2)
  9,0
  5,6
  1,6
   1,9
  4,5
Konsumausgaben
Prozent2)
  1,7
  1,3
 -0,3
   0,3
  0,6
Private Haushalte4)
Prozent2)
  2,0
  1,4
 -1,0
   0,2
  0,8
Staat
Prozent2)
  1,0
  1,0
  1,7
   0,6
  0,1
Exporte von Waren
und Dienstleistungen
Prozent2)
 13,7
  5,6
  3,4
   1,1
  4,8
Importe von Waren
und Dienstleistungen
Prozent2)
 10,5
  0,9
 -1,7
   1,4
  3,4
Erwerbstätige
 (Inland)
Millionen
38,75
 38,91
38,67
 38,13
 38,00
Registrierte Arbeitslose
Millionen
  3,89
   3,85
  4,06
   4,38
  4,40
Arbeitslosenquote5)
Prozent
  9,6
   9,4
  9,8
 10,5
 10,6
Verbraucherpreise6)
Prozent
  1,4
   2,0
  1,4
  1,1
  1,2
Finanzierungssaldo
 des Staates7)
Prozent
 -1,2a)
 -2,8
 -3,5
 -4,1
 -3,4

 

 

1) Jahr 2003: Eigene Schätzung, 2004: Basisprognose (Ziffern 379 ff.). - 2) In Preisen von 1995; Veränderung gegenüber dem Vorjahr. - 3) Inländische Verwendung. - 4) Einschließlich der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck. - 5) Anteil der registrierten Arbeitslosen an allen zivilen Erwerbspersonen (abhängige zivile Erwerbspersonen, Selbständige, mithelfende Familienangehörige). Von 2000 bis 2002 Quelle: BA. - 6) Verbraucherpreisindex (2000 = 100); Veränderung gegenüber dem Vorjahr. 7) Finanzierungssaldo der Gebietskörperschaften und Sozialversicherung in der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt. - a) Mit Berücksichtigung der UMTS-Lizenzeinnahmen: + 1,3 Prozent.
 

Stagnation der Wirtschaft in diesem Jahr
Die deutsche Volkswirtschaft konnte sich auch in diesem Jahr nicht aus der Stagnation lösen. Eine unverändert kraftlose Binnennachfrage und eine Eintrübung des weltwirtschaftlichen Umfelds führten in der ersten Jahreshälfte zu einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts. In der zweiten Jahreshälfte zeichnete sich eine exportgetragene Erholung ab; der Funke auf die inländische Nachfrage sprang jedoch nicht über. Im Jahresdurchschnitt stagnierte das Bruttoinlandsprodukt. Vor dem Hintergrund einer robusten weltwirtschaftlichen Belebung sollten jedoch im kommenden Jahr die positiven außenwirtschaftlichen Einflüsse allmählich auf die Binnenwirtschaft ausstrahlen. Die Prognose für das kommende Jahr steht unter der zusätzlichen Unsicherheit, dass zentrale von der Bundesregierung geplante steuerpolitische und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen in ihrer Umsetzung von der Zustimmung des Bundesrates abhängen.

In einer Basisprognose, die den gesetzgeberischen Status quo unterstellt, also die zustimmungspflichtigen Gesetzesvorhaben einschließlich des geplanten Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform unberücksichtigt lässt, kommt es im Jahr 2004 zu einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 1,5 Prozent. In einer Alternativprognose mit der Annahme, dass diese Gesetzesvorhaben mit den von der Bundesregierung veranschlagten finanziellen Auswirkungen realisiert werden, steigt das Bruttoinlandsprodukt um 1,7 Prozent. Der seit drei Jahren andauernde Rückgang der Erwerbstätigkeit setzt sich im Jahr 2004 zunächst fort, im weiteren Jahresverlauf nimmt die Beschäftigung dann aber leicht zu; im Jahresmittel wird die Zahl der Erwerbstätigen gleichwohl um 0,3 Prozent zurückgehen. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen wird mit 4,40 Millionen nur geringfügig über dem Vorjahresniveau liegen.

Arbeitsmarktreformen gelobt
Die Bundesregierung hat in diesem Jahr vor allem auf dem Arbeitsmarkt eine Reihe mutiger und beherzter Reformen auf den Weg gebracht, die mehr darstellen als nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Dies schließt Kritik im Einzelnen nicht aus: Elemente der beschlossenen Arbeitsmarktreformen, beispielsweise im Bereich des Kündigungsschutzes, sind zu zaghaft angegangen worden. In nicht unwichtigen Details der einzelnen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Maßnahmen, beispielsweise bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, wurden wesentliche Anreizeffekte nicht hinreichend beachtet. Der Sachverständigenrat legt deshalb in seinem aktuellen Jahresgutachten konkretisierende und ergänzende Vorschläge für Reformen auf dem Arbeitsmarkt vor.

Erhebliche Sorge bereitet in diesem Jahr die Entwicklung der öffentlichen Haushalte. Mit einem staatlichen Defizit von 4,1 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt wurde die Vorgabe des Stabilitäts- und Wachstumspakts im zweiten Jahr in Folge verletzt. Und auch im kommenden Jahr wird es voraussichtlich nicht gelingen, die Defizitquote unter die 3-Prozent-Grenze zurückzuführen. Dies bedroht den Stabilitäts- und Wachstumspakt in seiner Substanz. Vor dem Hintergrund der gegen Deutschland, Frankreich und Portugal laufenden Defizitverfahren spricht sich der Sachverständigenrat für eine strikte Anwendung der Regeln des Pakts aus. Ein erneutes Überschreiten der Defizitgrenze im kommenden Jahr, ohne dass dies mit Sanktionen verbunden wäre, riskiert die Demontage des Pakts.

Link
www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de