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Jahresausblick: Der Wandel der Wirtschaft

Dr. Eckard Bolsinger, stellvertretender Direktor von Haus Rissen in Hamburg, beschreibt die fünf maßgeblichen Trends des wirtschaftlichen Wandels in Deutschland. Seine These: Der »Rheinische Kapitalismus« ist ein Auslaufmodell.

Eine junge Frau mit einem weißen Nachthemd und gesenktem Kopf geht durch einen Grassweg.

Jahresausblick: Der Wandel der Wirtschaft
Hamburg, 03.01.2006 (ots) - Alle positiven Prognosen für 2006 täuschen über eine Tatsache hinweg: Wir leben in einer Periode tiefgreifenden Wandels der Wirtschaft. In seinen Konsequenzen wird er vielleicht radikaler sein als die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert.

Dies meint jedenfalls Dr. Eckard Bolsinger, stellvertretender Direktor von Haus Rissen in Hamburg, des »Internationalen Instituts für Politik und Wirtschaft«. Bolsinger erklärt: »Dieser Umbruch ist so umfassend, dass er das deutsche Wirtschaftssystem grundlegend verändern wird. Das Ende des Modells Deutschland steht unmittelbar bevor, und keiner will es wahrhaben.« Er beschreibt fünf gleichzeitige Trends bezüglich der endgültigen »Überwindung« der alten Bundesrepublik:

  1. Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. In den letzten fünf Jahrzehnten ging die Zahl der Erwerbstätigen im Bereich des produzierenden Gewerbes von 46 Prozent auf 26 Prozent zurück, während im Dienstleistungsbereich diese Zahl von 32 Prozent auf 72 Prozent anstieg. Dieser Rückgang der industriellen Fertigung und der Anstieg der Dienstleistungen in Deutschland folgt dabei nur der Entwicklung in den anderen westlichen Wirtschaftsnationen.
  2. Die Globalisierung der Unternehmen. Der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft wird verstärkt, indem deutsche Unternehmen ihre Produktion zunehmend ins Ausland verlagern. Der globale, scharfe Wettbewerb zwischen Unternehmen zwingt diese, sich systematisch Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten. Jede einzelne Aktivität des Unternehmens wird auf betriebswirtschaftliche Effizienz überprüft.
  3. Die Globalisierung und Regionalisierung der Wirtschaft. Seit zwanzig Jahren ziehen Regierungen auf der ganzen Welt Lehren aus dem Scheitern aller Alternativen zu Marktwirtschaft und Freihandel. Indem sie ihre Märkte nach innen liberalisierten und nach außen öffneten, haben sich die Volkswirtschaften zunehmend verflochten. Dieser Prozess der Globalisierung führt dazu, dass nicht nur Unternehmen miteinander konkurrieren, sondern auch Staaten bemüht sind, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.
  4. Das Ende des »rheinischen Kapitalismus«. In den vergangenen zehn Jahren hat sich von der Öffentlichkeit fast unbemerkt ein Wandel vollzogen, der ein typisches Merkmal des deutschen Wirtschaftssystems, des sogenannten rheinischen Kapitalismus, beseitigte: Die Überkreuzbeteiligungen von Unternehmen sowie die Dominanz von Management und Aufsichtsrat gegenüber Anlegern. Durch eine simple Änderung des Steuerrechts konnten sich Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen von ihren Anteilen an anderen Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen trennen. Resultat ist eine Entflechtung der Deutschland AG. Das Ende der Deutschland AG bedeutet auch das Ende des kooperativen Kapitalismus. Alleiniger Maßstab für die Führung von börsennotierten Unternehmen wird mehr und mehr die Wertsteigerung der Aktien sein, der »shareholder value«. Der rheinische Kapitalismus ist auch deshalb ein Auslaufmodell, weil sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass wir bislang dem Staat mehr aufgebürdet haben, als er letztlich leisten kann.
  5. Der Wandel der Arbeit. Die jetzige Rentnergeneration ist die letzte, die noch in den Genuss eines Arbeitsplatzes gekommen ist, an dem man sein ganzes Erwerbsleben unbehelligt von neuem Wissenserwerb verbringen konnte. In unserer turbulenten Zeit wird der Wechsel von einem zum anderen Unternehmen und die Unsicherheit des Anstellungsverhältnisses zum Normalfall.

»Eine Politik, die sich schon mit den kleinsten Reformen des Sozialstaates und des Arbeitsmarktes schwer tut, wird keine Antwort auf diese fünf Entwicklungstrends finden«, so Bolsinger. »Alle Erfahrung zeigt, dass eine Regierung in den ersten zwölf Monaten ihrer Amtszeit schmerzhafte Änderungen ins Werk setzen muss. Gelingt ihr das nicht, wird sie scheitern.« Wenn die politische Führung versagt, bleiben einzig die Unternehmer. Diese sind alltäglich mit dem Wandel konfrontiert. Sie ändern Strukturen und Prozesse ihres Unternehmens, um im verschärften Wettbewerb bestehen zu können. Doch alle Änderungen interner Abläufe werden ins Leere gehen, wenn sie nicht die Denkgewohnheiten und Routinen der Mitarbeiter einschließen. Deutsche Unternehmer müssen ein vitales Interesse daran haben, dass ihre Mitarbeiter und die Öffentlichkeit den Strukturwandel begreifen und aktiv unterstützen.