Kaufkraftargument - Purer Wahlkampfpopulismus
Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft wendet sich gegen die von der SPD im Wahlkampf geforderten Lohnsteigerungen.
Kaufkraftargument - Purer Wahlkampfpopulismus
Köln, 08.09.2005 (iw) - Mit Blick auf das Wählerpotenzial haben sich führende Sozialdemokraten vor kurzem für kräftige Lohnsteigerungen ausgesprochen. Doch höhere Löhne werden die Konjunktur nicht anschieben - im Gegenteil: Die vergangenen Dekaden haben bewiesen, dass überzogene Tarifabschlüsse Arbeitsplätze vernichten. Würden die Löhne steigen, ginge es der Rentenkasse besser, so argumentierte der Bundesfinanzminister Hans Eichel.
Die neuen Töne werden so manchem Gewerkschafter gefallen. In ihren Reihen plädieren viele Funktionäre schon seit langem für satte Lohnzuschläge - allerdings mit einer anderen Begründung als Eichel: dem so genannten Kaufkraftargument. Danach beleben höhere Löhne die Binnennachfrage. In der Folge würden die Unternehmen mehr investieren und neue Arbeitsplätze schaffen, was einen weiteren Konsumschub auslöse. Letztlich käme eine Art Perpetuum mobile in Schwung, mit dem sich die Deutschen wie Münchhausen am eigenen Schopf aus der Wirtschaftskrise ziehen könnten.
Lohnsteigerungen sinnlos
Kräftige Lohnsteigerungen werden jedoch weder die marode Rentenversicherung sanieren noch die Konjunktur auf Trab bringen - aus mehreren Gründen:
- Heimische Unternehmen profitieren kaum.
Die These der Gewerkschaften beruht auf der Annahme, dass die Bürger mit ihren zusätzlichen Einkommen deutsche Produkte erstehen. Tatsächlich landet aber nur ein sehr geringer Teil in den Kassen der hiesigen Unternehmen (Grafik): Ein verheirateter Durchschnittsverdiener mit zwei Kindern gibt von brutto 100 Euro extra im Monat gerade einmal 35 Euro für inländische Waren und Dienstleistungen aus. Der Rest geht für Steuern, Sozialabgaben und den Kauf ausländischer Güter drauf - zudem wandert noch etwas ins Sparschwein. Ein Single sorgt bei deutschen Firmen sogar nur für ein Nachfrageplus von gut 27 Euro.
- Steigende Kosten.
Der Aussicht auf ein wenig mehr Umsatz stehen in den Unternehmen ungleich höhere Kosten gegenüber. So lässt eine Lohnerhöhung um 100 Euro die Arbeitskosten um 121 Euro steigen. Die Betriebe müssen nämlich nicht nur höhere Bruttolöhne finanzieren, sondern auch die damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge. Mit anderen Worten: Damit der Familienvater 35 Euro zusätzlich für deutsche Produkte ausgibt, machen die Unternehmen mehr als dreimal so viel locker - schon rein rechnerisch kann das Kaufkraftargument also nicht funktionieren.
- Höhere Preise.
Sofern es die Wettbewerbssituation erlaubt, wälzen die Unternehmen einen Teil der Lohnerhöhung auf ihre Kunden ab. Die Bundesbürger verdienen dann zwar in Euro und Cent gerechnet mehr Geld. Aufgrund der gestiegenen Preise können sie sich aber womöglich kaum mehr leisten als früher.
- Bedrohte Jobs.
Hinzu kommt die Psychologie: Nach übermäßigen Lohnerhöhungen mögen viele Arbeitnehmer Entlassungen befürchten und sich beim Kauf gerade teurer, langlebiger Produkte wie Autos, Fernseher oder Immobilien zurückhalten der erhoffte Konsumschub verkehrt sich somit ins Gegenteil. Aus der Luft gegriffen ist die Sorge um den eigenen Job nicht. Denn Lohnsteigerungen, die über das Produktivitätsplus hinausgehen, schmälern die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Diese sind dann unter Umständen gezwungen, Mitarbeiter durch Maschinen zu ersetzen oder die Produktion ins Ausland zu verlagern. Die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme kann daher sogar sinken sprich: alle Bundesbürger zusammen haben weniger Geld im Portemonnaie als vor der Tarifrunde.
Lohnerhöhungen kosten Arbeitsplätze
Dass Lohnerhöhungen Arbeitsplätze kosten, ließ sich beispielsweise in den Jahren 2001 bis 2003 beobachten: In diesem Zeitraum kletterten die Arbeitseinkommen je Arbeitnehmerstunde Jahr für Jahr durchschnittlich um fast 1 Prozentpunkt schneller als die Produktivität - gleichzeitig ging eine halbe Million Arbeitsplätze verloren.
Die fatale Beschäftigungswirkung ist zudem der Grund, warum die Rentenkasse mittelfristig nicht profitiert: Geht nämlich die gesamtwirtschaftliche Lohnsumme zurück, brechen in ihrem Schlepptau auch die Beitragszahlungen an die Rentenversicherung ein.