WiWi Gast schrieb am 31.08.2020:
Da hast du natürlich recht. Tatsächlich ist aber im Koalitionsvertrag auch mit der CDU geschrieben, dass zumindest für Zinserträge die Abgeltungssteuer abgeschafft wird. Man kann nur hoffen, dass der Druck gegen die Abschaffung überwiegt.
Zumindest bei Dividenden gibt es ja immer das durchaus stichhaltige Argument der Doppelbesteuerung, da der ausgeschüttete Gewinn bereits mit Körperschaftssteuer belastet ist. Eine Besteuerung der Ausschüttung mit dem individuellen Steuersatz würde dann zu einer Gesamtbelastung von 60...70% des ursprünglichen Gewinns führen.
Das Argument zieht natürlich weniger bei Veräußerungsgewinnen durch Aktienverkäufe. Wünschenswert wäre es, wenn da eine einheitliche Regelung geschaffen würde, denn Veräußerungsgewinne von Crypto/Bitcoin werden ja auch mit dem individuellen Steuersatz versteuert, aber sind andererseits nach einer Haltedauer von >12 Monaten steuerfrei. Bei Immobilien ist die Haltefrist 10 Jahre oder so...
Wenn es nach mir ginge, würde ich Veräußerungsgewinne mit dem persönlichen Steuersatz belegen. Um den langfristigen Vermögensaufbau zu fördern, sollte die Besteuerung ab einer langen Haltedauer von 10 (?) Jahren jedoch entfallen oder zumindest wesentlich reduziert werden.
Dividenden dürfen gerne auch wie normales Einkommen mit dem individuellen Steuersatz besteuert werden, allerdings sofern die bereits abgeführten Steuern auf Unternehmensebene (pauschal) angerechnet werden können - also ähnlich wie früher bis einschl. 2008 das Halbeinkünfteverfahren.
Zu den thesaurierenden ETFs. In Endeffekt kommt es doch auf das gleiche raus, ob ich einmalig meine Gewinne mit 45% versteuere oder das jährlich mache?
Nein, das ist nicht so. Du kannst das ja mal 2 Zeitreihen ausprobieren und durchrechnen. Examplarisch bspw. mit 10 Jahren Laufzeit und einem Anfangskapital 10.000 EUR.
Im Szenario (1) werden pro Jahr 6% ausgeschüttet, mit 25% versteuert und dann wieder angelegt. Im Szenario (2) werden pro Jahr 6% Gewinn ohne Besteuerung thesauriert und der gesamte Zugewinn erst nach den 10 Jahren einmalig mit 25% besteuert.
Im Szenario (1) hast du über die 10 Jahre Bruttoausschüttungen von insgesamt 7.372 EUR erhalten (1.Jahr 600 EUR, 2.Jahr 627 EUR...10.Jahr 892 EUR). Darauf hast du insgesamt 1.843 EUR Steuern (1.Jahr 150 EUR... 10. Jahr -223 EUR) gezahlt und somit ein Endkapital von 15.529 EUR erreicht.
Im Szenario (2) hast du über die 10 Jahre brutto 7.908 EUR thesauriert (1 Jahr: 600, 2.Jahr: 636... 10.Jahr: 1.013 EUR). Einmalig werden am Ende 1.977 EUR Steuern fällig. Damit verbleibt ein Kapital von 15.931 EUR und damit mehr als in Szenario (1).
Je länger die Laufzeit, desto größer wird der Unterschied. Dieser ergibt sich daraus, dass in Szenario (2) die Zinseszinsen zunächst unversteuert ihrerseits neue Erträge erzielen können. Das ganze ist eben eine Exponentialfunktion und keine lineare. Entsprechend vergrößert sich der Unterschied auch exponential...
Im gewählten Beispiel hättest du bei 30 Jahren Laufzeit in Szenario (2) nach Endbesteuerung ein Kapital von 45.576 EUR erreicht im Vergleich mit 37.453 EUR in (1), der Unterschied beträgt dann also schon gut 8.000 EUR.
Die Betrachtung ist natürlich etwas theoretisch. Nicht berücksichtigt sind jährliche Freibeträge für Kapitaleinkünfte, die jährliche Besteuerung von thesauriedenden Fonds durch die Vorabpauschale, Änderungen der Besteuerung im Zeitverlauf etc. etc. etc.
Aber zumindest in diesem Modell ist die Stundung der Steuer bis zum Ende der Laufzeit vorteilhaft gegenüber eine regelmäßigen Steuerzahlung.
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