WiWi Gast schrieb am 24.02.2024:
Kann man mit Berufserfahrung als Buchhalter auch in anderen Ländern als Buchhalter tätig sein oder sind die länderspezifischen Themen (Steuern, Abgaben) so wichtig, dass man nicht ohne Weiteres in einem anderen Land tätig sein kann?
Wenn du tatsächlich Berufserfahrung im Bereich Buchhaltung hast, müsstest du es ja eigentlich selbst wissen, oder?
Wenn es euch interessiert:
Ich habe beruflich mit Buchhaltungen aus USA, Frankreich, Großbritannien, Irland, Schweiz, Österreich und Deutschland zu tun gehabt. Die nationalen Regeln in Bezug auf Dokumentation, Aufbewahrung, benutzte oder vorgeschriebene Kontenrahmen, Rechnungslegungsstandards und Steuern und Abgaben (Arten, Berechnung, Abgabefristen) unterscheiden sich für jedes Land.
Da das System der Doppik und des Abschlusses der GuV auf das Eigenkapital in der Bilanz in allen Ländern gleich ist, kann man grundsätzlich die laufenden Geschäftsvorfälle (ggf. nach Buchungsanweisung) verbuchen und die Daten dann an weitere Stellen wie das Controlling oder den Steuerberater weiterleiten, sofern man die EDV-Software, in der die Buchhaltung erstellt wird, beherrscht. Wir haben z. B. als deutsches Steuerbüro auch die Buchhaltung der österreichischen Tochtergesellschaft erstellt und Umsatzteuervoranmeldung erstellt und in Österreich gemeldet und den Jahresabschluss (fast fertig) vorbereitet für den österreichischen Steuerberater. Das geht also im Prinzip schon. Reich wird man mit "einfacher Buchhaltung" als Angestellter aber wohl in keinem Land.
Konzerne haben für ihre Tochtergesellschaften dann auch ein eher einheitliches Kontensystem für alle Landesgesellschaften, damit die Abschlüsse leicht im Konzern konsolidiert werden können. In die nationale Form wird das dann z. B. erst beim Steuerberater vor Ort gebracht.
Österreich ist z. B. sehr nah dran am deutschen System der Buchhaltung und Besteuerung. Aber auch hier gibt es zahlreiche Abweichungen zu den deutschen Regeln z. B. gibt es für GmbHs in Österreich eine Mindesbesteuerung mit Körperschaftsteuer, auch wenn die GmbH nur Verluste macht. Vorsteuerguthaben werden nie ausgezahlt, sondern nur mit Steuerschulden (auch aus anderen Steuerarten) verrechnet. Es gibt auch bei der steuerlichen Behandlung Unterschiede z. B. bei Dienstwagen oder der Bewirtung. Wenn du nur im deutschen System ausgebildet bist, findet du in Österreich nichts im Gesetz. Da die Gesetze im Endeffekt zwar meistens eine ähnliche Lösung beinhalten, aber ganz anders aufgebaut sind als die deutschen Gesetze.
Schweiz ist, was die nationalen Rechnungslegungsstandards betrifft, auch sehr ähnlich zu Deutschland. Deren Steuersystem ist aber ein ganz anderes.
Frankreich schien mir sehr "bürokratisch", wie die E-Bilanz dort an den Staat zu melden ist. Die Struktur ist dort sehr feingliedrig. Auch haben die ganz andere Abgaben im Bereich der Sozialversicherung (viel mehr).
USA und Großbritannien sind wohl am wenigsten bürokratisch. Aber auch in den Zeiten, in denen Großbritannien noch in der EU war, waren die Meldungen und Grenzen in der Umsatzsteuer ganz andere als in Deutschland (soweit es die MwStSysR zuließ).
Also ja, auf der untersten Stufe kannst du in der Buchhaltung in jedem Land mitarbeiten, sofern du über geeignete Sprach- und EDV-Kenntnisse verfügst. Wenn du aber mehr als ein Einsteigergehalt verdienen willst, musst du dir die nationalen Regeln aneignen, was sicher mehrere Jahre dauern wird.
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