Inventler schrieb am 02.08.2019:
Gar nicht.
Quelle: Arbeite in einer IT-Beratung die "AI" und die ganzen anderen Buzzwords macht und kann dir vertraulich sagen: Einen Scheiß machen wir und andere und unsere Kunden erst recht nicht...der technische Fortschritt geht langsamer als man denken mag
Hmmmm, also so ganz zustimmen kann ich da nicht.
Ich bin bei einem Outsourcing-Dienstleister, der Geschäftsprozesse aus der Verwaltung von den Kunden übernimmt. Wir gehen dort dazu über, immer mehr zu automatisieren. Und dabei geht es nicht nur um 0815-Themen.
Ein Beispiel:
Wir bieten einen speziellen Bereich in der Buchhaltung an. Diesen kann kein normaler Buchhalter machen, sondern man benötigt Experten dazu. Auch ist der zeitliche Anfall aufgrund einer Gesetzesumstellung aktuell sehr hoch, zukünftig stark reduziert, da dann der Bestand abgearbeitet ist und nur noch neue Fälle bearbeitet werden müssen. Deshalb ist es für Unternehmen sehr interessant, das Thema abzugeben, da es sich nicht lohnt, das Expertenwissen aufzubauen, weil es ja zukünftig kaum noch benötigt wird.
Die Aufgabe besteht darin, Verträge durchzuarbeiten und eine Entscheidung bzgl. Aktivierbarkeit zu treffen. Das Thema ist sehr komplex, da jeder Vertrag anders formuliert ist und man überprüfen muss, ob die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind. Man muss also auch irgendwelche Vertragsfloskeln interpretieren können und verstehen, was die Vertragspartner wirklich vereinbart haben.
Wir bieten diesen Prozess nun durch eine KI an, welche wir quasi über zwei Jahre "angelernt" haben. Der Vertragstext wird per OCR digitalisiert (es kann dabei durchaus um Verträge gehen, die schon Jahrzehnte alt sind) und die KI prüft anhand von etwa 200 Kriterien, ob die Vorgaben erfüllt sind. Die Trefferquote ist da mittlerweile schon besser als der normale menschliche Mitarbeiter leistet und sie verbessert sich noch weiterhin.
Um die Dimension dieses sicher sehr kleinen Randthemas zu verdeutlichen:
Wir haben als Kunden einen DAX-Konzern, der dadurch für die bestehenden Verträge 80 Mannjahre Einspart. Der laufende Betrieb später wird dann natürlich erheblich geringer sein.
Was das System ansich angeht, so wäre sicherlich durchaus auch denkbar, damit Aufgaben von Juristen, Notaren, ect. zu übernehmen. Vertragsprüfungen sind da ein typisches Feld und genau das macht die KI ja.
Ich stimme beim Thema Digitalisierung generell zu, dass da vieles übertrieben wird. Klar fallen Tätigkeiten weg, das schafft aber auch wieder Raum für neue.
Wo ich in keinster Weise zustimme ist die Weit verbreitete Ansicht, es geht dabei nur um Tätigkeiten, die einfach sind, sich immer wiederholen und am besten einer klaren Logik folgen. Dafür braucht man keine KI, dafür braucht man lediglich einen simplen Algorithmus und das war theoretisch in den letzten 20 Jahren auch schon möglich. Das wirklich Neue wird sein, dass es immer mehr in Bereich geht, wo auch Interpretationen, Abwägen, sowas wie ein "Verstand" nötig ist. Da werden sich sicherlich viele umschauen.
Ich bringe da immer gerne das Beispiel WP/StB, dort sehe ich extrem viel Potential, zumindest für die Standards wie die reine Abschlussprüfung. Ich würde sogar soweit gehen, dass so ein Bereich langfristig zu 100% automatisiert werden könnte, wenn man das denn will. Momentan sieht es aber so aus (auch aufgrund der starken Lobbys), dass man das garnicht möchte. Generell wird es immer einen Unterschied geben, was technisch machbar ist und was man tatsächlich auch nutzt.
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