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Ernst & Young: Für Mittelstand kein Aufschwung in Sicht

Studie: Unternehmer im Saarland und in NRW am optimistischsten - Kritik an der bundesweiten Standortpolitik - Internationalisierung bringt bessere Geschäfte

Blau-weiss gestreifter Windsack in Großaufnahme bei strahlend blauem Himmel.

Stuttgart, 28. Juli 2003 (ey) Die mittelständischen Unternehmen in Deutschland haben ein schwieriges Jahr 2002 hinter sich und erwarten kurzfristig keine deutliche Besserung ihrer Geschäftslage. Im Vergleich zum Vorjahr bezeichnen 61 Prozent der deutschen Mittelständler die aktuelle Geschäftslage als schlechter oder unverändert schlecht. Für die kommenden sechs Monate erwartet nur die Hälfte - 49 Prozent - eine positive Geschäftsentwicklung.

Das sind Ergebnisse einer aktuellen Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young. Der Studie liegt eine Umfrage unter 1.600 mittelständischen Unternehmen in Deutschland zugrunde, die vom Marktforschungsinstitut com.research.center (Fachhochschule Ludwigshafen) durchgeführt wurde.

Bei der Einschätzung des aktuellen Geschäftsklimas gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Bundesländern: Im Saarland sind 60 Prozent der Unternehmer mit der Geschäftslage eher zufrieden, in Nordrhein-Westfalen immerhin noch 50 Prozent, während etwa in Sachsen-Anhalt (72 Prozent) und in Bayern (74 Prozent) eine deutliche Mehrheit über eher schlechte Geschäfte klagt.

Bayerische Unternehmer am pessimistischsten
Bei der Prognose für das kommende halbe Jahr ergibt sich ein ähnliches Bild: Am optimistischsten sind die Saarländer (64 Prozent erwarten eher positive Entwicklung), schlechte Stimmung herrscht vor allem in Hessen und in Bayern - hier erwarten nur 43 bzw. 39 Prozent eine eher positive Entwicklung.

»Gerade in den bisherigen Wachstumsregionen ist die Stimmung jetzt auf dem Tiefpunkt«, kommentiert Peter Englisch, Niederlassungsleiter Ruhrgebiet bei Ernst & Young, dieses Ergebnis. »Saarländer und Nordrhein-Westfalen haben schon in den vergangenen Jahren Strukturkrisen meistern müssen und scheinen der aktuellen Lage mehr Gutes abgewinnen zu können als etwa die über lange Jahre sehr erfolgreichen Bayern.«

Kritik der Mittelständler: Regierung tut zu wenig für Standort Deutschland
Die bundesweite Standortpolitik steht in der Kritik: 83 Prozent der Unternehmen bewerten sie als »schlecht« oder »eher schlecht«, und nur 17 Prozent der Unternehmer sind der Ansicht, dass die Maßnahmen, die den Wirtschaftstandort Deutschland attraktiver machen sollen, ausreichend sind. Im Durchschnitt etwas positiver beurteilen die Unternehmer die Rahmenbedingungen in ihrem Bundesland. Die besten Noten gibt es dabei für Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen (befriedigend/mittel), am unteren Ende der Rangliste finden sich Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern wieder.

»Das Ansehen des Standorts Deutschland bei den deutschen Unternehmern ist schlecht«, fasst Peter Englisch die Ergebnisse zusammen. »Langwierige Reformdebatten, die kaum zu Resultaten führen, verfestigen den Eindruck, dass Deutschland seine Probleme nicht lösen kann und der Standort Deutschland gegenüber den Nachbarländern ins Hintertreffen gerät.«

Große Unterschiede bei der Bildungspolitik - gute Noten für Infrastruktur
Beim Thema Bildungspolitik schneiden Baden-Württemberg und Bayern am besten ab und erhalten von den dort ansässigen Unternehmen im Durchschnitt die Note »eher gut« für ihre Bildungspolitik. Ähnlich positiv urteilen die Unternehmer in Hessen und Sachsen über die Arbeit ihrer Landesregierungen. Schlusslicht ist Berlin, das fast ausschließlich eher schlechte Zensuren erhält.

Deutlich zufriedener zeigen sich die Unternehmer mit der Infrastruktur in ihrem Bundesland: Hier steht Berlin mit einer Note zwischen »eher gut« und »gut« an der Spitze, gefolgt von Hessen, Hamburg, Baden-Württemberg und Bayern. Überwiegend schlechte Noten erhalten die Länder Schleswig-Holstein (letzter Rang), Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

Hauptärgernisse: Hohe Steuern und Lohnnebenkosten
Für deutsche Mittelständler stehen derzeit - neben der Sorge um die Umsatzentwicklung und der Wettbewerbssituation - die Themen Lohnnebenkosten und Steuern ganz oben auf der Agenda: 76 Prozent bzw. 69 Prozent der Unternehmen beschäftigen sich stark mit diesen Themen. Die große Mehrheit der Unternehmen betrachtet ihre derzeitige Steuerbelastung als hoch oder sogar sehr hoch, und drei Viertel der Unternehmen (76 Prozent) geben an, dass die Komplexität des Steuerrechts ihren Geschäftserfolg beeinträchtigt.

»Für die mittelständischen Unternehmen ist das Thema Steuern ein Reizthema geworden«, beschreibt Peter Englisch seine Erfahrungen mit den Unternehmen. »Die Steuervorschriften werden immer komplexer, Änderungen werden im Wochenrhythmus angekündigt und dann wieder zurückgenommen. Das hinterlässt bei den Unternehmern eine tiefe Verunsicherung.«


Finanzierung wird zum Mittelstandsthema
Die Zeiten, in denen Unternehmer beste Kontakte zu ihrer Hausbank pflegten und die Banken bereitwillig Kredite gaben, sind vorbei: Mehr als die Hälfte der Unternehmen beschäftigt sich derzeit intensiv mit dem Thema Finanzierung. Im Vordergrund steht dabei für 45 Prozent der Unternehmen die Liquidität, also die Fähigkeit der Unternehmen, ihre Zahlungsverpflichtungen fristgerecht zu erfüllen.

»Die Reserven vieler Unternehmen sind nach mehreren Jahren Konjunkturflaute nahezu verbraucht«, erläutert Peter Englisch. »Bei einer noch länger anhaltenden Wirtschaftsflaute wird ein großer Anteil der mittelständischen Unternehmen existentiell gefährdet sein.«

Internationalisierung bringt bessere Geschäfte
Die Mehrheit - 62 Prozent - der mittelständischen Unternehmen ist derzeit nicht international tätig. Viele Mittelständler vergeben mit ihrer Beschränkung auf den deutschen Markt Umsatz- und Wachstumschancen, wie ein Geschäftsklima-Vergleich zwischen national und international tätigen Unternehmen zeigt: Von den Mittelständlern, die nur in Deutschland tätig sind, bewerten zwei Drittel ihre Geschäftslage als negativ, ein Drittel als positiv. Unter den Unternehmen, die international tätig sind, ist dieses Verhältnis mit jeweils 50 Prozent ausgeglichen.

»Die Unternehmen, die auch im Ausland tätig sind, machen in der Regel bessere Geschäfte, weil sie weniger von der schwachen deutschen Konjunktur betroffen sind und durch ihre internationale Aufstellung Kostenvorteile realisieren können«, erläutert Peter Englisch abschließend. »Noch immer wagen zu wenige mittelständische Unternehmen den Schritt ins Ausland.«

Link
www.ey.com

Die komplette Studie kann hier heruntergeladen werden.