WiWi Gast schrieb am 31.10.2022:
Ich bin Unternehmensberater im Bereich Financial Services und habe erst kürzlich eine PB Strategie erstellt. My thoughts:
PB hat nicht den Anspruch, den S&P500 über 10 JAhre outzuperformen - tut es auch nicht. Kunden wollen:
- Sich um nichts kümmern müssen;
- In jeder Marktlage zumindest kein Geld verlieren und Liquidität sicherstellen;
- Sich gebauchpinselt fühlen (sprich: gut beraten)
Der Schnittmenge zwischen PB Kunden, die genug Vermögen für die Dienste haben, und Kunden, welche kompetent am Kapitalmarkt eine vergleichbare Performance erzielen können ist ehrlicherweise sehr gering. 80%+ der Kunden haben keine Financial Literacy, weil sie durch Erben oder Unternehmertum in einer Nische reich wurden, und nicht durch Trading von Aktien. Dazu kommt, dass die Antwort "Long in den S&P 500" auch zu kurz gedacht ist - was, wenn der Kunde jährliche Liquiditätsbedürfnisse von mehreren Millionen hat? Soll er dann schnell mal Aktien verkaufen?! Oder, wenn der Kunde seine Aktiengewinne durch bspw. Kreditzinsen steuerlich offsetten könnte, durch bspw. einen Kredit auf das Aktienportfolio, von dem er weitere Investitionen finanziert oder den Lebensunterhalt führt? Für fast keinen Kunden ist es sinnvoll, solche Konstrukte alleine ohne Beratung zu bauen - im schlimmsten Fall nur, um vor Gericht, vor den Steuerbehörden etc. sortiert zu sein und nicht durch Flüchtigkeitsfehler mehrere Millionen zu verlieren.
Die wichtigsten Punkte wurden natürlich vergessen. Diversifikation: Der Großteil der vermögenden Kunden hat Klumpenrisiko aus zwei Ecken.
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Oft kommt das Einkommen aus unternehmerischen Tätigkeit (das kann passiv oder aktiv sein). Dieses Einkommen korreliert häufig stark mit der Wirtschaftsentwicklung eine Branche oder Region. Dadurch ergibt sich eine Nachfrage Wertpapierportfolios so zu konstruieren, das sich Einkommen und Wertpapiervermögen zumindest zum Teil aufheben. Hier kommen dann ETFs an ihren Grenzen, weil man beispielsweise ein Wertpapierportfolio das nicht in Deutschland und/oder nicht in eine bestimmt Branche investiert ist. Hieraus ergibt sich eine Notwendigkeit an aktiver Steuerung.
- Dazu gibt es im Vermögen oft Positionen, die ebenfalls zu einer aktiven Steuerung eines Wertpapierportfolios führen. Solche Positionen sind zum Beispiel, Gewerbeimmobilien, Shopping Centre, Tiefgaragen etc.. Wer Europaweit Anteile an Gewerbeimmobilien bestimmter Art, zB. Baumärkte, hat (ein Kunde von mir), braucht ein Wertpapierportfolio das dieses Klumpenrisiko ausgleicht. Ähnliche Überlegungen ergeben sich für Vermögen, die erheblich in Kunst etc. investiert sind.
Der zweite wichtige Punkt ist Risikomanagement. Bei großen Vermögen, die verschiedene Nebenbedingungen erfüllen müssen (siehe oben), ergibt sich automatisch ein Bedarf für Risikomanagement, da durch Kursschwankungen, die Nebenbedingungen gerißen werden können.
Dagegen sind die genannten Punkte bestenfalls drittrangig, eher falsch.
Die meisten Vermögenden, vor allem Unternehmen, haben keinen Bedarf an Liquiditätssteuerung des Privatvermögens. Geld zum investieren, das für die Bank freigegeben wird, ist Geld das einfach nicht benötigt wird. Hier und da ergibt sich die Notwendigkeit die Duration von Vermögen und Schulden anzugleichen, zum Beispiel wenn regelmäßig große Summe gezahlt werden müssen (Pacht für eine große Länderei, Rate für Privatflugzeug, Yacht etc.). Das würde unter Liquiditätsmanagement fallen, ist aber nach meiner Erfahrung eher die Ausnahme.
Dieses Klientel hat auch keinen Grund sich gebauchpinsel zu fühlen. Besonders erfolgreiche Unternehmer sind knallharte Cost-Benefit Kalkulierer, die nur was einkaufen was auch Nutzen hat. Das Argument mag für reiche Insta-Influencer gelten, die sind aber in der absoluten Minderheit. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Unternehmenserben in zweiter oder dritter Generation, die nicht aktiv im Unternehmen sind, haben übrigens oft nicht viel Spielraum das Vermögen zu managen, da diese gern über ne Stiftung o.ä. alimentiert werden. Da wird nicht einfach Opas Unternehmen vererebt, wenn klar ist das der Sproß unfähig ist.
Insgesamt schwache Überlegungen von jemanden, der sich angeblich damit beschäftigt. Bei einem Berater habe ich aber allerdings nicht mehr erwartet.
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