Herbstgutachten 2014 der führenden Wirtschaftsinstitute - Deutsche Wirtschaft stagniert
Die deutsche Wirtschaft wird dieses Jahr um 1,3 Prozent und in 2015 um 1,2 Prozent wachsen. Schwach ist sowohl die Binnennachfrage – das Konsumklima hat sich verschlechtert und die Unternehmen halten sich mit Investitionen weiterhin zurück – als auch die Auslandsnachfrage. Belastend wirken das mäßige Wachstum der Weltwirtschaft und niedrige Dynamik im Euroraum.
Deutsche Wirtschaft stagniert
Die deutsche Konjunktur hat sich abgekühlt. Nach einem starken Jahresauftakt ist die Produktion im zweiten Quartal 2014 um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal gesunken. Dass die aufgrund der ungewöhnlich milden Witterung starke Dynamik am Jahresanfang nicht anhalten würde, war erwartet worden. Der Rückgang der Produktion kam allerdings unerwartet. Günstige Finanzierungsbedingungen, eine zunehmende Kapazitätsauslastung und die in Unternehmensumfragen zum Ausdruck kommende Zuversicht hatten insbesondere eine Beschleunigung der Investitionen erwarten lassen.
Eine Investitionsbelebung ist allerdings nicht eingetreten. Vielmehr hat sich die Konjunktur seit dem Frühjahr eingetrübt. Darauf deutet etwa das ifo Geschäftsklima hin, das sich seit Mai fünf Monate in Folge verschlechtert hat. Mehrere Faktoren dürften hierzu beigetragen haben. Die weltwirtschaftliche Produktion expandierte mit einem unerwartet mäßigen Tempo, insbesondere der Euroraum befindet sich nach wie vor in einer Schwächephase. Internationale Krisen wie der weiter schwelende russisch-ukrainische Konflikt und die kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien und im Irak trübten die wirtschaftlichen Aussichten zusätzlich ein. Aber auch die deutsche Binnennachfrage zeigt deutliche Zeichen von Schwäche. Die privaten Konsumausgaben stiegen im zweiten Quartal nur wenig, und das Konsumklima verschlechterte sich zuletzt. Die Unternehmensinvestitionen gingen im zweiten Quartal zurück, und kaum etwas spricht dafür, dass sich die Investitionszurückhaltung bald legen wird.
Vor diesem Hintergrund ist der konjunkturelle Ausblick für Deutschland verhalten. Im dritten Quartal wird die gesamtwirtschaftliche Produktion lediglich stagniert haben. Die Industrieproduktion dürfte erneut gesunken sein. Die Frühindikatoren sprechen dafür, dass die Expansion bis zum Jahresende schwach bleiben wird. So waren die Auftragseingänge im Durchschnitt der Monate Juli und August niedriger als im zweiten Quartal. Alles in allem wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2014 voraussichtlich um 1,3 Prozent steigen. Das 68-Prozent-Prognoseintervall reicht dabei von 1,1 Prozent bis 1,5 Prozent. Wegen der Stagnation im zweiten Halbjahr wird die Auslastung der deutschen Wirtschaft zurückgehen, die Produktionslücke bleibt negativ.
Die konjunkturelle Schwäche hinterlässt erste Spuren auf dem Arbeitsmarkt: Der Beschäftigungsaufbau hat sich verlangsamt, und die registrierte Arbeitslosigkeit hat zuletzt geringfügig zugenommen. Die Inflationsrate ist niedrig. Im September lagen die Verbraucherpreise um 0,8 Prozent über dem Vorjahr, wozu auch externe Faktoren, wie der Rückgang der Energiepreise, beigetragen haben. Die Verbraucherpreisinflation dürfte im Jahr 2014 bei 1,0 Prozent liegen.
Die Aussichten für die Konjunktur sind auch deshalb gedämpft, weil Gegenwind von der Wirtschaftspolitik kommt. Zwar gehen von der Finanzpolitik, gemessen an den diskretionären Maßnahmen, expansive Impulse aus, doch wirken das Rentenpaket und die Einführung des flächendeckenden Mindestlohns wachstumshemmend. Auch nutzt die Bundesregierung ihren finanziellen Spielraum zu wenig für investive Zwecke. All dies wirkt sich wohl negativ auf die private Investitionsneigung aus. Dass die Bundesregierung der Konsolidierung des Staatshaushaltes eine herausgehobene Bedeutung zukommen lässt, ist zu begrüßen. Angesichts erwarteter öffentlicher Finanzierungsüberschüsse in Höhe von 0,3 Prozent und 0,1 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt für die Jahre 2014 und 2015 wäre eine Minderung der Abgabenbelastung allerdings durchaus möglich.
Die Geldpolitik ist zwar nach wie vor bemüht, stimulierend auf die Konjunktur im Euroraum zu wirken. In Deutschland sind dadurch die Zinsen sehr niedrig. Allerdings dürften die jüngst beschlossenen Maßnahmen kaum zusätzliche Impulse für die Realwirtschaft entfalten.
Trotz der leicht expansiven Finanzpolitik und der weiterhin niedrigen Zinsen dürfte die deutsche Wirtschaft auch im kommenden Jahr deutlich unterausgelastet sein. Der Produktionsanstieg im Jahr 2015 wird wohl geringer ausfallen als bisher erwartet; die Institute prognostizieren, dass das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2015 um 1,2 Prozent zunehmen wird; kalenderbereinigt entspricht dies nur einem Anstieg um 1,0 Prozent. Das 68-Prozent Prognoseintervall reicht von -0,3 bis 2,7 Prozent.
Die Exporte dürften dabei nur verhalten und langsamer als die Einfuhren zunehmen, so dass die Außenwirtschaft rechnerisch einen leicht negativen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Expansion beisteuert. Der Anstieg der Inlandsnachfrage wird sich im Verlauf des kommenden Jahres zwar etwas beschleunigen, aufgrund der ungünstigeren Absatzperspektiven dürften die Ausgaben der Unternehmen für Ausrüstungen und Bauten aber nur allmählich ausgeweitet werden. Hinzu kommt, dass der flächendeckende Mindestlohn zwar trotz zu erwartender negativer Beschäftigungseffekte die Lohnsumme erhöhen, aber die Unternehmensgewinne senken wird. Per saldo dürfte die reale gesamtwirtschaftliche Nachfrage vom Mindestlohn wohl nicht stimuliert werden. Zum Teil wird der durch den Mindestlohn induzierte Kostenanstieg auf die Preise überwälzt werden. Die Verbraucherpreise werden im Jahr 2015 wohl um 1,4 Prozent steigen; davon dürften 0,2 Prozentpunkte auf den Mindestlohn zurückgehen. Die Zahl der Arbeitslosen wird im Jahresdurchschnitt leicht um 56 000 Personen steigen, die Arbeitslosenquote wird im Jahr 2015 wohl 6,8 Prozent betragen.
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