Geschäftsklima-Absturz: Die Quittung für US-Finanzkrise und deutsche Wirtschaftspolitik
Börsen-Zeitung: Kommentar von Reinhard Kuls zum unerwartet starken Einbruch des Ifo-Geschäftsklimaindex
Geschäftsklima-Absturz: Die Quittung für US-Finanzkrise und deutsche
Wirtschaftspolitik
Frankfurt, 27.09.2008 (ots) - Deutschland wird
sich doch noch an den Kosten des voraussichtlich 700 Mrd. Dollar teuren
Rettungspakets der US-Regierung für das amerikanische Bankensystem
beteiligen. Dafür muss Washington aber noch nicht einmal eine
Zahlungsaufforderung nach Berlin schicken. Denn die deutsche
Bundesregierung kann so standhaft bleiben wie sie will und keinerlei
Schecks an US-Finanzminister Henry Paulson senden - entziehen kann sich
Deutschland der Kostenrechnung dennoch nicht. Diese hat die Form eines
harten Konjunkturabschwungs auf beiden Seiten des Atlantik, ja sogar
weltweit. Denn die US-Wirtschaft dürfte selbst dann für geraume Zeit in
einem langsameren Wachstumstempo bleiben, wenn die Rettungsmaßnahmen, die
jetzt in Washington beschlossen werden sollen, schnell und wirksam
greifen. Die negativen Folgen des dann noch gewaltig größeren
Doppeldefizits der USA (Haushalt und Leistungsbilanz) werden global zu
spüren sein.
Und präsentiert wird diese Rechnung Deutschland
jetzt schon, das Ifo-Institut mit seinem Geschäftsklimaindex ist der Bote.
Denn der seit dem Frühjahr anhaltende Absturz dieses Stimmungsbarometers
reflektiert, auch wenn dies das Ifo-Institut so differenziert noch nicht
berechnet hat, zum einen die Angst in den Führungsetagen deutscher
Unternehmen vor den Kollateralschäden der Finanzmarktkrise. Zum anderen
lastet auf dem Ifo-Index seit Monaten das Schrumpfen der Ordereingänge bei
der deutschen Industrie. Die zunehmende Bestellzurückhaltung ist aber mit
ausgelöst von den Sorgen der Auftraggeber im Inland wie auch im Ausland um
die negativen konjunkturellen Folgen des Finanzdebakels.
Mit dem
neuerlichen, sehr starken Abfall des Ifo-Geschäftsklimaindex wird aber
nicht nur eine Rechnung aus den USA, sondern noch eine Quittung ganz
anderer Art präsentiert. Und diese hat sich die deutsche Volkswirtschaft
und vor allem die gesamte Währungsunion gleichsam selbst zuzuschreiben:
Sie enthält die Kosten für jahrelange wirtschaftspolitische Versäumnisse.
Die zurückliegenden Jahre der Hochkonjunktur wurden zu wenig genutzt, um
die staatlichen Haushalte zu sanieren, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen
und die Binnennachfrage zu stärken, um so dem nun verschärft sich
abzeichnenden Abschwung im Euroraum wenigstens die Spitze nehmen zu
können.
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