Herbstgutachten 2011 der führenden Wirtschaftsinstitute
Im Sommer 2011 haben sich die Aussichten für die Weltwirtschaft deutlich verschlechtert. Insbesondere droht in Europa die Staatsschuldenkrise, sich zu einer Bankenkrise auszuweiten. Dies belastet zunehmend auch die deutsche Konjunktur.
Herbstgutachten 2011 - Deutschland
Die Schulden- und Vertrauenskrise im Euroraum belastet zunehmend die deutsche Konjunktur. Die stark erhöhte Unsicherheit wird die inländische Nachfrage dämpfen, und der Außenhandel dürfte aufgrund der schwierigen Lage einiger wichtiger Handelspartner nicht mehr zur Expansion beitragen. Käme es in dieser Situation zu einer weiteren Zuspitzung der Schuldenkrise in Europa, so wäre sogar mit erheblichen negativen Effekten auf die Konjunktur im Euroraum und in Deutschland zu rechnen. Die Institute erwarten, dass es dazu nicht kommt. Sie gehen zwar davon aus, dass die begonnene Restrukturierung der griechischen Staatsschulden fortgesetzt wird, was zu Einbußen bei den Gläubigern führt. Eine Ansteckung in dem Ausmaß wie nach der Insolvenz von Lehman Brothers ist aber wenig wahrscheinlich. Der Ausfall käme nämlich weder unerwartet, noch dürften Zweifel an der Liquiditätsausstattung des Bankensystems aufkommen, da die EZB diese mit den neu geschaffenen Instrumenten sicherstellen kann. Zu einer schweren Rezession dürfte es unter diesen Annahmen, anders als in den
Jahren 2008/09, nicht kommen.
Im dritten Quartal 2011 dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,6Prozent ausgeweitet worden sein. Dies signalisieren die gute Produktions- und Umsatzentwicklung und die weiter gestiegene Beschäftigung. Für das Winterhalbjahr 2011/12 rechnen die Institute damit, dass die erhöhte Unsicherheit und die verschlechterten internationalen Rahmenbedingungen dazu führen werden, dass die Produktion stagniert. Anders als im übrigen Euroraum kommt es allerdings in Deutschland wohl nicht zu einer Rezession. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Finanzpolitik hierzulande deutlich weniger restriktiv ausgerichtet ist als dort und dass die Finanzierungsbedingungen hierzulande erheblich günstiger sind als in Ländern mit hoher Verschuldung.
Unter der Annahme, dass die Unsicherheit im Euroraum langsam wieder zurückgehen wird, weil die Schulden- und Vertrauenskrise schrittweise an Schärfe verliert und die Weltwirtschaft nach und nach ihre Schwäche überwindet, dürfte die deutsche Konjunktur ab dem zweiten Quartal 2012 wieder Fahrt aufnehmen. Zudem wird die Geldpolitik der EZB in Deutschland weiterhin relativ expansiv wirken. Für das Jahr 2012 rechnen die Institute mit einer Zunahme des Bruttoinlandsproduktes um 0,8 Prozent, nach 2,9 Prozent im Jahr 2011.
Aufgrund der stärkeren konjunkturellen Dynamik wird die Kerninflationsrate in Deutschland wohl höher sein als in vielen anderen Ländern des Euroraums. Dazu trägt ein kräftiger Lohnanstieg bei. Aktuell ist die Teuerungsrate allerdings von Preiserhöhungen bei Rohstoffen, Energie und Nahrungsmitteln geprägt, die sich nicht in gleichem Umfang fortsetzen dürften. Hingegen nimmt der binnenwirtschaftliche Preisauftrieb zu. Per saldo wird ein Anstieg der Verbraucherpreise in Deutschland um 2,3 Prozent im Jahr 2011 und um 1,8 Prozent im Jahr 2012 prognostiziert.
Der Arbeitsmarkt dürfte von der kurzen wirtschaftlichen Stagnation nicht zurückgeworfen werden. Die Unternehmen werden zur Überbrückung der konjunkturellen Schwächephase zunächst auf flexible Arbeitszeitinstrumente zurückgreifen. Hierfür spricht auch die zu erwartende Abnahme des Erwerbspersonenpotenzials. Die Arbeitslosenquote dürfte daher auf 7,0 Prozent im Jahr 2011 und 6,7 Prozent im Jahr 2012 weiter leicht sinken. Die Finanzlage des Staates wird sich weiter verbessern. Das Budgetdefizit des Staates wird auf 0,9 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr und 0,6 Prozent im kommenden Jahr zurückgehen. Der Rückgang im Jahr 2011 ist im Wesentlichen auf konjunkturbedingter Minderausgaben und Mehreinnahmen zurückzuführen.