Herbstgutachten 2013 der führenden Wirtschaftsinstitute - Konjunktur zieht an
Die deutsche Wirtschaft steht vor einem Aufschwung. Das reale Bruttoinlandsprodukt wird im Jahr 2014 um 1,8 Prozent expandieren nach nur 0,4 Prozent in diesem Jahr. Getragen wird er von der Binnennachfrage. Der Private Konsum profitiert von günstigen Beschäftigungs- und Einkommensaussichten. Der Staatshaushalt dürfte weiterhin einen Überschuss aufweisen.
Deutsche Wirtschaft steht vor Aufschwung
Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Herbst 2013 am Beginn eines Aufschwungs. Die lebhaftere Expansion der Weltwirtschaft und die abnehmende Unsicherheit im Zusammenhang mit der Krise im Euroraum schaffen ein Umfeld, in dem die günstigen binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder mehr zum Tragen kommen. Die kräftige Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktion im zweiten Quartal konnte zwar nicht gehalten werden, da sie auf Nachholeffekte nach dem strengen und langen Winter zurückzuführen war. Die aktuellen Indikatoren weisen aber darauf hin, dass die Grundtendenz der Konjunktur aufwärts gerichtet ist.
Eine steigende Beschäftigung und merkliche Lohnzuwächse sorgen bereits seit längerem für eine robuste Entwicklung des privaten Verbrauchs. Dies dürfte sich im weiteren Verlauf des Prognosezeitraums fortsetzen, da die Erwerbstätigkeit weiterhin deutlich ausgeweitet wird. Die Exporte werden von der sich weiter belebenden Weltwirtschaft angeregt. Bereits seit einiger Zeit erhöhen sich die Ausfuhren in die außereuropäischen Länder recht dynamisch, mit der wirtschaftlichen Stabilisierung dort werden die Lieferungen in den Euroraum an Kraft gewinnen. Alles in allem dürfte die Zunahme der deutschen Ausfuhren aber eher verhalten sein. Die Importe werden hingegen durch die kräftige binnenwirtschaftliche Nachfrage angeregt. Per saldo wird der Expansionsbeitrag des Außenhandels zum Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich negativ bleiben.
Die Investitionstätigkeit wird im Prognosezeitraum langsam Fahrt aufnehmen, nachdem sich die Unsicherheit über eine erneute Zuspitzung der Krise im Euroraum verringert hat und sich Absatzperspektiven auf den Weltmärkten aufhellen. Damit entfalten die weiterhin günstigen Finanzierungsbedingungen ihre Wirkungen. Die Baukonjunktur wird durch das günstige Investitionsumfeld und insbesondere das niedrige Zinsniveau gestützt.
Alles in allem dürfte das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um 0,4 Prozent zunehmen; das 68-Prozent-Prognoseintervall reicht von 0,2 bis 0,6 Prozent. Die niedrige jahresdurchschnittliche Zunahme geht vor allem auf die deutlichen Produktionsrückgänge im Winterhalbjahr 2012/2013 zurück. Für das kommende Jahr ist eine Zunahme des Bruttoinlandsprodukts um 1,8 Prozent zu erwarten; das 68-Prozent-Prognoseintervall reicht dabei von 0,6 bis 3,0 Prozent. Die deutsche Wirtschaft dürfte im Jahr 2014 schneller als das Produktionspotenzial wachsen, und die Unterauslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten verringert sich deutlich.
Der Preisauftrieb bleibt im Prognosezeitraum mit Inflationsraten von 1,6 Prozent in diesem und 1,9 Prozent im kommenden Jahr moderat. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte weiter zunehmen um 235 000 Personen im Durchschnitt dieses Jahres und um 260 000 Personen im kommenden Jahr. Da das Erwerbspersonenpotenzial aber zunimmt, schlägt sich dies kaum in eine Abnahme der Arbeitslosigkeit nieder. Die Arbeitslosenquote sinkt nur leicht von 6,9 Prozent im Jahr 2013 auf 6,8 Prozent im Jahr 2014.
Der öffentliche Gesamthaushalt wird dieses Jahr mit einem Überschuss von etwa 3 Milliarden Euro oder 0,1 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt abschließen. Im kommenden Jahr dürfte der Überschuss bei besserer Konjunktur auf knapp 8 Milliarden Euro oder 0,3 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt steigen. Diese Prognose beruht auf den derzeit geltenden Haushalts- und Finanzplanungen.
Risiken für die deutsche Konjunktur resultieren insbesondere daraus, dass die Lage im Euroraum immer noch fragil und ein erneutes Aufflammen der Krise weiterhin nicht auszuschließen ist. Die in den vergangenen Jahren geschaffenen Instrumente zur Stabilisierung der Finanzmärkte und die Ankündigung der Europäischen Zentralbank, unter bestimmten Voraussetzungen stabilisierend auf den Märkten für Staatsanleihen einzugreifen, haben die Lage nur vorerst beruhigt, stellen aber keine dauerhafte Lösung dar. Ein Erlahmen der politischen Bemühungen um einen tragfähigen Ordnungsrahmen für die Europäische Währungsunion oder ein Nachlassen der Konsolidierungs- und Reformanstrengungen in den Krisenstaaten könnte zu erneuten Anspannungen auf den Finanzmärkten führen.
Die deutsche Wirtschaftspolitik steht im Herbst 2013 vor wichtigen politischen Weichenstellungen. Da die Bundestagswahl keine klare Regierungsmehrheit brachte, wird sich erst in den kommenden Wochen entscheiden, welchem Kurs die künftige Bundesregierung folgen wird. Die vorliegende Prognose wurde bezüglich der Wirtschaftspolitik unter Status quo-Bedingungen abgeleitet. Im Wahlkampf wurden aber vielfach Vorschläge unterbreitet, die würden sie umgesetzt Änderungen in der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik nach sich ziehen würden. Dabei ging es sowohl um Verteilungsfragen als auch um die Förderung des Wirtschaftswachstums.
Die Finanzpolitik war in den vergangenen Jahren bestrebt, den Staatshaushalt zu konsolidieren und hat so eine günstige Ausgangslage geschaffen. Im Jahr 2012 wies Deutschland erstmals seit 2000 einen strukturell annähernd ausgeglichenen Staatshaushalt auf, und dies dürfte auch für 2013 gelten. Unterstellt man, dass in der mittleren Frist der Anstieg der Staatsausgaben eng begrenzt wird und keine steuerrechtlichen Änderungen vorgenommen werden, dürften die Überschüsse des Gesamtstaats deutlich steigen und im Jahr 2018 bei 1½ Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt liegen. Ein Teil des Überschusses ist allerdings konjunkturbedingt und sollte für den Schuldenabbau verwendet werden, wie es die Schuldenbremse prinzipiell vorgibt. Der konjunkturbereinigte Finanzierungssaldo dürfte daher im Jahr 2018 bei 1 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt liegen. Dies entspricht knapp 33 Milliarden Euro. Dieser Betrag steckt den budgetären Spielraum ab, innerhalb dessen die Finanzpolitik agieren kann, ohne die Steuern zu erhöhen.
Die Finanzpolitik sollte den Haushaltsüberschuss sinnvoll nutzen. Man könnte damit sowohl die kalte Progression abbauen als auch investive Ausgaben in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Forschung finanzieren. Zusätzliche Spielräume ließen sich gewinnen, wenn Steuervergünstigungen abgebaut und Finanzhilfen reduziert würden.