Als Zwischenfazit der Diskussion kann man also sagen, dass die Mehrheit der Meinung ist, dass kleinere und mittlere Kanzleien mittelfristig wegen der Digitalisierung tot sind, dass das aber für studierte Steuerberater kein Problem ist, da diese sowieso eher projektbezogen bei den Big10 arbeiten. Also ist die Ampel immer noch auf Grün.
Das erinnert mich an das Buch "The War on normal People". In dem Buch wird beschrieben, dass 08/15-Jobs in den letzten 10-15 Jahren immer mehr verschwunden sind oder mittlerweile deutlich schlechter bezahlt werden und dass gut bezahlte Arbeit sich immer weiter und weiter auf immer weniger sehr gut ausgebildete Spezialisten beschränkt - und das ist laut dem Autor der wirkliche Grund für alle aktuellen gesellschaftlichen Probleme. Vergleicht mal die Anzahl der Mitarbeiter von GE mit denen von Google. Je digitaler das Geschäftsmodell, desto weniger Mitarbeiter sind nötig.
Was hat das mit der Steuerberatung zu tun? Es ist eben genau das, was ihr beschreibt! Eine normale Stelle in der Steuerberatung, wo man halt Steuererklärungen und Jahresabschlüsse erstellt und ein bisschen kleinere Beratungen durchführt? Vergiss es! Es müssen mittlerweile schon die Big10 sein, es muss stressige, projektbezogene Arbeit sein mit nicht planbaren Arbeitszeiten, wo man viel, viel diskutieren und sich super gut verkaufen können muss. Dann sind ja schöne Aussichten für "normal people"!
Mir ist auch klar, dass man für einen Einstieg bei den Big10 nicht unbedingt ein Ass sein muss. Die hier einmal erwähnten 40k zum Einstieg sind ja mitttlerweile mehr als bescheiden. Leute, die Einstiegsgehälter haben sich für gefragte Berufe mittlerweile deutlich erhöht! Dass selbst die Big4 noch bei 40k rumkrebsen lässt ja schon tief blicken... Bei den den eher projektbezogenen Beratungen muss man in erster Linie "willig" sein das Privatleben dem Beruf unterzuordnen. Die "Willigen" sind aber oft nicht die hellsten Köpfe. Das ist das Grundproblem aller Beratungshäuser und der einzige Grund für den angeblichen "Personalmangel".
Ich bin bei den Big20000 (ehe :=)) und mache größtenteils Steuererklärungen und Abschlüsse. Wir haben aber auch viele Projekte. Und was die da für Leute anstellen für diese Beratungsprojekte. Da weiß ja ich mehr als die.... (lach).
Und dann noch ein Gedanke zu dem Mythos der sehr schlanken, voll-digitalen Steuerberatungsbüros mit 2 Mitarbeitern, deren Geschäft sehr gut läuft:
Ja, ich habe es auch schon im Internet gesehen, dass es seit einigen Jahren Anbieter gibt, die versuchen mit Online-Platformen, wo der Mandant fast alle Daten selbst eintragen muss, dafür aber nur einen Bruchteil der Steuerberatungsgebühren zahlt, Markanteile zu gewinnen. Das ist aber nicht die Zukunft der Steuerberatung für KMUs, das ist der Bodensatz der Branche und hat mit Steuerberatung nichts zu tun. Woraus besteht denn die Leistung? Dass der Anbieter die Daten durch einen Algorithmus laufen lässt, wo am Ende ein Abschluss und eine Steuererklärung rauskommt? Die Software könnte sich der Mandant doch selbst viel günstiger besorgen. Der Stempel des Steuerberaters ist hier nichts wert, da er sich die Sachverhalte eben nicht angeschaut hat!
Ich habe selbst 1 - 2 solcher Mandanten. Wir bieten denen zwar keine Online-Platform an. Was die machen, ist aber alle Daten selbst zu erfassen, die schicken uns eine Datei, die wir in unsere Programme einspielen und wir erstellen dann nur noch den Abschluss und die Steuererklärungen (nach den Informationen, die sich aus den Daten eben ergeben oder eben auch nicht, wer weiß das schon so genau, Belege sehen wir keine und wenn, dann ist alles falsch erfasst). Das spart dem Mandanten natürlich Geld. Aber wenn man sich die Erklärung und die dahinterliegenden Geschäftsvorfälle anschauen würde, dann würde man bestimmt sehen, dass der Mandant die Daten eben nicht gesetzeskonform erfasst. Ein "Klassiker" ist z. B. dass man bei einer Versicherung mit 19% Versicherungssteuer 19% Vorsteuer geltend macht. Obwohl wir dem Mandanten das schon tausendmal gesagt haben, dass das falsch ist, macht er das immer wieder. Das ist leichtfertige Steuerverkürzung, wenn nicht schon Hinterziehung, was die da machen. Und der einzige Grund, warum das Finanzamt hier nicht einschreitet und denen ordentlich den Hintern versohlt, ist, dass die so klein sind und so wenig Gewinn machen, das es sich gar nicht lohnt, einen teuren Betriebsprüfer auf die anzusetzen.
Wenn die Abschlüsse und die Steuererklärungen richtig gemacht werden sollen, dass muss sich das schon ein Mensch anschauen. Das wird noch ganz lange so bleiben. Die Berechnungen und Verprobungen sind ja nicht der Grund, warum Kanzleien dafür teilweise verhältnismäßig teure Steuerberater einstellt. Das alleine könnte auch ein Schüler-Praktikant machen. Es geht um die Ermittlung und Beurteilung der Sachverhalte. Das kann keine Software.
Auch diese Datev-Expertisen finde ich lustig. Die fragen so viele Fachbegriffe ab, dass damit kein Laie arbeiten kann. Ja, wir haben auch Partner in der Kanzlei, die glauben, dass ein Steuerfachangestellter + eine Expertise ausreichen, um Fachfragen sicher zu beantworten. Aber die lügen sich doch in die Tasche. Woher weiß man, dass der Mitarbeiter die Angaben korrekt gemacht hat? Er kann die abgetragen Begriffe ja gar nicht sicher definieren. Die Auskunft ist genauso "wertvoll" wie die voll automatische Steuererklärung.
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