Griechenland-Krise: Wirtschaftsweisen legen Sondergutachten vor
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung diskutiert in seinem neu vorgelegten Sondergutachten zur Griechenland-Krise Reformen für einen stabileren Euro-Raum und regt ein staatliches Insolvenzverfahren an. Das Sondergutachten trägt den Titel: „Konsequenzen aus der Griechenland-Krise für einen stabileren Euro-Raum“. Ein Mitglied des Sachverständigenrates, Peter Bofinger, hat zu wesentlichen Punkten des Sondergutachtens ein Minderheitsvotum abgegeben.
Peter Bofinger: Eine andere Meinung
Ein Mitglied des Rates, Peter Bofinger, kann sich dem in diesem Sondergutachten von der Mehrheit vorgeschlagenen ordnungspolitischen Konzept für die institutionelle Weiterentwicklung der Europäischen Währungsunion nicht anschließen.
Zusammenfassung seiner Ausführungen
Deutschland hat in den vergangenen Jahren wie kein anderes Land wirtschaftlich von der Mitgliedschaft in der Europäischen Währungsunion profitiert. Ein unkontrollierter Zusammenbruch des Euro würde deshalb die deutsche Wirtschaft in besonderem Maße beeinträchtige n. Bei allen Schwierigkeiten, die sich auf dem Weg zu einer vertieften Integration stellen, sollte die deutsche Politik ein großes Interesse daran haben, die Architektur der Europäischen Währungsunion nach den Erschütterungen durch die Krise in Griechenland konsequent zu stabilisieren.
Es geht dabei um eine fundamentale ordnungspolitische Weichenstellung. Soll Europa in Zukunft von anonymen Finanzmärkten diszipliniert werden oder soll es durch demokratisch legitimierte politische Prozesse gestaltet werden? In den Worten Foucaults (2004) geht es um die Frage, ob wir einen Staat unter der Aufsicht des Marktes oder ab er einen Markt unter der Aufsicht des Staates haben wollen. Wenn man den Rückschritt zu nationalen Währungen ablehnt, muss man sich der Wahl zwischen der Finanzmarktdominanz und der Übertragung gewisser Souveränitätsrechte auf die europäische Ebene stellen.
Dabei ist der Verzicht auf nationale Souveränität geringer als es auf den ersten Blick scheinen mag. Wer den erratischen Prozessen der Finanzmärkte unterliegt, genießt letztlich keine sinnvolle materielle Souveränität.
Nach den Erfahrungen mit der Finanzkrise und den destabilisierenden Prozessen in der Phase von 2010 bis Juli 2012 spricht wenig dafür, sich wie von der Mehrheit vorgeschlagen verstärkt den Gestaltungsprozessen der Finanzmärkte anzuvertrauen. Der Weg zu mehr politischer Integration in Europa ist schwierig, aber letztlich alternativlos.
Am Ende des Sondergutachtens legt Peter Bofinger die Gründe für seine abweichende Ansicht ausführlich dar.