Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsinstitute
Die Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft im Frühjahr 2004
Arbeitsmarktreform
Die Institute haben bereits mehrfach betont, dass sie die in Angriff genommene Arbeitsmarktreform alles in allem für einen Schritt in die richtige Richtung halten. Sie könnte dazu beitragen, die Effizienz der Arbeitsvermittlung und die Intensität der Arbeitssuche zu erhöhen sowie die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verringern. Auch könnte die Neuregelung der Mini-Jobs helfen, Arbeitsplätze aus der Schattenwirtschaft auf den regulären Arbeitsmarkt zurückzuverlagern. Die Institute haben allerdings immer davor gewarnt, bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit allzu große Hoffnungen auf das Hartz-Konzept zu setzen, das die Grundlage der neuen Arbeitsmarktpolitik bildet. Ein Grund dafür sind die nicht unerheblichen Mitnahme- und Verdrängungseffekte. Schwerer wiegt aber noch, dass die ergriffenen Maßnahmen nur wenig dazu geeignet sind, wesentliche Determinanten von Höhe und Struktur der Arbeitslosigkeit wie die zu geringe Wachstumsdynamik, eine hohe Regulierungsdichte am Arbeitsmarkt, Qualifikationsmängel beim Arbeitsangebot und eine immer noch relativ geringe Lohnspreizung, zu beseitigen. Viele der Arbeitsmarktreformen dürften zwar das Produktionspotential steigern. Sie werden aber ihre volle Wirkung erst in einem Aufschwung entfalten, wenn das Potential mehr und mehr ausgeschöpft ist.
Osterweiterung der EU
Die Osterweiterung der EU hat vielfach Befürchtungen hervorgerufen, dass deutsche Unternehmen die sich dadurch bietenden Möglichkeiten nutzen könnten, in noch stärkerem Maße als bisher Teile ihrer Wertschöpfungskette und damit Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, sei es durch Direktinvestitionen, sei es durch die Vergabe von Aufträgen an Unternehmen in den Beitrittsländern. Ob durch das wachsende unternehmerische Engagement in Osteuropa per saldo Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen, lässt sich nur nach Abwägung verschiedener Faktoren sagen. Zwar wurden einerseits Arbeitsplätze durch Produktionsverlagerungen abgebaut, andererseits verbesserten kostengünstigere Vorprodukte aus dem Ausland die Wettbewerbsfähigkeit und führten über höhere Exporte zu mehr Arbeitsplätzen.
Hinzu kommt, dass ausländische Investoren wesentlich zum Wachstum in den osteuropäischen Ländern beigetragen haben, was ebenfalls zu höheren deutschen Ausfuhren führte. Die positiven Effekte scheinen in Deutschland zu überwiegen. Wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf besteht allerdings in zweierlei Hinsicht: Zum einen gilt es, Verlagerungen zu vermeiden, die allein Reflex einer falschen Rahmensetzung in Deutschland sind. Dies gelingt am Besten dadurch, dass man die Wachstumsbedingungen hierzulande nachhaltig verbessert. Zum anderen sind internationale Verlagerungen mit Anpassungen in der Wirtschaftsstruktur verbunden, deren Folgen es abzumildern gilt. Eine zurückhaltende Lohnentwicklung in den betroffenen Bereichen kann dabei durchaus helfen, den Strukturwandel zeitlich zu strecken und Härten zu vermeiden, wenn dies auch nur eine defensive Reaktion sein kann.
Kürzungen der Aufbauleistungen Ost
Die anhaltende Stockung im Aufholprozess Ostdeutschlands sowie die hohen Abgaben zur Finanzierung der Aufbauleistungen haben eine Diskussion über den Stellenwert und die Ausrichtung der Aufbaupolitik Ost ausgelöst. Im Wesentlichen geht es heute darum, die knappen öffentlichen Mittel dort einzusetzen, wo der größte gesamtwirtschaftliche Wachstumserfolg erzielt werden kann. Zum Teil wird deshalb gefordert, die Aufbaupolitik auf jene Regionen und Wirtschaftszweige zu konzentrieren, in denen die Wachstumspotentiale hoch sind. Diese herauszufinden, ist jedoch für den Staat schwierig und auch nicht seine Aufgabe. Vielmehr liegt dies in der Verantwortung der Unternehmen. Insofern sollte sich die Politik darauf konzentrieren, die Rahmenbedingungen für Unternehmen attraktiv zu gestalten und so die Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu verbessern. Wenn der Staat dennoch im Osten selektiv vorgehen wollte, könnte er seine Politik auf Wachstumskerne ausrichten.
Wochenbericht 18/2004 des DIW Berlin.
Die Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft im Frühjahr 2004
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