Herbstgutachten 2011 der führenden Wirtschaftsinstitute
Im Sommer 2011 haben sich die Aussichten für die Weltwirtschaft deutlich verschlechtert. Insbesondere droht in Europa die Staatsschuldenkrise, sich zu einer Bankenkrise auszuweiten. Dies belastet zunehmend auch die deutsche Konjunktur.
Herbstgutachten 2011 - Welt
Im Sommer 2011 haben sich die Aussichten für die Weltwirtschaft deutlich verschlechtert. Unternehmen und Haushalte in den USA und in Europa blicken zunehmend pessimistisch in die Zukunft, und auf den Finanzmärkten deuten Signale wie der weltweite Einbruch der Aktienkurse auf einen Abschwung hin. In Europa droht die Staatsschuldenkrise, sich zu einer Bankenkrise auszuweiten, denn viele Banken halten in großem Umfang Schuldtitel der von der Krise betroffenen Staaten.
Der weltweite Vertrauenseinbruch setzte im Juli ein, als zeitgleich in den USA um die Ausweitung der Obergrenze für öffentliche Schulden und in der Europäischen Union um ein neues Hilfspaket für Griechenland sowie eine Reform des Rettungsfonds gerungen wurde. Die diesseits und jenseits des Atlantiks präsentierten Ergebnisse wurden an den Märkten nicht als Lösung der Schuldenprobleme aufgefasst und konnten den Vertrauensverlust nicht aufhalten. Allerdings sind die Konjunktursorgen nicht allein auf die Zuspitzung der Staatsschuldenkrise zurückzuführen. Bereits in den Monaten zuvor hatten die Vertrauensindikatoren weltweit leicht nachgegeben, als durch die Natur- und Nuklearkatastrophe in Japan Lieferketten unterbrochen waren. Ein weiterer Belastungsfaktor war der sehr kräftige Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise.
Im Vergleich zu den fortgeschrittenen Volkswirtschaften blieb die Nachfrage in den meisten Schwellenländern kräftig. Zwar kam es auch dort zu einer konjunkturellen Verlangsamung, sie blieb aber bisher moderat. Zudem war sie in der Regel wirtschaftspolitisch gewollt: Vielerorts, etwa in China, Indien oder Brasilien, zogen wegen hoher Inflation die Geld- und die Finanzpolitik die Zügel an, und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wurde dadurch ge-
dämpft.
Die Zunahme an Unsicherheit in der Europäischen Union und in den USA wird nicht nur aufgrund verschlechterter Finanzierungsbedingungen einen dämpfenden Effekt auf die Güternachfrage haben. Viele Investoren und Konsumenten werden in der zweiten Jahreshälfte 2011 Ausgabenentscheidungen erst einmal zurückstellen. Auch deshalb wird die gesamtwirtschaftliche Produktion im Winterhalbjahr in den USA kaum mehr als stagnieren und im Euroraum sogar zeitweise zurückgehen. Auch wenn die Schulden- und Vertrauenskrise, wie in dieser Prognose unterstellt, beherrschbar bleibt, wird sie im kommenden Jahr einer kräftigen Erholung im Euroraum entgegenstehen. Was die Wirtschaft in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften in der zweiten Jahreshälfte 2011 und im nächsten Jahr stützt, ist die weiterhin expansive Geldpolitik sowie die hohe, wiewohl abgeschwächte Wachstumsdynamik in den Schwellenländern Asiens, aber auch Lateinamerikas und Mittel- und Osteuropas. Alles in allem dürfte die gesamtwirtschaftliche Produktion in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften in diesem und im nächsten Jahr mit 1,4 Prozent bzw. 1,3 Prozent nur schwach zunehmen. Die Weltproduktion insgesamt dürfte 2011 mit 2,6 Prozent und 2012 mit 2,5 Prozent expandieren.