WiWi Gast schrieb am 10.04.2023:
Hallo zusammen,
Ich beginne kommendes Studienjahr meinen Management Master an der HEC Paris und wollte zu diesem Anlass fragen, ob hier Erfahrungswerte zum Schwierigkeitsgrad bestehen. Grundsätzlich würde ich den Master gerne mit guten Noten abschließen, kann aber zwischen einer starken Kohorte und Kurvenbenotung nicht ganz einschätzen, was da auf mich zukommt und wie warm ich mich anziehen slll. Hätte jemand dazu Insights?
Als ich damals (vor 6 Jahren) CEMS gemacht habe (nicht an der HEC), habe ich die folgenden Informationen bekommen. Wenn es immer noch so ist, brauchst du dir keine Sorgen zu machen.
Für die Franzosen ist der Baccalauréat (ist sowas wie Abitur) sehr wichtig. Da entscheidet sich, ob die es an eine Elite Uni (Grande Ecole) schaffen. Danach „chillen“ die meisten. Und warum „chillen“ die Leute? Noten sind nicht so wichtig wie von welche Uni du kommst. Der Kollege meinte, dass die sich meisten sogar ohne einen Notenspiegel bewerben. Die Franzosen an der HEC gehören zwar zu den besten in Frankreich, sind aber nicht immer motiviert die besten Noten zu bekommen.
Was bedeutet das für dich? Ja, die Kohorte ist sehr stark, aber nur die Internationals werden nach den besten Noten streben. Mit ein wenig Fleiß solltest du es schaffen zu den besten 20% zugehören.
Fast alles rictig.
Ein kleine Korrektur: Das Bac/Abi ist in Frankreich sehr leicht. Das besteht fast jeder. Dafür muss man in Frankreich auch für jeden Quatsch studieren (z.B. Krankenschwester oder Erzieher, etc), Weiter gibt es an staatlicen Unis keinen NC. Man kann also auch Medizin studieren, wenn man möchte (hier wird im Speziellen allerdinggs hammerhart rausgeprüft).
Diese Situation hat dazu geführt, dass "Leistungsorientierte" (sprich der gängige Wiwi-Treff Student) zusätzlich nach dem Abi ein erweitertes Gymnasium besuchen- die sog. classes préparatoires ("prépas"). Dies sind Institutionen, die zu Gymnasien gehören, die die Studenten aber auf eine staatliche Prüfung - den sog. Concurs - vorbereiten.
In Frankreich wird traditionel ein hoher Wert auf analytische Fähigkeiten gelegt. Alles was mathematisch/analytisch ist, gilt als "elitär" und schwer. Alles was mit Sprachen und "Laberfach" zu tun hat, gilt als leicht/seicht. Daher werden in den Prépas sehr viele mathematisch/analytische Dinge gelehrt.
Weiter sind die Franzosen sehr hierarisch, sodass eine klare Rangliste für "Qualität" existiert.. Dies fängt bei den Gymnasien an, geht bei den Prépas weiter und endet nicht bei den Grandes Ecoles. Wer also in Frankreich was auf sich hält, geht auf ein Pariser Gymnasium, und damit auf die Pariser Prépas und im besten Fall an eine Pariser Grande Ecole.
Wer auf welche Grande Ecole gibt, entscheidet das Councours Resultat. Auch wenn der Staat, durch dieses System (staatliche Prüfung) mehr Chancengleichheit hergestellt zu haben, ignoriert, dass der Concours eine mündliche Prüfung (bei der jeweiligen Grande Ecole) beinhaltet. Hier bestehen natürlich, die eloquenten, geschulten und vielleicht sogar sozial "ähnlichen" Studierenden der Elite Prépas.
Die Vorbereitung auf den Concours dauert 2 Jahre. Und die Vorbereitung ist schwer. Sehr schwer. Ich habe an einem deutsch-französischen Gymnasium mein Abitur gemacht und der Concours war mit das schwierigste was ich durchlaufen musste. Vergleichbar mit dem deutschen Vordiplom zu Diplom-Zeiten. Mit dem Unterschied, dass es kein 4 gewinnt gibt. Sondern eher ein "1,x muss her".
Die bestten Absolventen des Concours dürfen sich dann auf die besten Grand Ecoles bewerben. Die Plätze werden dann entsprechend der Rangfolge vergeben.
Die Tatsache an welcher Grande Ecole man studiert, sagt also viel darüber aus, wieviel man im nationalen Vergleich in mathematisch analytischen Fächern drauf hat.
Daher ist es (insbesondere für HEC Studierende) vollkommen egal, wie ihre Noten nach dem Concours sind. Sie haben bereits bewiesen, dass sie lernen und denken können. Nun kommt es für Sie auf den Feinschliff im Networking und Stallgeruch an. Daher sind mit das wichtigste für französische Studenten die "Hochschulvereine". Hier wird die meiste Energie investiert. Und jeder der Networking versteht, weiß wie produktiv diese Freizeitaktivitität für die spätere Karriere sein wird.
Daher ja: Franzosen in den den Grande Ecole Programmen sind sehr faul. Sie haben es aber aus deren Sicht bereits verdient. Sie haben nun einen anderen Fokus.
Sind die Fächer daher leichter? Ich denke im Schnitt ja. Aber eine 1,0 ist dennoch mega schwer zu bekommen. Eine 1,7 allerdings sollte drin sein.
Was muss man - wie bereits ein Vorposter meinte - bei Gruppenarbeiten beachten?
Suche Dir andere Ausländer/Austauschstudenten und die sogennaten "AST" (admis sous titres). Dies sind Franzosen, die keine Prépas und damit keinen Concours durchlaufen haben. Diese haben über den "zweiten Bildungsweg" in Form eines vollwertigen Universtätitsabschlusses ihr Ticket gelöst. Diese Studierenden sind i.d.R. weniger "elitär" und sehr dankbar an einer Grande Ecole studieren zu dürfen. Werden dafür aber auch etwas von den Concours Absolventen belächelt ("AST? - Admis sans travail"). In der Regel arbeiten diese Studierenden aber sehr gerne und produktiv mit, da diese sich aktiv für ein Zweitstudium entschieden haben. Meistens tatsächlich aus Interesse.
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