Brexit-Folgen: Unternehmensinvestitionen sinken durch Unsicherheit
Der kommende Ausstieg von Großbritannien aus der Europäischen Union bringt Unsicherheiten in der europäischen und deutschen Wirtschaft mit sich. Insbesondere sind Unternehmensinvestitionen vom Brexit betroffen. Die Politik sollte daher stärkere Investitionsanreize setzen. Zu diesem Fazit kommen Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Experten-Interview: Investitionen in Maschinen gehen durch Brexit am stärksten zurück
Im Experten-Interview beantwortet Dr. Malte Rieth, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Makroökonomie am Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sieben Fragen zu den Unsicherheiten, die vom Brexit-Referendum ausgehen. Sein Fazit lautet: "Investitionen in Maschinen dürften durch die Unsicherheit am stärksten zurückgehen."
1. Herr Rieth, Sie haben untersucht, welche Auswirkungen, die wirtschaftliche Unsicherheit haben könnte, die durch das britische Votum zum Austritt aus der EU (Brexit) hervorgerufen wurde. Wie haben Sie die wirtschaftliche Unsicherheit gemessen?
Wir haben uns einen ganz speziellen Aspekt des Brexits angeschaut, nämlich nur die Unsicherheit, die sich dadurch ergeben hat, dass die Britinnen und Briten in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni 2016 die unerwartete Entscheidung getroffen haben, die Europäische Union zu verlassen. Wir haben versucht, genau diesen einzelnen Aspekt in einer kontrafaktischen Analyse zu quantifizieren. Das heißt, dass wir versucht haben, alle anderen Faktoren, die die Volkswirtschaften im Euroraum oder in Deutschland beeinflussen, konstant zu halten und uns nur diesen einzelnen Aspekt der Unsicherheitsveränderungen anzuschauen. Dabei geht es nur um den Aspekt, der durch diese Entscheidung beeinflusst wurde und nicht um das, was infolge dessen noch alles passiert ist, etwa dass der Premierminister zurückgetreten ist oder die Reaktion der europäischen Partner. Auch ist die Analyse nicht zu vergleichen mit einer Prognose.
2. Welche Folgen hat die Unsicherheit für die deutsche und die europäische Wirtschaft?
Wir sehen, dass die Unsicherheit zu negativen Effekten führt, sowohl für den Euroraum als auch für Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt geht für den Euroraum im Verlauf der nächsten acht Monate um rund ein Viertelprozentpunkt zurück. Für Deutschland sind die Effekte etwas größer, aber in ähnlicher Größenordnung.
3. In welchen wirtschaftlichen Bereichen ist Deutschland besonders betroffen?
In Deutschland sind vor allen Dingen die Investitionen betroffen. Das ist eine Kategorie, die besonders stark unter Unsicherheit leidet, betroffen sind hier vor allen Dingen die Investitionen in Maschinen. Hier dürfte es zu den stärksten Rückgängen kommen.
4. Wie wirkt sich die durch den Brexit hervorgerufene Unsicherheit auf den Arbeitsmarkt, den Wertpapierhandel und die Verbraucherpreise aus?
Auch hier dürfte sich die Unsicherheit negativ auswirken. Es dürfte zu einer Erhöhung der Arbeitslosenquote kommen, nicht dramatisch, aber spürbar. Auch die Konsumentenpreise dürften fallen, weil die wirtschaftliche Aktivität zurückgeht. Das ist natürlich gerade im gegenwärtigen Umfeld besonders schlecht, da wir im Euroraum sowieso schon unter niedrigen Inflationsraten leiden. Auch für die Aktienmärkte dürfte die Unsicherheit erst einmal zu einem Rückgang der Kurse führen.
5. Wie lang werden die durch die Unsicherheit hervorgerufenen Effekte anhalten?
Laut des geschätzten Makromodells, das ja auf historischen Zusammenhängen zwischen Unsicherheit und den makroökonomischen Variablen beruht, dürfte etwa nach acht bis zehn Monaten der Tiefpunkt erreicht sein. Danach dürfte es langsam wieder aufwärtsgehen. Aber selbst nach zwei Jahren wird der Brexit das Bruttoinlandsprodukt bremsen und tendenziell immer noch unter dem Niveau sein, das es ohne diesen Unsicherheitsschock erreicht hätte.
6. Würde ein schneller Ausstieg Großbritanniens aus der EU die Unsicherheit vermindern?
Ja, insgesamt würde das wahrscheinlich die Unsicherheit vermindern, aber es kommt auf die Ausgestaltung des Ausstiegs an. Natürlich ist die Unsicherheit nur ein Faktor. Wenn es nur darum ginge, die Unsicherheit zu vermindern, könnte man natürlich schnell agieren, aber es gibt auch andere Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Zum Beispiel kann es deutlich wichtiger sein, für beide Seiten vorteilhafte Verträge auszuhandeln, als nur die Unsicherheit zu reduzieren.
7. Wie ließe sich der Unsicherheitsschock abfedern?
Unsere Ergebnisse zeigen, dass besonders die Investitionen negativ betroffen sind. Insofern wäre es besonders hilfreich, diese wieder zu stärken, sowohl im Euroraum als auch in Deutschland. Das könnte dadurch geschehen, dass der Staat sich hier stärker engagiert und zum Beispiel private Investitionen fördert.