Machtspiele in Unternehmen sind vollkommen normal. In Hierarchien kommen diejenigen Menschen nach oben, die Macht haben wollen und für die Ausübung von Macht die richtigen Kompetenzen mitbringen. Sind diese Personen dann einmal in Macht-Positionen, bauen sie ihre Macht naturgemäß immer weiter aus.
Das zeigt sich darin, dass es in großen Unternehmen meistens mehrere "Clans" gibt, die einander gut kennen und zusammenhalten. Oft sind das auch Gefolge von einem Vorstand aus vergangenen Zeiten - also Menschen, die alle von demselben Förderer zur gleichen Zeit nach oben gebracht wurden, bis dieser Förderer dann in den Ruhestand ging. Was bleibt, sind alte Seilschaften.
Diese Machtspiele sehe ich keineswegs grundsätzlich negativ, denn irgend eine Art der Organisation von Macht muss es immer geben, wenn ein Unternehmen entscheidungsfähig sein will. Demokratie ist in Privatunternehmen nicht vorgesehen und bürokratische Entscheidungswege sind lang und ressourcenintensiv. Es kann für eine Firma gut sein, wenn ein Mächtiger an der Spitze steht, der den Führungsapparat über ein Netz von Seilschaften gut im Griff hat. Solche Organisationen können durch Loyalität und Geschlossenheit geprägt sein, allerdings bilden sich oft Gegen-Netzwerke (wie in der Politik). Dieses Gleichgewicht der Mächte kann auch in gegenseitiger Kontrolle resultieren und hilfreich sein.
Es gibt auch Nachteile der Machtspiele - Gespaltenheit, Selbstverliebtheit, Innovationsstarre und Machtakkumulation in den falschen Händen. Der Mächtige verfolgt oft eigene Interessen und nicht primär diejenigen des Eigentümers.
Als Praktikant bekommt man davon an der Oberfläche zunächst mal nicht viel mit. Man bekommt Aufgaben und erledigt diese. Sind die Aufgaben mit den Kontakten zu anderen Bereichen verbunden, sollte man ein offenes Ohr für die Machtverhältnisse "zwischen den Zeilen" haben und eventuell auch aktiv beim Vorgesetzten oder einem Kollegen nachfragen. Praktikanten werden auch gerne mal in Kämpfe geschickt, in die man aus gutem Grund nicht die Festangestellten schicken will. Du gehst dann völlig naiv Deiner Aufgabe nach, stößt auf verschlossene Türen und erfährst hinterher von Deinem Chef, dass er damit schon gerechnet hatte, da die betroffene Abteilung auf das Thema nicht gut zu sprechen ist. Das kann auch eine gute Erfahrung sein.
Als Praktikant solltest Du grundsätzlich loyal zu derjenigen Abteilung sein, die Dich eingestellt hat und bezahlt. D.h. Informationen über Deine Arbeit und Deine Fortschritte gibst Du grundsätzlich nur diesem Kollegenkreis weiter. Ein interessantes Terrain sind Praktikantenstammtische: Viele plaudern dort unverblümt über ihre Arbeit und Du kannst dadurch aus erster Hand auch die Stimmung und Schwerpunkte anderer Abteilungen in Erfahrung bringen. Machst Du das gut, kannst Du Deinem Chef und Deinen direkten Kollegen über so manche interessante Entwicklung im Unternehmen Bericht erstatten - natürlich gibst Du selbst ausschließlich Belanglosigkeiten Preis, um nicht denselben Fehler zu begehen. Versuche, ein Gespür dafür zu bekommen, wer mit wem gut kann und wie diese Verbindung in der Zusammenarbeit der Abteilungen sichtbar wird. Es gibt Jobs, für die bewusst gut vernetzte Mitarbeiter eingesetzt werden oder solche, die gut im Abgreifen von Informationen bei anderen Abteilungen sind, weil sie die Netzwerkbildung beherrschen.
Einer Tatsache solltest Du dir bewusst sein: Solltest Du jemals in einem großen Unternehmen arbeiten und auf der Karriereleiter aufsteigen, wirst Du damit automatisch zu tun bekommen. Ein Praktikum ist eine gute Gelegenheit, zu beobachten und zu üben.
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