Frühjahrsgutachten 2005 der sechs Wirtschaftsinstitute
Die Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft im Frühjahr 2005
Konjunkturelle Schwächephase der deutschen Wirtschaft
Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Frühjahr 2005 in einer konjunkturellen Schwächephase. Die Erholung, die im ersten Halbjahr 2004 sehr kräftig ausgefallen war, kam danach zum Stillstand. Ausschlaggebend hierfür war zum einen die langsamere Expansion der Weltwirtschaft; zum anderen hinterließ die Aufwertung des Euro Bremsspuren. Die binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte blieben schwach, so dass das Nachlassen der Exportdynamik nicht ausgeglichen wurde. Die schwache Grundtendenz der Konjunktur setzte sich also fort. Selbst der vorangegangene massive Nachfrageimpuls aus dem Ausland hat keinen nachhaltigen Aufschwung ausgelöst. Die inländische Endnachfrage, die drei Jahre lang rückläufig gewesen war, stabilisierte sich im Jahr 2004 lediglich. In kaum einem anderen Land der Europäischen Union verlief die Entwicklung in den vergangenen Jahren so ungünstig. Offenbar leidet die deutsche Wirtschaft unter einer fundamentalen Schwäche. Auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Situation konjunkturell bis zuletzt verschlechtert. Zwar nahm infolge arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen die Zahl der Beschäftigten insgesamt zu, doch sank die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die die grundlegende Tendenz am Arbeitsmarkt besser widerspiegelt, erneut. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit setzte sich fort; nach der Jahreswende erhöhte sich die Zahl der registrierten Arbeitslosen sogar sprunghaft, weil mit dem Inkrafttreten der Hartz IV-Reformen insbesondere erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger einbezogen wurden.
Im ersten Halbjahr 2005 wird die konjunkturelle Grundtendenz noch verhalten bleiben. Zwar gab es zur Jahreswende einen Schub bei den Auftragseingängen in der Industrie; diese waren aber überzeichnet durch Großaufträge. Seither hat sich die Nachfrage erheblich abgeschwächt. Die jüngsten Umfragedaten deuten darauf hin, dass die Konjunktur noch nicht wieder Tritt gefasst hat; bei den Geschäftserwartungen in der gewerblichen Wirtschaft setzte sich die leichte Abwärtstendenz fort. Ein wichtiger Grund für den Pessimismus dürfte der kräftige Anstieg der Ölpreise sein, der die Gewinne der Unternehmen schmälert und den privaten Haushalten Realeinkommen entzieht. Alles in allem wird die Binnennachfrage vorerst nur in sehr mäßigem Tempo expandieren. Auch die Exporte werden zunächst nur moderat zulegen, da die Konjunktur im Ausland durch die höheren Energiepreise ebenfalls gedämpft wird.
Institute erwarten im Lauf des Jahres konjunkturelle Erholung
Die Institute erwarten, dass die Schwächephase im Lauf dieses Jahres allmählich überwunden wird. Die Rahmenbedingungen für eine konjunkturelle Erholung stellen sich dann überwiegend günstig dar. So lassen die dämpfenden Einflüsse seitens der hohen Ölpreise nach, und die retardierenden Effekte der vorangegangenen Aufwertung laufen aus. Zudem setzt sich die Expansion der Weltwirtschaft in zügigem Tempo fort. Davon wird die Ausfuhr getragen; wegen der sich verbessernden preislichen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wird der Weltmarktanteil der deutschen Exporteure leicht steigen. Die Binnennachfrage wird durch die anhaltend niedrigen Zinsen gestützt. Im nächsten Jahr wird sich die konjunkturelle Erholung leicht verstärken, und die Zuwachsrate des realen Bruttoinlandsprodukts dürfte die trendmäßige Wachstumsrate von rund 1 % übertreffen. Damit wird sich die Produktionslücke verringern, die nach Schätzung der Institute derzeit bei rund 1 % liegt.
Das reale Bruttoinlandsprodukt wird der Prognose der Institute zufolge in diesem Jahr lediglich um 0,7 % zunehmen; arbeitstäglich bereinigt beläuft sich die Rate auf 0,9 %. Im Jahr 2006 dürfte der Anstieg 1,5 % betragen. Auf dem Arbeitsmarkt wird die Umsetzung der Hartz IV-Reformen wird noch geraume Zeit die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen prägen. Es ist zu erwarten, dass es nach der Jahresmitte 2005 zu einem kräftigen Rückgang der Arbeitslosenzahl kommt, der auch im nächsten Jahr anhält. Die Beschäftigungslage wird sich allerdings nur leicht verbessern.