Ganz ehrlich: Mir ist keine Branche bekannt, die eine so professionelle, konsequente und hochwertige Personalentwicklung betreibt wie die Strategieberater. Man wird gefördert und gefordert, bekommt Schulungen, ein gutes Netzwerk und wird aktiv als hochwertiger Leistungsträger vermarktet (natürlich unter dem Markennamen der Beratung, aber dadurch schwingt immer auch ein Stück persönlicher Marktwert mit). Wer bei einer Strategieberatung gearbeitet hat und nicht nach 2 Jahren schon "rausplatziert" wurde, hat meistens sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Was ich besonders bemerkenswert finde, ist, dass bei den Beratern ALLE Arbeitnehmer eine faire Chance auf diesen Aufstieg haben. Dafür wird auch regelmäßig "gesiebt", und wer nicht mithält, fliegt raus. Ein harter, aber fairer Deal.
Natürlich kann man auch in der Industrie schnell aufsteigen, aber dafür muss man der richtige Typ sein und verdammt viel Glück haben. Wenn dem Chef Deine Nase nicht passt (oder Du sonstwie Eigenschaften hast, die Dich bei ihm nicht gut dastehen lassen, z.B. die falsche Einstellung zu bestimmten Fragen, den falschen Stil, das falsche Lebensmodell, whatever...), dann kann es gut sein, dass das Deiner Karriere im Wege steht. In Industrieunternehmen dominieren immer noch Menschen das Geschäft. In den Stories vom Berufseinsteiger, der nach 2 Jahren eine Führungsaufgabe erhält und nach 5 Jahren eine Abteilung mit 30 Mann führt, ist immer auch eine große Portion Glück enthalten.
Große Konzerne rühmen sich gerne damit, dass ihre Personalentwicklung stark formalisiert ist und damit nicht mehr unter dem Einfluss des Nasenfaktors einzelner Manager steht. Ich halte das für Unfug. Die Formalisierung der Personalthemen ist in meinen Augen meistens vorgeschoben. Am Ende steht die Chance auf eine schnelle Weiterentwicklung eben NICHT allen Arbeitnehmern zu gleichen Teilen offen, sondern nur denjenigen, die ins System passen. Auch ich kenne Leute, die es in der Industrie sehr schnell zu attraktiven Pöstchen gebracht haben, weil sie 1. sehr clever sind, 2. fachlich und menschlich ins System passen und 3. zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.
Das soll nun keine Systemkritik sein, sondern ist einfach eine logische Konsequenz aus der Tatsache, dass die Industrie nicht alle paar Jahre die Hälfte ihrer Belegschaft aussortieren kann. In einem großen Konzern muss es auch viele Menschen geben, die glücklich und zufrieden einfachere Tätigkeiten ausüben und das als ihren Arbeitsinhalt akzeptieren. Dafür wird beim Einstieg ja auch nicht so stark gesiebt wie bei den Beratern.
Was Du nun für Dich selbst daraus schließen kannst: Wenn Du eine Garantie dafür haben willst, dass man Dich auf jeden Fall chancengleich weiterentwickelt und unter hohem Druck zu hoher Leistung bringt, dann solltest Du wirklich in die Strategieberatung gehen. Wenn Du akzeptierst, dass neben der Leistung auch andere Faktoren eine Rolle für Deine Karriere spielen und dass Du Dich außerdem einem gewissen Unternehmenshabitus unterwerfen musst, um akzeptiert zu werden, dann könnte Dir auch ein Industrie-Traineeprogramm gefallen.
Und noch etwas: Ich kenne eine ganze Reihe von Beratern, und jeder einzelne von Ihnen sagt im Laufe eines Gesprächs mindestens einmal diesen Satz: "Ewig halte ich das nicht aus, langfristig muss ich da raus." Die Berater sind gerne Berater, wollen es aber nicht auf Lebenszeit sein. In der Industrie hingegen findest Du diese Einstellung nicht so oft. Ein Job in der Industrie ist einer, der von seiner Work-Life-Balance normalerweise eine lebenslange Anstellung sein könnte, ohne Dich körperlich zu ruinieren.
antworten