Herbstgutachten 2009 der führenden Wirtschaftsinstitute
Im Herbst 2009 scheint der Tiefpunkt der schwersten weltwirtschaftlichen Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg überschritten. Vieles deutet auf eine konjunkturelle Erholung hin. Die Lage an den Weltfinanzmärkten hat sich erheblich entspannt, die Stimmungsindikatoren weisen wieder nach oben.
Herbstgutachten 2009 - Empfehlungen für die Wirtschaftpolitik
Infolge der schwachen Konjunktur dürften die Verbraucherpreise kaum steigen. Zwar wird die Verteuerung des Rohöls, die in den vergangenen Monaten zu beobachten war, weiterhin auf die Energiekosten durchwirken. Die Kerninflation wird sich aufgrund der schlechten Nachfragesituation aber weiter abschwächen. Für den Durchschnitt des Jahres 2010 wird ein Preisanstieg von 0,6 % erwartet. Die öffentlichen Haushalte werden durch die Rezession deutlich belastet. Sinkenden Steuer- und Beitragseinnahmen stehen konjunkturell bedingte Mehrausgaben und die Kosten der Konjunkturprogramme entgegen. Im Jahr 2009 dürfte die Defizitquote auf 3,2 % steigen. Im kommenden Jahr werden die Ausgaben zwar verlangsamt zunehmen, die Einnahmen des Staates werden aber infolge der Abgabensenkungen und der sinkenden Beschäftigung weiter zurückgehen.
Die Institute erwarten für 2010 eine Defizitquote von 5,2 %. Wesentliche Risiken resultieren daraus, dass neue Erschütterungen des internationalen Finanz- und Bankensystems keineswegs ausgeschlossen sind. Es wird erwartet, dass umfangreiche Abschreibungen undWertberichtigungen bei toxischen Assets und in den Kreditportfolios bevor. Rückschläge an den Aktienmärkten könnten zusätzlichen Druck auf die Eigenkapitalausstattung der Banken ausüben. Dies könnte zu einem erneuten Vertrauensverlust auf den Kapitalmärkten führen und auf die Realwirtschaft ausstrahlen. Daher besteht eine große Gefahr, dass die ohnehin restriktiver werdenden Finanzierungsbedingungen der Unternehmen in eine Kreditklemme münden und die konjunkturelle Erholung erheblich behindern. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass sich die konjunkturelle Gesundung weltweit schneller durchsetzt als in der Prognose veranschlagt.Es gab nämlich bisher selten so ausgeprägte Maßnahmen zur Konjunkturstabilisierung wie derzeit.
DieWirtschaftspolitik steht vor großen Herausforderungen. Um eine Kreditklemme zu vermeiden stellt sich die Frage, wie das Problem der Unterkapitalisierung des Bankensektors angegangen werden kann. Die Institute schlagen vor, dass die Bundesregierung von den Banken fordert, dass deren regulatorische Eigenkapitalquote an einem Stichtag einenWert übersteigt, der deutlich oberhalb des derzeitigen Niveaus liegt und Spielraum für eine künftige Kreditvergabe liefert. In dem Fall, dass eine einzelne Bank dies nach einer angemessenen Übergangsfrist nicht schafft, müsste sie einen Einstieg des SoFFin akzeptieren,um die Anforderungen zu erfüllen.
Die Geld- und die Finanzpolitik befinden sich auf einem außerordentlich starken Expansionskurs. Die Geldpolitik hat in beträchtlichem Maße Liquidität in den Markt injiziert, und die Finanzpolitik hat aufgrund der Konjunkturprogramme und weiterer Maßnahmen erhebliche Fehlbeträge aufgebaut. Die Institute halten es für geboten, dass die wirtschaftspolitischen Instanzen bereits jetzt über Strategien entscheiden, wie die die außergewöhnlichen Maßnahmen, mit denen die Finanzkrise und die Rezession bekämpft wurden, beendet werden sollen, um negativen Effekten für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vorzubeugen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen dem Ausstieg der Geldpolitik einerseits und dem der Finanzpolitik andererseits. Im Prinzip ist es für die EZB relativ leicht, zur Normalität zurückzukehren, denn sie muss lediglich die expansiven Maßnahmen auslaufen lassen und die geschaffene Liquidität wieder abschöpfen. Die Korrektur kann gegebenenfalls zügig geschehen, und die EZB verfügt auch über den Vertrauensvorschuss, dass ihr das gelingt. Wenn die Liquidität reibungslos abgeschöpft wird, ist das Ziel der Preisniveaustabilität durch die in der Krise sehr expansiv ausgerichtete Geldpolitik nicht beeinträchtigt. Demgegenüber ist ein Ausstieg aus der expansiven Finanzpolitik ungleich langwieriger. Denn ein Abbau des strukturellen Defizits lässt sich nicht in kurzer Zeit erreichen; eine Regierung kann immer wieder dem Druck nachgeben, das Ziel nicht oder weniger ehrgeizig zu verfolgen. Ungeachtet dessen muss das hohe strukturelle Budgetdefizit deutlich vermindert werden, um die Schuldenquote zu verringern und die öffentlichen Finanzen auf eine tragfähige Basis zu stellen. Dies ergibt sich auch aus den Regeln des europäischen Stabilitäts- undWachstumspakts sowie der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse.
Beginnen sollte man mit dem Abbau des strukturellen Defizits im Jahr 2011, wenn sich die Konjunktur stabilisiert haben dürfte. Dabei sollte man so vorgehen, dass Wachstum und Beschäftigung gefördert oder zumindest nicht geschädigt werden. Eine größere Belastung mit Steuern und Sozialabgaben würde die Arbeitskosten erhöhen und die Arbeitsnachfrage dämpfen. Zudem würden die Anreize zu arbeiten und zu investieren verringert. All dies ist mittelfristig kontraproduktiv für das Erreichen der wirtschaftspolitischen Ziele.Daher sollte die Bundesregierung vorrangig auf der Ausgabenseite und an denSteuervergünstigungen ansetzen, um die Haushalte zu konsolidieren. Eine Orientierung an den Ausgaben bedeutet nicht, dass diese gekürzt werden müssen, sondern ihr Anstieg muss begrenzt werden. Da es beträchtliche Spielräume bei der Streichung von Subventionen sowie für Einsparungen im Bereich der PersonalundSachausgaben gibt, können investive Ausgaben sogar rascher ausgeweitet werden, was die Wachstumsbedingungen verbessert.
Steuersenkungen, wie sie derzeit diskutiert werden, würden sich auf Dauer als sehr teuer erweisen, wenn sie durch Kredite finanziert werden.Aufgrund des gestiegenen Schuldenstandes würden nämlich die Zinszahlungen zunehmen und womöglich die Zinsen steigen. Daher müssen Steuersenkungen finanziert werden. Dies wäre zwar prinzipiell möglich, wie die von den Instituten aufgeführten Konsolidierungspotentiale zeigen, würde aber eine sehr ehrgeizige Sparpolitik voraussetzen.
Downloads
- Langfassung [PDF; 6,4 MB]
- Eckdaten der Prognose für die Bundesrepublik Deutschland [PDF]
- Die wichtigsten Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für die Bundesrepublik Deutschland [PDF]